Bea W Meyer

Im Baerenland


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      Mein Ex-Boss ist auch mal Opfer so einer marodierenden Waschbaerbande geworden. Liebevoll hatte er gerade einen kleinen Goldfischteich in seinem Garten angelegt. Womit er nicht gerechnet hatte war, dass die Plastikfolie des Teichbodens den nadel-scharfen Klauen von Waschbaeren ueberhaupt nichts entgegenzusetzen hatte.

      In kuerzester Zeit war das Plastikmaterial perforiert, das Wasser abgelassen und die Fische trockengelegt – ein koestliches Mahl fuer hungrige Waschbaeren! Die Fische weg, das Wasser im Teich wie bei einer Badewanne abgelassen – mein Boss war ziemlich sauer.

      Jetzt, wo mein Mann und ich am Rande der Wildnis leben, haben wir es selbst mit Waschbaeren zu tun und das nur, weil unser Haus auf ihrem Weg liegt. Oder anders ausgedrueckt: wir haben selbst schuld, dass wir im Wege sind.

      Normalerweise sind Waschbaeren nacht-aktiv, aber Evolution und Erfahrung haben sie gelehrt, dass sie von uns Menschen nicht viel zu befuerchten haben ausser vielleicht hier und da eine kleine Verfolgungsjagd von komischen Typen im gestreiften Pyjama, und die entscheiden sie meistens auch noch zu ihren Gunsten. Wenn’s denn zu schlimm wird, landen sie allerhoechstens mal in einer Lebendfalle, und das bedeutet dann eben Ausweisung aus der angestammten Nachbarschaft.

      Hochsaison haben Waschbaeren regel-maessig im Fruehjahr.

      Dann ist Paarungszeit, und wir sehen sie haeufig beim Fangenspielen die Baeume herauf und herunterwuseln oder wie sie die Widerstandsfaehigkeit unseres Muell-tonnenschlosses testen.

      Waschbaeren sind furchtlose kleine Kerle, die ihrem Gegenueber direkt in die Augen blicken, um dessen Absichten zu erforschen. Trotz ihres etwas plump wirkenden Koerpers, der ein bisschen an einen Rucksack mit einem geringelten Schwanz am Ende erinnert, sind sie sehr geschickt und koennen sogar an ziemlich glatten Oberflaechen emporklettern. Sie koennen sich so klein zusammenfalten, dass sie durch schmalste Oeffnungen passen.

      Sie koennen Daecher abdecken und Loecher in Isolierungen und Rohrsysteme nagen. Kurz gesagt sie sind eine laestige Bande und das ganz besonders dann, wenn sie sich entschlossen haben, das Atelier meines Mannes zur Kinderstube umzufunktionieren.

      Es ist ja nicht so, dass mein Mann nicht an tierische Gesellschaft in seinem Studio gewoehnt waere. Da ist zum Beispiel das Hoernchen, das offensichtlich eine Schwaeche fuer moderne Kunst hat und im Dachstuhl des Studios ueberwintert.

      Fuer schlechte Tage hat es betraechtliche Vorraete an Nuessen, Zapfen und Samen unter dem Holzstoss im angrenzenden Schuppen gelagert. Der Dachstuhl ist sein Wohnzimmer. Wir hoeren das am leichten Tap-Tap-Tap ueber uns.

      Mehr als einmal hat das Hoernchen mir auch schon soeben geerntete Zapfen von hoch oben aus den Tannen auf den Kopf geworfen, wenn ich gerade darunter im Garten arbeitete. Ich nehme mal an, das war keine Absicht.

      Waehrend der kalten Wintermonate schafft es ebendieses schlaue Hoernchen auch immer wieder, das Vogelfutter zu stehlen ganz egal, an welch glattem Draht und wie hoch das Vogelhaus auch haengen mag. Natuerlich finden wir es amuesant, solchen Zirkusakten vom warmen Wohnzimmer aus zuzusehen.

      Einen Waschbaeren als Untermieter zu haben, das ist allerdings schon ein anderes Kaliber insbesondere dann, wenn der Waschbaer im Begriffe ist Nachwuchs zu bekommen. Anfangs hatten wir nur bemerkt, dass das leichte Tap-Tap-Tap von oben in etwas deutlichere Gerauesche wie von etwas Schwererem uebergegangen war.

      Als naechstes bemerkten wir rosafarbene Isolierwatte, die im Garten herumflog. Aber da dachten wir noch nicht, dass es etwa unsere Isolierwatte sein koennte, weil der Nachbar nebenan schliesslich gerade an seinem Haus arbeitete. Jeden Morgen flog wieder neue Watte herum.

      Bis mein Mann den wahren Schuldigen irgendwann auf frischer Tat ertappte: ein dicker Waschbaer hatte einen kleinen Hohlraum zwischen Studiowand und Dachstuhl entdeckt. Waehrend der Nacht zupfte er staendig neue Mengen Isoliermaterial heraus, um dann mittels nadelspitzer Zaehne und Klauen an der Erweiterung des Hohlraums weiter-zuarbeiten. Das war so gut wie eine Kriegserklaerung, aber da kannte er meinen Mann schlecht!

