Marianne Peternell

Frauen und ihr Erbe


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zu formulieren meint, indem er seine Befindlichkeit verallgemeinernd auf alle legt und jene, die eine andere Form von Befindlichkeit ausdrücken oder zu erklären versuchen, bzw. auf eine andere Welterfahrung verweisen, jederzeit einer niederen Stufe der Entwicklung des Seins, also des Geistes zuweisen kann oder als ohnehin seinem Geistprinzip schon immer enthaltene Form aufsaugen kann.

      Es gibt wenige Möglichkeiten sich dem zu entziehen. Meine Behauptung ist, dass alle Menschen, die sich besonders im Bereich der performativen und sinnlich- anschaulichen Erfahrung außerhalb logisch begrifflichen Denkens äußern und eigene Präsenz erzeugen, aufgrund einer unbegriffenen, nicht öffentlichen Geschichte und durch das Dogma von der Dominanz des Logos nur wenig öffentlich respektierten Raum erhielten und erhalten.

      Implizit erfüllt also Hegels Theorie von der Dominanz des Logos als der durchwaltenden Kraft alles Seienden gleichzeitig die Funktion der realen Unterordnung all derer, die andere Formen von Sein leben und diese logisch begrifflich nicht ausformulieren, weil eben dies ihrer Form des Seins in der Welt nicht entspricht. Sobald diese zu Begriffsbildung und „Meinungen“ greifen, wird es daher abenteuerlich und sie sind leichte Beute für solche, die vereinfachen und behauptend Welt in ihrem Sinne gestalten wollen.

      Sind nach Hegel und seinem Begriff des erkennenden Geistes und der Dominanz der Logik Gefühle, Leidenschaften und das, was ich als die Erkenntniskraft des „inneren Sinns“ oder des inneren Wahrnehmungsvermögens, bezeichnen möchte, das blitzschnelle außerbegriffliche Verstehen, das sich im Witz, im Handeln, in einer inneren „Haltung“, in Intuition äußern kann, vom Logos weit entfernt oder in ihm enthalten? Vermutlich meint Hegel, all das sei in dem Begriff Logos enthalten, er meine mehr als Logik. Und dennoch:

      Wenig geborgen im sich entfaltenden, erkennenden Geist ist jedenfalls das Volk in seinen männlichen und seinen angeblich weniger entwickelten weiblichen Vertretern, das erst durch Bildung von Verstand und Moral aufgeklärt und erzogen werden muss, denn der männliche Teil des Volkes hat Hegels Theorie zufolge zwar Anteil an der Entzweiung des Geistes von Natur, kann jedoch, so wie ich das sehe, an dem Werk der Begriffsbildung und der Höherentwicklung des Geistes nur in Ausnahmefällen mitwirken, da dem Begriff des sich entfaltenden Geistes notwendigerweise eine Hierarchie innewohnt. Begriffe entfalten sich nämlich in der Realität von Individuen, die diese Begriffe bilden. Ein Problem oder verstreute Tatsachen aber „auf den Begriff“ zu bringen, erfordert Menschen, die benennend, Begriffe bildend und in verstreut erscheinenden Phänomenen nach Gesetzlichkeit forschend mit Welt umgehen. Es gibt viele Menschen aller gesellschaftlicher Stufen und aller Kulturen, die in nicht so erfreulichen Lebensverhältnissen mit existentiellen Fragen konfrontiert sind, für die sie primär nach Haltungen und Weisheit suchen und im Vollzug des Lebens teilweise finden. Sie ringen in ihrem Erkenntnisstreben um Wahrheiten, leben mit materialisierter Sinnlichkeit, Erfahrung, Gedächtnis, Brot und nicht Brot. Der abstrakter arbeitende intellektuelle Geist mit seinen Abstraktionen und Objekten schreitet fort von diesem Konkreten, Erfahrenen, Sinnlichen und versucht die vielfältigen Erscheinungsformen von Welt in Begriffen zu fassen.

      Wir können also zusammenfassen:

      Die Aufklärung um 1800 hat im besonderen Maße den männlichen weißen Denker zum höchstentwickelten Menschen erklärt.

      „Das eine Extrem, der sich selbst bewusste Geist, wird mit seinem anderen Extrem, seiner Kraft und seinem Element, mit dem bewusstlosen Geiste, durch die Individualität des Mannes zusammengeschlossen. Dagegen hat das göttliche Gesetz seine Individualisierung oder der bewusstlose Geist des Einzelnen sein Dasein an dem Weibe, durch welches als die Mitte er aus seiner Unwirklichkeit in die Wirklichkeit, aus dem Unwissenden und Ungewussten in das bewusste Reich herauftritt.“ (Phänomenologie des Geistes) An anderer Stelle in der Philosophie des Rechts heißt es explizit:

      „Frauen können wohl gebildet sein, aber für die höheren Wissenschaften, die Philosophie und für gewisse Produktionen der Kunst, die ein Allgemeines fordern, sind sie nicht gemacht. Frauen können Einfälle, Geschmack, Zierlichkeit haben, aber das Ideale haben sie nicht. Der Unterschied zwischen Mann und Frau ist der des Tieres und der Pflanze.“ (§166 Zusatz)

