Laura Feder

Die Kinder Paxias


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Überfall angetan hatte. Und tiefes Bedauern.

      „Kaeli“, murmelte er betroffen, die Hand nach ihr ausstreckend. Sie wich instinktiv zurück, und er senkte sie mit schmerzlich verzogenen Zügen.

      „Ich wollte dich nicht erschrecken – viel weniger dir wehtun. Bitte verzeih mir.“

      Kaeli war zu verstört, zu erschrocken, um eine Erwiderung herauszubringen. Stumm blickte sie den hilflos verlegenen Mann vor sich an.

      Saya half ihr.

      Sie schob Cecil mit einiger Verachtung zur Seite und nahm Kaelis Hand.

      Fügsam folgte das Mädchen ihr zum Lager und setzte sich dankbar auf eine der weichen Decken am Boden. Saya blieb neben ihr, isolierte sie zwischen sich und dem Feuer, dass kein anderer ihr nahe kommen konnte. Sie bot ihr eine überraschende, aber dringend notwendige Zuflucht.

      „Besser?“, fragte sie fast sanft, und Kaeli las zu ihrem Erstaunen Mitgefühl in der Miene der Gelehrten.

      „Nein, noch nicht“, antwortete sie ehrlich. „Aber ich bin sicher, das ändert sich bald.“

      Saya betrachtete sie forschend. Sie lehnte sich zurück, ihre Beine mit den Armen umschlingend.

      „Nun, ewige Kaeli“, begann sie schmunzelnd und nahm dem Vorwurf in ihrer Stimme die Schärfe. „Natürlich weißt du, dass deine Handlungsweise purer Wahnsinn gewesen ist.“

      Kaeli zuckte mit entschuldigendem Lächeln die Schultern.

      „Ich kann es nicht anders begründen, als dass ich meinem Gefühl gefolgt bin und auf die Richtigkeit meiner Entscheidung vertraut habe.“

      „So, dein Instinkt war es also.“ Saya dehnte ihre Worte übertrieben, dass Kaeli aufmerksam wurde und sie genauer betrachte. Da war ein seltenes Funkeln in den Augen der Gelehrten, welches sie nicht sofort benennen konnte.

      „Du hast großen Mut und Risikobereitschaft bewiesen. Wie könnten wir das nicht anerkennen? Und du hast dich der Macht des Meeres würdig erwiesen. Du hast allen Grund, stolz auf dich zu sein.“

      Es war Respekt, den Saya ihr entgegenbrachte. Die ungewohnte und unerwartete Geste wiederbelebte Kaelis Fröhlichkeit. Ein hintergründiges Lächeln zuckte in ihren Mundwinkeln.

      „Nicht zu vergessen ist die Entdeckung meiner Unsterblichkeit. Auch ich bin eine Auserwählte Paxias, und ich weiß es endlich.“

      „Was das betrifft, hättest du nur zu fragen brauchen“, erklang Robins Stimme, die gerade den Wald verlassen hatte und neben Saya zum Stehen kam. Sie hatte Kaelis Worte vernommen.

      Auch die anderen sammelten sich am Lager, um die zurückgekehrte Elfe zu begrüßen. Saya wehrte diese Gesten mit ihrer scharfen Nachfrage ab.

      „Wie meinst du das? Soll das heißen, du kanntest Kaelis Status?“

      „Natürlich“, erklärte Robin gelassen. „Wir Elfen sehen diese Eigenschaft. Ich dachte, ihr wusstet das.

      Wie sonst, frage ich euch, hätte Gareth denn Bescheid wissen sollen, als er euch aufforderte, den Weg eurer Bestimmung zu finden?“

      Arns und Sayas Blicke fanden sich.

      „Tja“, kommentierte Arn trocken. „Da waren wir wohl nicht nur mit Blindheit geschlagen, sondern auch außergewöhnlich begriffsstutzig.“

      Die Erschöpfung hatte Kaeli und Cecil schließlich übermannt.

      Getrennt durch die gesamte Breite des Lagers schliefen sie fest.

      Robin war nicht ganz so müde wie hungrig. Sie fiel über den abendlichen Eintopf her, als hätte sie tagelang nichts gegessen.

      Wahrscheinlich war dem auch so.

      Die anderen drei leisteten ihr Gesellschaft – sogar Saya nahm etwas Nahrung zu sich.

