Laura Feder

Die Kinder Paxias


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in der sie sich bewegten. Ein gigantischer Raum in Paxias Innerem.

      Ihr Herz?

      Cecil, der schweigend neben ihm flog, zeigte keine Euphorie über die wiedererlangte und schmerzlich vermisste Fähigkeit.

      Vielmehr, vermutete Iain, nutzte er sie lediglich, um Abstand zwischen Kaeli und sich zu bringen. Auch wenn das Mädchen mit der Erholung des Schlafes zu ihrem munteren Selbst zurückgefunden hatte, war sie Cecil an diesem Morgen doch mit einiger Unsicherheit begegnet, die ihm deutlich zu schaffen machte.

      Noch immer sah Iain ihm den Schock über seinen ungestümen Ausbruch und den leidenschaftlichen Überfall an, leider aber auch die Ablehnung, tiefer in sich zu blicken und nach den Ursachen für sein Handeln zu suchen. Gerne würde er mit dem Freund reden und ihn ein wenig aus seiner Verdrängung zerren, doch dafür gab es in ihrer momentanen Situation weder Zeit noch Raum.

      Ein ernstes Gespräch würde warten müssen.

      Was das Kämpfen betraf, fiel ihnen ihr Weg unendlich leichter. Es war kein Vergleich zu ihren vergangenen Auseinandersetzungen.

      Vor allem Saya und Robin fanden spürbare Entlastung.

      Zwar hatte Arn seine Macht nie zuvor als Waffe verwendet, lernte er mit wenigen Ratschlägen von der Elfe doch schnell, diese in vergleichbarer Art zu nutzen wie Kyle, als dieser die Selbstentzündung der Angreifer verursacht hatte, kurz bevor sie den Pol der Stille betreten hatten. Er musste sich dieses Geschehen lediglich vor sein inneres Auge führen, und es wurde zur zerstörerischen Realität.

      Ihn allerdings kostete der Einsatz des Feuers keine Kraft, es gehörte ihm.

      Kaeli brauchte die Nähe des Meeres, um ihre Macht im Kampfgeschehen einsetzen zu können, da sie es beherrschte, aber nicht erzeugte. Sie blieb also ihren Wurfattacken treu und hielt sich an Robins Seite, die dank Arn nur noch ihren Bogen zum Einsatz bringen musste.

      Viel Anspannung war aus der Gruppe verschwunden, nun, da ihre bisher gefürchtetste Bedrohung, die Gegnermassen aus den Schlammblasen, keine Gefahr mehr bedeuteten. Arn sorgte für ihre Vernichtung lange bevor es zu einem Riss kam.

      Leider brachte die Macht des Windes Cecil keinen weiteren Gewinn neben seiner Flugfertigkeit. Noch kannte er sie zu wenig, um mit ihr einen wirksamen Umgang zu finden. Er würde noch vieles an Wissen nachholen müssen. So lange verließ er sich weiterhin auf sein Schwert.

      Auch Iain blieb bei seiner Klinge. Sie war effizienter als das langwierige Erzeugen eines Unwetters, um dessen Blitze lenkend nutzen zu können. Sicher waren auch sie in der Lage, ihre Angreifer auszuschalten, aber unter den anderen unangenehmen Symptomen eines Gewitters hätten sie alle ebenfalls zu leiden.

      Iain hielt es für wenig sinnvoll, ein solches heraufzubeschwören. Stattdessen sorgte er dafür, dass ihr Rückweg vernünftige Wetterverhältnisse erhielt und bewahrte sie vor weiteren Widrigkeiten.

      Während der wenigen Kampfbegegnungen, in denen der Einsatz von Schwertern notwendig war, verstärkte er weiterhin Saya an der Front – am Boden. Cecil übernahm die Feinde, die aus der Luft kamen oder von dort aus gut zu erreichen waren.

      Mit dieser Taktik erreichten sie gerade die triste Graswüste, als mit einem grollenden Rumoren der Boden zu beben begann.

      „Ein Erdbeben?“ Saya ging in die Hocke, stützte sich mit einer Hand am Boden ab, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Staub bildete sich um sie herum.

      Forschend, ob einer der Invasoren der Verursacher war, blickte sie wachsam um sich. Die anderen taten es ihr gleich.

      Iain und Cecil sahen mehr. Entsetzen breitete sich auf ihren Mienen aus.

      „Nein!“, rief Iain panisch und setzte mit Cecil zum Sturzflug an. „Eine Lawine!“

      Doch sie konnten nichts ausrichten.

