Laura Feder

Die Kinder Paxias


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      „Dem stimme ich zu.“ Arn unterstützte sie bereitwillig. Er hatte sich im Wald noch hilfloser gefühlt, sein Schwert noch unsicherer geführt.

      Sie beschleunigten ihre Schritte und betraten ein karges Tal. Steppengras überwucherte den sandigen Boden und ließ die Umgebung für die Dunkelwelt ungewohnt blass wirken. Außer den von den Dunkelelfen versprochenen Höhlen in dem hellen Gebirge war nichts anderes zu sehen als Berge und Graswüste. Ein ödes Gebiet, ungeeignet, um sich vor Feinden zu verbergen oder – positiv ausgedrückt – diese zu übersehen.

      Es verwunderte die Gefährten wenig, die erste Schlammblase aus dem Boden quellen zu sehen.

      „Tempo!“, war Sayas einzige Anweisung, mit der sie sich in Bewegung setzten, darauf hoffend, dem Schicksal dieser Kämpfe entgehen zu können.

      Was auch funktionierte, solange keine anderen Kreaturen sie aufhielten.

      Für die Durchquerung des Tales änderten sie ihre Formation. Während Iain mit Cecil die Front übernahm, hielt Saya den Gefährten den Rücken frei. Arn blieb bei Kaeli und Robin in der Mitte.

      Dies erwies sich als gute Entscheidung, da die Elfe mit ihren Beschwörungen nun verstärkt zum Einsatz kam. Wie erwartet bot die Umgebung viel Fläche. Ganze Armeen von Angreifern rückten an.

      Robin tat ihr Bestes, um mit der Macht der Elemente zu verhindern, dass ihre Lage außer Kontrolle geriet und sie überwältigt würden.

      Nach wie vor bevorzugte sie den Einsatz des Windes, aber in einer mächtigeren Ausprägung, die sie mehr Kraft kostete.

      Ihre erzeugten Windhosen vernichteten alles, was sie berührten, entfernten die Kreaturenansammlungen, denen die Schwerter der Gefährten in ihrer Überzahl nicht gewachsen waren.

      Mit dieser Taktik gelang es ihnen, dem gefährlichen Reißen der Blasen zu entgehen.

      Dann wurde es kälter.

      Erst waren es nur stürmische Böen, die ihre Gestalten eisig umwehten. Dann begann der Himmel sich zuzuziehen. Schwarzgraue Wolken schoben sich vor die Sonne, bildeten eine dichte, düstere Decke.

      Die Gefährten behielten dieses Geschehen mit einiger Sorge im Auge, waren aber in ihre Kämpfe zu involviert, um sich darauf konzentrieren zu können. Sie blendeten es aus, da keine unmittelbare Bedrohung ersichtlich war.

      Ohne Sonne sanken die Temperaturen rapide weiter, näherten sich dem Gefrierpunkt, was von ihnen aber nicht registriert wurde.

      Sie alle reagierten verblüfft, als dicke Schneeflocken auf ihre von der Schlacht erhitzte Haut trafen und schmelzend über ihre Glieder perlten.

      Nur Sayas vergleichbare Körpertemperatur war unempfindlich gegenüber den Eiskristallen. Sie sah den Schnee, statt ihn zu fühlen, war allerdings nicht weniger irritiert.

      Eigentlich herrschte Sommer auf Paxia.

      „Was …?“ Die lehmigen Kreaturen, die ihnen den Weg versperrten, bewegten sich zunehmend langsamer. Sie begannen in der Kälte zu erstarren.

      „Sie gefrieren“, bemerkte Iain erstaunt und hielt inne, beobachtete, wie sich der Eisfilm auf der erdigen Oberfläche der feindlichen Gestalten ausbreitete.

      Kaeli war pragmatischer und nutzte die Gelegenheit, mit ihren Wurfattacken das Feld freizuräumen. Neue Gegner erschienen nicht.

      „Soll das eine Art Hilfsaktion werden?“, fragte Cecil und musterte Robin skeptisch. Diese hob abwehrend die Hände.

      „So weit reicht meine Macht nicht. Das war ich nicht.“

      Saya blickte in den trüben Himmel, aus dem der Schnee zunehmend dichter fiel. Wind pfiff eisig um sie herum. Noch immer kühlte es weiter ab. Sie selbst störte es nicht – eher im Gegenteil. Auch Kaeli wirkte nicht, als fühle sie sich unwohl, obwohl sich Reif auf ihrer Haut bildete und sich Schnee in ihren Haaren und Wimpern verfangen hatte.