      In den folgenden Tagen unterzog der naemlich jeden Winkel und jede Ecke des Studios einer minutioesen Inspektion. Bretter wurden passgenau zugeschnitten und jedes noch so kleine Mauseloch mittels Hammerschlag und unzaehligen Naegeln versiegelt. Am Ende war mein Mann sehr zufrieden mit sich und seiner Arbeit. Nicht mal eine Fliege wuerde jetzt noch hindurchpassen - dachte sich zumindest mein Mann…

      Foto: Geegee

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      4.

      Die Genugtuung war aber nur von kurzer Dauer. Ein paar Tage spaeter waren naemlich die Geraeusche von oben wieder da. Mama Waschbaer war zurueck in der kuenftigen Kinderstube. Wie sie das geschafft hatte, war uns ein Raetsel.

      Wieder folgte die akribische Untersuchung der Atelierwaende. Diesmal hatte die Alte sich durch einen Huehnerdraht hindurch gebissen, den mein Mann ueber eine winzige Belueftungsoeffnung genagelt hatte. Nachdem sie den Huehnerdraht geschafft hatte, musste sie solange an der Holzwand geknabbert haben, bis sie endlich durch das Loch passte.

      Mein Mann konterte das mit einer dicken Holzplanke, die er darueber nagelte. Die Waschbaerin trumpfte ihrerseits mit einer weiteren Nachtschicht auf – wiederum gefolgt vom Tagwerk meines Mannes.

      Was immer er am Tag an Hindernissen anbrachte, nahm sie in Nachtarbeit wieder auseinander.

      Mein Mann stellte sich den Wecker, um sie auf frischer Tat zu erwischen. Den Wecker musste die Waschbaerin aber wohl auch gehoert haben, denn wir erblickten sie nie. Wohl aber hoerten wir weiter raschelnde Geraeusche von oben.

      Wir mussten uns dringend etwas einfallen lassen.

      In der Hoffnung, dass die Erschuetterungen unseren unliebsamen Gast vertreiben wuerden, klopften wir mit einem Besenstiel so lange gegen die Decke, bis wir Schwielen an den Haenden hatten. Die Waschbaerin blieb trotzdem unbeeindruckt.

      Wir probierten die Steigerungsstufe: ueber zwei Riesenlautsprecher beschallten wir das Studio Tag und Nacht mit Heavy Metal Gedroehne. Wir waren uns sicher, dass das auch den hartnaeckigsten Gast vertreiben musste. Leider alles ohne Erfolg. Nur wir blieben weitgehend schlaflos. Ich hatte schon immer eine Aversion gegen Heavy Metal.

      Dann kam der Tag, wo wir besiegt waren. Mama Waschbaer hatte Fakten geschaffen und unbemerkt von uns ihren Wurf geboren. Deutlich konnten wir die Geraeusche aus der Kinderstube, die sich so ein bisschen wie Babygeschrei anhoerten, vernehmen.

      Ich bin sicher, die kluge Mutter wusste sehr genau, dass wir es nicht uebers Herz bringen wuerden, die junge Familie zu vertreiben. Wir sind ja schliesslich keine Unmenschen! Stattdessen einigten wir uns auf eine zeit-weise Duldung sozusagen mit monatlicher Kuendigungsfrist. Wir wussten ja, dass die Familie irgendwann zu ihrem ersten Erkundungsgang aufbrechen wuerde, und dann waere unsere Stunde gekommen: wir wuerden den Studiozwischenboden in eine uneinnehmbare Festung verwandeln.

      Leider kann ein Monat eine ziemlich lange Zeit sein besonders dann, wenn sommerliche Temperaturen tierische Ausduenstungen intensivieren und die Gerueche durch die Decke staendig an die pelzigen Mieter von oben erinnern. Bis die Familie endlich zu ihrem ersten Rundgang aufbrach, waren wir von dem Faekalgeruch einer Ohnmacht nahe.

      Aber fuers Naseruempfen war ja gar keine Zeit. Wir mussten schnell sein. Mit bereits vorbereiteten duennen Zinkplatten, die mein Mann in akribischer Kleinarbeit gezahnt hatte, versiegelten wir saemtliche Schlupfloecher.

      Das Studio wirkt mit den spitzen Metall-stacheln, die aus seinen Waenden ragen, jetzt zwar etwas seltsam, aber wir sind unsere ungewollten Mieter endlich los. Wohlgemerkt wir sind sie nicht wirklich los, denn sie haben sich jetzt beim Nachbarn unter dessen Holzdeck einquartiert. Das ist nicht ganz so gemuetlich wie der Studio-zwischenboden, aber es ist auf jeden Fall trocken.

      Ich glaube, der Nachbar arbeitet noch an der Ausarbeitung der Mietvertragsbedingungen.

      Foto: Geegee