      In einer gewaltigen Staubwolke polterten Felsen und Erdbrocken über das Gebirge auf die wehrlosen Gefährten herab, begruben sie in Massen aus Steinen und klumpigem Humus.

      Der krachende Lärm war ohrenbetäubend, verschluckte das angstvolle Rufen Iains und Cecils und die entsetzten Hilferufe der Verschütteten.

      Innerhalb der Wolke aus aufgewirbeltem Sand konnten die beiden Männer die Hand vor Augen nicht sehen, vergeblich tasteten sie nach den Gefährten, die irgendwo unter ihnen begraben lagen.

      Der feine Staub heftete sich überall an sie, drang in jede Körperöffnung. Ihre Augen brannten und ihre Lungen schmerzten vor den schädigenden Fremdkörpern. Es wurde unerträglich, sie mussten aus dem Umfeld des Erdrutsches fliehen.

      Sie flogen hoch, aus dem Gefahrenbereich in die klare Luft des Himmels. Iain nutzte einen warmen Regenguss, um die Luft der Unglücksstelle schneller zu reinigen.

      Sobald sie Sicht einigermaßen wiederhergestellt war, hielt sie nichts mehr.

      „Saya!“

      „Kaeli!“

      „Robin!“

      „Arn!“

      Rufend arbeiteten sie sich über das chaotische Trümmerfeld, in dem kein Grashalm zwischen den dunklen Erdmassen mehr zu finden war. Alles, was sie sahen, waren Steine, Sand und Felsen, deren Größe ihre Sorge steigerte.

      Entschlossen machten sie sich an die Arbeit der Ausgrabung, hoffend, dass ihre Gefährten bei Bewusstsein und nicht unheilbar verletzt waren.

      Knirschend bewegte sich ein Felsbrocken zu Iains Linken.

      „Hier!“, kommandierte er Cecil, der sofort an seine Seite eilte. Gemeinsam schoben sie Schicht für Schicht der staubigen Erde beiseite und zerrten den ersten Gefährten aus seinem Grab.

      Hustend landete Arn auf dem Rücken, sog keuchend die gereinigte Luft in seine verklebte Lunge.

      „Bist du verletzt?“, fragte Cecil, untersuchte ihn aber schon grob, bevor dieser Gelegenheit zu antworten fand.

      „Es scheint nichts gebrochen.“

      Arn setzte sich mühsam auf, testete Arme und Beine.

      „Ich hatte Glück. Die ganze Erde, die auf mir landete, bewahrte mich vor den aufschlagenden Steinen.“

      „Gut, dass du keinen Sauerstoff zum Überleben brauchst.“ Iain zwinkerte ihm kurz zu. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Umgebung.

      „Wir müssen die anderen finden. Suchen wir weiter.“

      „Helft mir!“, hörten sie Kaelis Stimme dumpf und rau vor Anstrengung. Als sie sich hastig umblickten, entdeckten sie ihre winkende Hand inmitten einiger Steinschichten.

      „Geduld, Kleines! Wir kommen!“ Iain und Cecil flogen los. Arn kämpfte sich über das unebene Gelände. Zu dritt entfernten sie die schweren Felsen, die Kaeli wie einen Kokon umgaben; Schutz und Gefängnis zugleich.

      Schmutzig und wie Arn aus zahlreichen Schürfwunden blutend, kam sie endlich zum Vorschein. Ihr erleichtertes und strahlendes Lächeln erübrigte die Frage nach ernstem Schaden. Sie sah von Arn zu Cecil zu Iain und an sich selbst herunter.

      „Es gibt Momente“, meinte sie schließlich mit mutwillig schillernden Augen, „da würde ich lieber fliegen als tauchen können.“

      Die Männer lachten belustigt auf. Arn kratzte eine klumpige Erdschicht von seinem Arm.

      „Ich weiß nicht“, entgegnete er im selben Tonfall. „Für mich gibt es Momente, in denen ich mir wünschte, beides zu können.“

      „Recht hat er.“ Iain grinste. Doch Cecil hob lauschend den Kopf.

      „Still“, mahnte er. „Hört ihr das?“

      Es war eine Stimme. Sie sprach leise oder war weit entfernt. Es klang nicht nach einem Hilferuf. Eher fürsorglich und beruhigend.

      „Saya?“ Iain erkannte sie als Erster. Suchend bewegte er den Kopf, versuchte die Richtung, aus der sie kam, zu ergründen. Noch einmal rief er nach ihr.