      Robins Blick schweifte immer wieder über die erfolgreichen Absolventen der Prüfungen. Es schien, als erkunde sie deren neue, mächtigere Aura. Ihr größtes Interesse galt dabei den Schlafenden.

      „Die beiden haben mich wirklich beeindruckt“, sagte sie leise, um sie nicht zu stören. Fragend wandten Saya, Iain und Arn sich ihr zu.

      „Cecil war sehr viel schneller, als ich erwartet hatte“, erklärte sie. „Ich hatte mit einem mehrwöchigen Aufenthalt gerechnet, bis er den Wind unterwerfen könnte.

      Bei Kaeli war ich mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt schon bereit dafür gewesen war.

      Ich kann nicht sehen, was die Dunkelelfen in euren Geistern erkennen. Diese Begabung besitze ich nicht. Aber da sie Kaeli nicht abgeraten hatten, die Prüfung anzutreten, waren sie von ihrem Gelingen überzeugt.“

      „Ich wünschte, wir hätten das Unausgesprochene früher begriffen. Es wäre uns viel Sorge erspart geblieben.“ Arn seufzte ob dieses Versäumnisses. Als Gelehrter, der es gewohnt war, sich auf seinen Verstand zu verlassen, waren die Erkenntnisse des Tages gleichbedeutend mit einer schweren Niederlage. An Sayas grimmiger Miene erkannte man, dass es ihr genauso erging.

      „Es ist sinnlos, euch im Nachhinein zu grämen“, mischte Iain sich ein. Er verstand die Reaktion der beiden nur bedingt.

      „Auf uns ist so viel hereingestürzt in so kurzer Zeit: Naturkatastrophen, eine neue Welt, permanente Kampfbegegnungen, feindliche Invasoren, Prüfungen …

      Wir leben in einem Zerrbild des ursprünglichen Paxias und können zusehen, wie weiterhin alles zerstört wird, was Paxia einst, auf das vollkommene Gleichgewicht bedacht, erschaffen hat.

      Wie könnt ihr euch im Angesicht dieser Realität vorwerfen, einige wenige subtile Hinweise auf elfische Gaben und Kaelis Unsterblichkeit nicht wahrgenommen zu haben?“

      „Eine Erklärung ist keine Entschuldigung, Diplomat.“ In Sayas Tonfall war eine Warnung, das Thema nicht weiter zu verfolgen. Arn und sie mussten das allein mit sich selbst verarbeiten.

      Iain schüttelte unzufrieden den Kopf, gab aber ihrer Forderung nach. Es gab auch noch eine andere Sache, die ihn beschäftigte.

      Er richtete seinen Fokus auf Robin.

      „Was ist mit dir, Robin? Hattest du Erfolg? Konntest du Kontakt zu Paxia aufnehmen?“

      „Nein“, erwiderte sie bedauernd. „Und auch nicht zu anderen Wäldern dieses Gebietes. Die Dunkelwelt ist kein gesprächiger Ort.“

      „Wer weiß?“ Iain zuckte die Schultern. „Vielleicht fürchtet Paxia ja, dass ihre Kommunikation überwacht wird und will verhindern, den Invasoren zu viele Informationen über uns und unsere Fähigkeiten zu liefern.“

      „Sie könnte ebenso gut zu geschwächt sein, um Robins Rufen zu hören“, ergänzte Saya Iains Mutmaßung um eine negative Perspektive. Unwillig sah sie ihn an.

      „Es führt zu nichts, Spekulationen über Paxias Schweigen anzustellen. Es sind nur vage Eventualitäten. Wir wissen zu wenig über sie, ihre Geheimnisse und diese Welt.“

      „Aber die Dunkelelfen nicht“, unterbrach Robin die beginnende Auseinandersetzung. „Es wäre möglich, dass sie mittlerweile Kontakt zu Paxia hatten.

      Und selbst wenn nicht, besitzen sie sicher genug Kenntnisse, um uns weiterzuhelfen. Sie haben es uns ja bereits angeboten.

      Wir sollten so schnell es geht zu ihnen und dem Pol der Stille zurückkehren.“

      Dem Vorschlag folgte kein Widerspruch.

      Kapitel 5

      Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl, wieder fliegen zu können.

      Iain genoss die Leichtigkeit, mit der sein Körper durch die Luft glitt, und das atemberaubende Panorama, das sich ihm aus dieser Perspektive eröffnete.

      Nach unten hin die intensiven Farben der blühenden Hügelgegend, die sie nach Verlassen