auf die Flotte zu setzen, abgelehnt hatte, war seine Laune ohnehin nicht die beste.
„Wir können ihn nicht einmal aushungern. Die Schiffe dort drüben werden ihn ständig mit dem notwendigsten versorgen“, stimmte Philotas zu.
Wir konnten sehr gut in den Hafen hineinsehen. Dort drängten sich hunderte von gewaltigen Trieren. Doch auch in der Ferne, außerhalb des Hafens, im offenen Meer, waren noch genug Punkte zu sehen, die den Ausgang einer Seeschlacht sehr ungewiss gemacht hätten. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Memnon diese Flotte nach Athen schickte.
„In ein paar Tagen haben wir das Belagerungsgerät in Stellung gebracht und dann werden wir sehen, was die Mauern aushalten!“ brummte Perdikkas.
„Wir werden viel Geduld haben müssen“, sagte Permenion.
Dies hätte er besser nicht gesagt. Seine bedächtige Art, seine Vorsicht brachten Alexander noch jedes Mal in Rage.
„Wir greifen morgen an!“ sagte er entschlossen und Hephaistion nickte eifrig. Manchmal wünschte ich mir, er würde einen Einfluss mäßigender einsetzen. Aber er war immer nur das Echo, das Alexander in seiner Meinung bestätigte. Obwohl ich Hephaistion viel verdanke, begann meine Zuneigung zu ihm zu schwinden. Alexander hätte einen ehrlicheren und integeren Freund verdient gehabt.
Ich verzog mich an diesem Abend früh in mein Zelt und tafelte nicht mit Alexander und den Verwandten. Es hatte sich eingebürgert, da Alexander den Schlaf hasste, bis tief in die Nacht hinein zusammen zu sitzen und oft unmäßig zu trinken. Dabei ging man die Ereignisse des Tages durch und es wurde gelacht, geulkt und mancher Schabernack getrieben. Dagegen war nichts zu sagen. Aber es machte sich die barbarische Gewohnheit breit, den Wein unverdünnt zu trinken. Am nächsten Tag hatten alle einen schweren Kopf. Aber wir waren jung, und am Anfang des Kriegszuges machte uns die schwere Trinkerei noch nicht so viel aus.
Ich entschuldigte mich mit einem leichten Unwohlsein und unter dem gutmütigen Spott der Gefährten verzog ich mich beizeiten. Phokis lobte mich dafür.
„Alexander sollte froh darüber sein. Mir wäre es jedenfalls lieber, wenn ich morgen beim Kampf einen ausgeschlafenen Leibgardisten neben mir wüsste.“
„Du weißt, dass er sich um sein Leben nicht viel sorgt. Er vertraut auf die Götter. Dass ich heute Abend früher gegangen bin, hat er sicher bemerkt.“
Und so war es auch. Am nächsten Morgen, die Sterne waren noch am Himmel, sah er mich besorgt an, als er aus dem Zelt kam.
„Du bist krank, Leonnatos?“
„Nein, mein König.“
„Aber so hat man mir berichtet.“
„Ich habe nur nicht eine so stabile Gesundheit wie du. Ich wusste doch, dass es heute früh losgehen würde.“
„Ach, das war es!“ sagte Alexander und lächelte so warmherzig wie nur er es konnte. „Aber heute Abend bist du doch wieder dabei.“
„Ja. Wenn du nicht wieder einen Angriff im Morgengrauen befiehlst.“
Er lachte und schlug mir kurz auf die Schulter.
Die Generäle kamen und er gab ihnen die nötigen Anweisungen. Schon bald erhoben sich die Makedonen aus den Gräben um die Festung, und wir stürmten schweigend auf die Mauern zu. Die Hypaspisten hatten lange Bohlen und Leitern dabei, mit denen wir schnell den Festungsgraben und die Mauern überwinden konnten. Ehe die Soldaten in der Stadt den Schlaf abgeschüttelt hatten, waren wir bereits an den Mauern und legten die Leitern an und kletterten sie hoch. Ich war dicht hinter Alexander und hinter mir waren Peukestas und Ptolemaios. Alexander war einer der ersten auf den Mauern von Halikarnassos und wir dachten schon, dass die Stadt in unserer Hand ist. Aber das war sie noch lange nicht.
