Laura Feder

Die Kinder Paxias


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dass Robin mit ihrer Verkündung fertig war. In den Jahren seiner Isolation – der Gefangenschaft – hatte er viel Zeit gehabt, die Schwingungen des Feuers zu ergründen und für sich zu entdecken, in sich aufzunehmen.

      Es war noch mehr ein Flüstern denn ein Ruf, aber das Flehende, Lockende darin war deutlich spürbar und von unwiderstehlicher Anziehungskraft. Lange hatte er dieses Gefühl der Einigkeit mit dem Feuer missen müssen, nun war ihm auch bewusst, wie sehr es ihm gefehlt hatte, wie unvollständig er ohne diese Verbindung gewesen war.

      Alles in ihm trachtete danach, sie wiederherzustellen und zu intensivieren.

      Und dank seiner hilfreichen Anleitung erschien diese Erkenntnis nun endlich auch in Iains und Cecils aufblitzenden Augen. Ihre Haltung straffte sich.

      „Gehen wir“, entschied Iain.

      Dicht gefolgt von Cecil und Arn schritt er voran.

      Kaeli verharrte unsicher bei Saya, die Robin fragend fixierte. Robin erwiderte den Blick offen. Alle Ironie war verschwunden, sie wirkte fast entspannt.

      „Sie haben den Ruf ihrer Reiche vernommen. Nun müssen wir uns von ihnen führen lassen.“

      Nachdenklich sah Saya auf die schwindenden Gestalten der Männer, deren zielstrebiger Gang verriet, wie sicher sie ihren Weg fanden.

      „Also gut“, gab sie Robins Vorschlag nach, doch ihre Miene schärfte sich misstrauisch. „Allerdings bin ich sicher, dass auch du nur zu genau weißt, wohin es geht.“

      „Ebenso wie ihr, wenn ihr euch um das Erkennen der Schwingungen eurer Reiche bemüht hättet“, entgegnete Robin ungerührt. Dann erschien ein humorvolles Funkeln in ihren Augen. Sie grinste verschwörerisch.

      „Lassen wir den Männern ihren Moment der Besinnung. Es ist eine gute Vorbereitung auf ihre Prüfung. – Und gibt ihnen mehr Selbstsicherheit.“

      „Davon haben sie ja noch nicht genug“, kommentierte Saya murmelnd. Robin und Kaeli lachten belustigt.

      „Dann sollten wir jetzt gehen“, bemerkte Kaeli den Spaß genießend und wies auf die Baumgruppe, die die Männer soeben ihrer Sicht entzog. „Wenn wir unabhängig von ihrer Führung eintreffen, wäre Robins sorgfältig beabsichtigte Wirkung doch dahin.“

      „Wenn ich mir das recht überlege, wäre das vielleicht sogar besser – nun, da ihr mich durchschaut habt.“ Robin hob in übertriebener Abwehr die Hände. „Immerhin habe ich keine Lust, für überdimensionierte, männliche Egos in Zukunft zur Rechenschaft gezogen zu werden.“

      Kaeli kicherte.

      Saya schüttelte angewidert den Kopf.

      „Dagegen gibt es andere Mittel und Wege.“

      Mit dieser kryptischen Bemerkung marschierte sie los. Sie beschleunigten ihre Schritte, so dass sie die Männer hinter einem kurzen Waldstück einholten.

      Sie hielten sich in der Nähe der Grenze, deren Oberfläche wieder steiler wurde, glatter, mehr Wand denn Gebirge.

      Die Atmosphäre war hier regelrecht geladen von intensiven Schwingungen. Auch die der anderen Reiche waren spürbar. Für alle Gefährten. Sie bewegten sich auf geweihtem Gebiet.

      Es war ehrfurchtgebietend.

      Unwillkürlich verlangsamten sie ihre Bewegungen in plötzlichem Begreifen.

      Da, wo sie den unbändigen Drang verspürten, sich voller Demut und Respekt zu verneigen – angetrieben von der gesammelten Macht ihrer Reiche – sollten sie sich gebietend erheben.

      Entsetzen und Unsicherheit zeichneten sich in den Zügen der Männer, Verständnis in den Mienen der Frauen. Sie ließen ihnen Zeit und Raum, den sie zur Sammlung ihres Willens brauchten.

      Ihr Weg schließlich endete vor einem überraschend veränderten Abschnitt der begrenzenden Steinwand.

      Zahlreiche Eingänge auf mehreren Ebenen wiesen auf ein umfangreiches Höhlensystem, welches nicht mehr der Dunkelwelt zugehörig schien.