      Der Bereich des menschlichen Weiblichen steht nach Hegel im 18. Jahrhundert nicht auf der Stufe des erkennenden Geistes, es ist einer niederen Stufe der Entwicklung zuzurechnen, wie sich ja auch die Natur vom Anorganischen über die Pflanze zum Tier herauf fortsetzt. Frauen haben demnach keinen Anteil am Idealen, an der Idee, an der Entwicklung des Geistes außer in der Vereinigung mit dem Mann, die Erkenntniskraft birgt und den Mann in seiner geistigen Entwicklung voranbringt. Die Frau erscheint demnach im Wesentlichen als eine Analogie zur Natur selbst, dieser stärker verhaftet, ein Wesen, das sich nicht von Natur in das geistige Prinzip entzweit hat. Diese Auffassung hat sich in der Hegelnachfolge durchaus auch gemeinsam mit dem Fortschreiten der Frauenemanzipationsbewegung weiterentwickelt und verändert. Vielfach aber haben sich Frauen diesem Verdikt unterworfen und versuchen zu beweisen, dass sie nichts, aber auch gar nichts stärker der Natur verbindet als der Mann. Die Frage ist, ob sie damit nicht einfach auch verborgene Fähigkeiten verwerfen.

      Nach Hegel ist quasi die implizite Auffassung vom Menschen die Auffassung vom männlichen Menschen, der durch die Entwicklung des Geistes und der Logik dem höchsten Prinzip des Idealen am nächsten ist.

      Diese Auffassung Hegels enthält ebenfalls die Setzungen abendländischer Kultur. Schon im Denken von Aristoteles ist das Weibliche durchgängig mit der passiven, formbaren Materie assoziiert, das Männliche hingegen mit dem aktiven, gesetzgebenden Prinzip der Form. Die Natur äußert sich bei Aristoteles als weiblicher Stoff und als männliche Form.

      In Hegel offenbart sich vollendet der Zeitgeist der Aufklärung. Einerseits realisiert sich Vernunft im männlichen Menschen, im männlichen, denkenden Subjekt des Abendlandes in seiner höchsten entfalteten Ausformung und strebt weiter nach Fortschritt. Das Weibliche als Verkörperung von Natur ist der Familie innen zugeordnet, ihm werden die Bestimmungen der Vernunft in Form der tugendhaften Moral zugewiesen. Mittels der tugendhaften Moral erhält das Weibliche Anteil am übergeordneten Prinzip der Vernunft.

      Dass dem so ist, offenbart sich in zahllosen anderen Produktionen der Denker der Zeitenwende um 1800. Beispielsweise offenbart Schillers „An die Freude“ die Setzung des Menschen als Mann. „Alle Menschen werden Brüder.“ Ruth Klüger formuliert im Essay ‚Frauen lesen anders’ (in Ruth Klüger: Frauen lesen anders. Essays. München 1996, S.169.) „Eigentlich (...) sollte es Geschwister heißen, wenn auch Frauen gemeint sind. Doch „’Geschwister’ ist unpoetisch, also gut ‚Brüder’. Doch dann las ich: ‚Wem der große Wurf gelungen eines Freundes Freund zu sein, Wer ein holdes Weib errungen, mische seinen Jubel ein.’ Da ich...nie in der Lage sein würde, ein solches, nämlich ein holdes Weib zu erringen, (außer wenn ich homoerotische Interessen habe, Anmerkung der Autorin) würde ich bestenfalls einen Mann zum Jubeln veranlassen, doch selber mitzujubeln schien mir der Dichter zu versagen, und das in seiner menschheitsumspannenden Versöhnungshymne. Später lernte ich, eine solche Reaktion auf ein großes Gedicht sei kindisch. Ich musste alt werden, um ihre spontane Richtigkeit zu erkennen.“

      Der sich selbst und alles wissende Begriff als höchste Idee stellt schon nach platonisch-aristotelischer Auffassung höchste Bestimmung dar. Das Prinzip von der Dominanz des Logos findet sich bereits in der Antike. Nach Platon kommt Erkenntnis in fünf Schritten zustande: Der Name, der genannt wird , die Begriffsbestimmung, das durch die fünf Sinne Wahrnehmbare, die begriffliche Erkenntnis durch den vernünftig denkenden Geist und die leidenschaftslose Vertiefung in der Vernunft, die eine Annäherung an das wahre Urbild des inneren Wesens der Dinge ermögliche.

      Den Begriff des Geistes gibt es nicht nur in Gespenstergeschichten, sondern auch in der christlichen Tradition als Heiligen Geist, der in der Dreiheit des göttlichen (männlichen Prinzips) die Schöpfung aus sich hervorbringt und in sich enthält. Die Auffassung von Gott als dem Prinzip, das alles enthält, alles hervorbringt und in sich zurückholt wird von Hegel ganz als Kind seiner Zeit säkularisiert und in den Bereich der Erkenntniskraft des Menschen geholt, der die in sich vernünftige Welt mit Hilfe seines Verstandes erkennen kann. Dies jedoch als prozesshaftes, historisches Prinzip eines