Die griechischen Söldner drangen von allen Seiten auf uns ein, und da wir ein kleines Häuflein waren und immer mehr Hopliten auf uns einschlugen, wurde es richtig ungemütlich. Mit meinem Hinkebein bin ich etwas unbeweglich und konnte den König nicht so gut schützen wie auf einem Pferderücken. Selbst Ptolemaios, Attalos und Hephaistion bekamen Schwierigkeiten. Ich rief Hephaistion zu, dass wir uns zurückziehen sollten und dieser nickte zustimmend. Alexander, obwohl er wie Ares, der Kriegsgott, unter den Verteidigern wütete, akzeptierte dies schließlich. Ich tastete mich auf dem Wehrgang, dabei fechtend, zu der Stelle zurück, wo ich die Leiter wusste. Aber ich kam ins Stolpern und verlor das Gleichgewicht und stürzte vom Wehrgang in die Stadt hinunter. Sofort war ich von einigen Söldnern umringt. Es war sinnlos weiterzukämpfen. Ich warf das Schwert weg.
Ich war Gefangener der Perser, obwohl ich erst einmal nur Griechen entdeckte. Sie stießen mich rüde in eine Straße hinein und stellten mir wiederholt ein Bein und schlugen mich. Sie brachten mich zur Zitadelle und übergaben mich einem Haufen Perser. Es waren große bärtige Männer mit kühnen, edlen Gesichtszügen. Sie behandelten mich besser als die Griechen. Nach einem Blick auf meine Armreifen und Ketten, die mich als Gefährten und Leibgardisten des Königs auswiesen, verbeugte sich einer ihrer Offiziere vor mir und sagte in bestem Griechisch:
„Bist du Leonnatos?“
„Ja. Ich bin Leonnatos.“
„Wir haben von dir gehört. Der hinkende Bote des Apollon“, sagte er ernst.
Er machte auf mich einen sehr sympathischen Eindruck. Er hatte schwarze Augen und einen ebenholzfarbenen Bart und trug das lange Gewand und den topfartigen Helm der Unsterblichen. In der Hand hielt er den Apfelspeer. Die goldenen Armspangen verrieten, dass ich einen wichtigen Mann vor mir hatte.
„Ja. Apollon ist mit mir“, bestätigte ich.
„Aber er hat nicht verhindert, dass wir dich gefangen genommen haben.“
„Es wird nichts Gutes daraus entstehen, wenn ihr mich tötet.“
„Wer spricht von Töten?“ erwiderte der Perser. „Du bist viel zu wertvoll, als dass wir dich umbringen.“
Aber so wertvoll war ich den Persern wohl doch nicht. Man warf mich in ein Verlies. Ein Ort, an dem man alle Hoffnung fahren lässt. Das Stroh war faulig und es stank bestialisch. Erfreulicherweise war ich in dieser Katakombe nicht allein. Noch zehn andere Gefangene waren in dem Verlies, überwiegend einfache Soldaten. Ich war als Leibgardist Alexanders der Ranghöchste.
Als sie die blauen Streifen an meinem Rock sahen, ließen sie ihrem Unmut freien Lauf und schimpften auf die Offiziere, die Alexander einen solchen verrückten Angriff nicht ausgeredet hatten. Nein, nicht auf Alexander schimpften sie, sondern auf seine Berater und Gefährten. So war es immer. Wenn etwas schief lief, dann war nicht er, sondern waren seine Generäle oder Gefährten daran schuld.
„Wenn er doch nur auf Parmenion hören würde!“ klagte ein bärtiger Veteran. Er hatte wohl nicht übel Lust mir das anzutun, was draußen schon die griechischen Söldner geübt hatten. Aber so weit ging er dann doch nicht. Schließlich waren wir alle Gefangene der Perser.
„Aber die jungen Spunde mit ihrem Achilleusfimmel verhindern dies“, fuhr er grimmig fort. „Bei Philipp hatten Alter und Erfahrung noch ihren Stellenwert. Aber Alexander hat nur Knaben um sich und so ist es kein Wunder, dass man angreift, ohne dass die Stadt sturmreif geschossen ist. Aufgrund welcher Leistungen gehörst du zu den Gefährten des Königs? Du, mit deinem verkrüppelten Bein. Was hast du Großes vollbracht, dass du die silbernen Spangen des Leibgardisten tragen darfst?“
Ich hätte einiges anführen können, aber ich wusste, dass es ihm nicht genügen würde und so hielt ich den Mund. Ich war anfangs fast froh, als die Perser erschienen. Ich wurde in eine Kammer geführt, die auch nicht besonders wohnlich aussah, und ein Hauptmann, ein griechischer Söldner mit einem brutalen Gesicht, begann mich mit einigen Kollegen zu verhören.
Ich sagte ihnen meinen Namen und meinen Rang, aber ich schwieg zu den Fragen hinsichtlich unserer Truppenstärke. Nun begannen mich die Griechen gehörig zu verprügeln. Ich musste eine Menge einstecken, und dass es Griechen waren, die mir das antaten, machte es auch nicht besser. Als ich zu mir kam, lag ich wieder in dem stinkenden Verlies. Sie hatten mich so lange