      Ganz anders verhielt es sich bei den anderen. Ohne die permanenten Bewegungen im Kampf kühlten ihre Körper schnell aus. Sie standen mit blau verfärbten Lidern, Lippen und Händen. Arn zitterte, seine Zähne schlugen klappernd aufeinander, und seine Miene war schmerzverzerrt. Hilflos erwiderte er ihren Blick.

      „Ich denke, da tauscht jemand direkte Angriffe gegen extreme Wetterbedingungen aus“, meinte Saya schließlich, wütend über den Einfallsreichtum ihrer Feinde und deren Fähigkeit, ihre Schwächen erkannt zu haben.

      „Wir sollen wohl zum Einhalten gebracht werden.“

      „Und das mit Erfolg, wie mir scheint“, ergänzte Iain und wies mit ausgestreckter Hand auf den Horizont, wo eine neblig graue Masse ihre Sicht trübte. Sorge spiegelte sich in seinen verhangenen Augen. „Ein Blizzard.“

      „Wir können nicht weiter“, entschied auch Cecil.

      Fünf fragende Augenpaare waren abwartend auf Saya gerichtet, auf ihr Urteil vertrauend.

      Sie war vernünftig genug, keine bleibenden Schäden an der Gesundheit ihrer Gefährten zu riskieren. Sie waren alle zu wertvoll für Paxias Überleben. Sie brauchten eine Zuflucht, bis der immer heftiger tobende Sturm vorüber war.

      Saya suchte die Umgebung des Gebirges ab und fand, was nötig war. „Rückzug. Kommt.“

      Es fiel ihnen schwer, sich dem stürmischen Wind entgegenzustemmen, um die schmale Gasse in dem felsigen Gelände zu erreichen, in deren Schutz Saya eine Höhle erhoffte.

      Iain bemerkte Kaelis Not. Ihre grazile Statur kam kaum gegen das heftige Schneetreiben an. Er packte ihre Hand und zog sie mit sich, ihr mit seinem eigenen Körper Deckung bietend.

      Den anderen gelang es aus eigener Kraft vorwärtszukommen.

      Mit zusammengekniffenen Augen, um diese vor den eisigen Wehen zu schützen, tasteten sie sich langsam Richtung der von Saya vorgegebenen Bergspalte.

      Die Gelehrte blieb hinten, trieb sie mit lauten Befehlen unerbittlich vor sich her.

      Keuchend erreichten sie schließlich die enge Gasse.

      Und atmeten erleichtert auf.

      Sayas Hoffnung erfüllte sich. Am Ende des windgeschützten Pfades klaffte die runde Öffnung einer Höhle – ihr Lager für die Zeit des Sturmes.

      Sie war nicht eben geräumig, gerade so, dass sie alle Platz fanden, aber sie war frei von Schnee. Und es war, dank ihrer Position, unwahrscheinlich, dass sich dieser Zustand zu ihren Ungunsten ändern würde.

      Saya zeigte sich zufrieden.

      „Ich glaube, hier sind wir sicher. Solange der Blizzard tobt, werden wohl auch keine Angreifer erscheinen. Dennoch halte ich es für besser, eine Wache einzurichten. Da Kaeli und mir die Temperaturen nichts ausmachen, werden wir diese übernehmen.

      Es ist wichtig, dass wir alle bei Kräften bleiben. Vor allem aber die Prüflinge.

      Und nun sollten wir unser Nachtlager errichten.“

      Weder Iain noch Cecil waren glücklich über ihre Entscheidung, doch sie konnten sich gegenüber der Vernunft Sayas Worte nicht verschließen und widersprachen nicht.

      Saya blieb am Höhleneingang. Sie würde die erste Wache übernehmen und das Schneetreiben in der Ferne beobachten. Für sie war dies ihre erste Erfahrung mit dem gefrorenen Element, und sie war angemessen fasziniert. Die Wache war eine gute Gelegenheit, ihrem Interesse nachzugeben.

      Kaeli setzte sich ihr gegenüber auf die andere Seite der Öffnung. Es war nicht genug Platz, einen anderen Ort für ihr Lager zu wählen, da sie keinen anderen dem einströmenden eisigen Zug aussetzen wollte.

      Iain und Cecil ließen sich neben ihr nieder. Sie blieben dicht beieinander und wickelten sich sofort in ihre Decken, um vor der Kälte bestmöglich geschützt zu bleiben.

      Es war früher Abend, die Dämmerung gerade hereingebrochen, an Schlaf war noch nicht zu denken. Also begannen sie, in ihrem Gepäck nach den Vorräten zu suchen, die die Dunkelelfen