      Es würde den Betretenden in die unbekannten Tiefen Paxias innerer Regionen führen. Wohin genau, war nicht zu erkennen. Die Gefährten sahen nichts als Schwärze in den runden Einbuchtungen, deren wirre Anordnung keinem Muster zu folgen schien.

      „Damit sollte die Frage, wo genau die Prüfung stattfindet, beantwortet sein“, urteilte Iain, der wie die anderen voller Faszination auf dieses Naturwunder starrte. Paxias Erfindungsreichtum bei ihrer Kreation verdiente ihre Bewunderung.

      Bei Saya siegte die Neugier. Sie war zu ungeduldig, ihren Wissensdurst im Zaum zu halten.

      „Ich denke nicht, dass Willkür ein Auswahlkriterium ist. Sicher gibt es für jedes Reich nur einen bestimmten Eingang?“

      Sie erhielt keine Reaktion.

      Saya riss ihren Blick von der Wand los und richtete ihn forschend auf die Gefährten.

      Kaeli, Cecil und Iain waren noch immer im Bann des Ortes und dem, was dahinter lag. Ihre Augen irrten suchend über die verschiedenen Wegabschnitte.

      Arn wirkte nicht weniger gefangen. Er aber hatte seinen Blick fest auf einen einzigen Punkt irgendwo im Zentrum des Einganglabyrinths gerichtet.

      Saya vermutete, dass keiner von ihnen ihre Worte vernommen hatte.

      Robin dagegen erwiderte ihren Blick. Ihre Grübchen zuckten, und Saya konnte den Ausdruck ihrer Augen nur als wissend bezeichnen. Das Interesse der Elfe gehörte eindeutig den Probanden statt dem Schauplatz. Das konnte nur eines bedeuten.

      „Du siehst mehr als wir, richtig? Mehr als eine löchrige Wand und die intensive Aura vereinter Mächte“, unterstellte Saya ihr. Sie spannte ihre Gestalt, eine drohende Warnung, da sie Ehrlichkeit erwartete. Und Informationen.

      Das beeindruckte Robin nicht. Doch zumindest Ersteres lieferte sie ihr bereitwillig.

      „Ja, aber es ist kein Wissen, das mir weiterzugeben erlaubt ist. Euren Weg zu finden, ist Teil der Prüfung. Dies muss aus eigener Kraft und Antrieb erfolgen, sonst akzeptieren euch eure Reiche nicht und euer Betreten wäre wertlos.

      Ich muss schweigen.“

      Ihr Tonfall war entschuldigend.

      Doch ihrer Erklärung hatten alle gelauscht. Arn und Kaeli hatten sich dabei ihr zugewandt. Iains Augen waren währenddessen zur Ruhe gekommen und nach einem letzten Blick riss auch er sich von dem bezwingenden Ort los. Mit einem ernsten Lächeln sah er Robin an.

      „Sorge dich nicht, Elfe. Der Ruf der Reiche ist stark und laut. Sie fordern unser Kommen. Ich kann spüren, wie die Aura des Himmels mich umschließt. Sie zieht an mir – und der Sog wird stärker.“

      „Er hat Recht“, ergänzte Arn. Seine Augen, ebenso wie Iains, richteten sich wieder auf den lockenden Punkt an der Wand. Jeder fixierte eine andere Stelle. „Ich sehe ein glimmendes Leuchten in der Dunkelheit, es flackert im Rhythmus meines Pulses.

      Ich kenne meinen Pfad.“ Ohne weiteren Abschied brach Arn auf.

      Atemlos beobachteten die anderen, wie er mit sicheren Schritten der Wand zustrebte. Er kletterte über Felsvorsprünge auf die zweite Ebene der Eingänge.

      Die Finsternis der Höhle verschluckte ihn mit seinem Betreten.

      Iain verspürte weder Sorge noch Angst, nur das überwältigende Bedürfnis in das Zentrum des leuchtenden Blaus zu gelangen, welches ihn aus der Grotte fern zu seiner Rechten willkommen hieß. Er wollte nicht länger warten, nicht länger dem drängenden Flüstern seines Geistes widerstehen, das ihn zur Annahme seiner vorbestimmten Macht aufforderte.

      „Ich komme“, murmelte er als Antwort auf die zahlreichen wispernden Stimmen in seinem Kopf. Auch er verließ die Gefährten ohne Abschied und verschwand in Dunkelheit.

      Cecil hatte sich nicht gerührt.

      Wie viel er von dem Geschehen um ihn herum wahrgenommen hatte, wussten sie nicht. Aber vor wenigen Momenten – bei Arns und Iains