Bettina Lorenz

Yasirahs Erbe - Geheimnisse der Schatten


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«Kann gar nicht sein...»

       «Es wurden seit Jahren keine mehr gesichtet...»

       «Du musst dich geirrt haben...»

       Jetzt wurde Cyrus ungeduldig:

       «Ich weiß genau, was ich gesehen habe und wenn ihr mir nicht glauben wollt, dann fragt doch einfach Celina!»

       Auf einmal richtete sich die ganze Aufmerksamkeit auf sie. Keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte. Sie verstand nicht, was da draußen passiert war und sah ihn deshalb nur resignierend an.

       Nachdem ihr kein einziges Wort über die Lippen kam, forderte er sie auf:

       «Erzähl ihnen, was du gespürt hast.»

       Erst jetzt wusste sie, worauf er hinaus wollte. Bei der ganzen Sache hatte sie die ganze Zeit etwas gestört, aber egal wie sehr sie sich auch das Hirn zermartert hatte, wollte ihr einfach nicht einfallen, was es war.

       Aber mit einem Mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und sie versuchte, ihre Eindrücke in Worte zu fassen.

       «Als ich den Schrei gehört habe und nichts erkennen konnte, hab ich mein Umfeld abgetastet, aber da waren nur Cyrus und das schwächer werdende Licht von Ruby. Ich habe niemand anderes gespürt. Tim ist sogar durch mein Raster gefallen als er direkt vor uns stand. Wenn ich ihn nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte ich nie geglaubt, dass außer uns noch Jemand da draußen ist. Erst als er zusammengebrochen ist, konnte ich sein Licht wieder wahrnehmen. Es war einfach nur merkwürdig!»

       Sie hoffte, dass es das war, was Cyrus hören wollte und er schien tatsächlich zufrieden zu sein. Samuel, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, trat hervor und sah Cyrus durchdringend an.

       «Habt ihr es geschafft ihn zu töten?»

       Seine Stimme war leise und klang wenig hoffnungsvoll.

       Cyrus sah zu Boden und schüttelte stumm den Kopf.

      Wieder einmal wurde der Raum von der Stille beherrscht, bis Celina es nicht mehr aushielt und es aus ihr herausplatzte:

       «Kann mir mal bitte einer erklären, was hier los ist und was zur Hölle ist eigentlich ein Threq?»

       Aaron räusperte sich und kniete sich vor sie.

       «Was zur Hölle trifft es ziemlich genau. Ein Threq ist ein Dämon. Weil er körperlos ist, braucht er einen Wirt. Vorzugsweise nistet er sich in Menschen ein. Normalerweise hat er keine Chance, es sei denn er erwischt jemanden in einem schwachen Moment. Dazu muss derjenige aufgebracht sein und düstere Gedanken haben. Der Threq wird davon angezogen und wenn er erst einmal einen Wirt gefunden hat, legt er sich wie eine schwarze Masse um die Seele seines Opfers und bemächtigt sich dessen Körpers. Er tötet dann alles, was ihm in den Weg kommt, um sich von dem Grauen des Wirtes zu nähren, der zwar genau sieht, was er tut, sich aber nicht dagegen wehren kann. Wenn wir jemanden orten, dann sehen wir das Leuchten seiner Seele und bei Tim konntest du es nicht wahrnehmen, weil sie verhüllt war. Er war nur eine Marionette des Threqs.» Celina verstand sofort.

       Noch mehr Höllenviecher, die mein Leben zerstören wollen. Klingt ja prima!

      Aaron hatte natürlich gehört, was sie dachte und als ob ihre Laune nicht schon genug in den Keller gesunken war, setzte Aaron noch einen obendrauf. Auch wenn man ihm zu Gute halten musste, dass er sich genau überlegte, wie er es ihr am Schonendsten beibringen sollte.

       «Als ob das allein nicht schlimm genug wäre, haben wir jetzt noch ein weitaus größeres Problem. Wir dachten eigentlich, dass wir alle Threqs vernichtet hätten. Sie wollten damals in Ammons Gunst steigen und wurden seine Späher. Nahmen Menschen in Besitz, nur um uns auszukundschaften und rannten dann zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles. Als wir es erkannten, haben wir sie alle getötet. Zumindest haben wir das bis heute geglaubt.»

       Celina ahnte Schreckliches, aber sie versuchte ihm und sich selbst gut zuzureden:

       «Vielleicht hat er ja gar nicht erkannt, was ich bin. Er hatte einfach nur seinen Job erledigt und wollte gehen. Es ist sicher nicht so schlimm.»

       Aaron sah sich hilfesuchend um und auf einmal stand David neben ihr. Seine Stimme war ruhig und sachlich.

       «Du solltest dir nicht allzu große Hoffnungen machen. Wenn er nicht erkannt hätte, was ihr seid, dann wär er nicht geflohen. Du hast doch gehört, dass sie immer weiter töten. Sie legen sich nur nicht mit uns an, weil sie dafür zu schwach sind. Wenn er allerdings direkt zu Ammon gerannt ist, können wir froh sein, wenn wir überhaupt vierundzwanzig Stunden haben, um die Stadt zu verlassen. Die Entscheidung, wann wir gehen, wurde uns soeben abgenommen.»

       Bei diesen Worten legte er ihr die Hand auf die Schulter und verließ dann mit den Worten Ich geh dann mal packen den Raum. Celina sah Aaron verzweifelt an und als sie in sein Gesicht sah, wusste sie, dass David die Wahrheit gesprochen hatte. Er umarmte Celina und sie erkannte, dass sie ihre Abreise nur deshalb so lange heraus gezögert hatte, weil sie es nicht geschafft hatte, sich von ihrem früheren Leben zu verabschieden. Doch jetzt würde ihr wohl nichts anderes mehr übrig bleiben.

      Ihnen blieb nur noch die Flucht!

      Scheideweg

      Als Celina eine Stunde später, mit Aaron an ihrer Seite, das Haus der Laurents verließ, hatte es erneut angefangen zu schneien. Außerdem pfiff der Wind unangenehm durch die Nacht. Ein Sturm kündigte sich an. Celina wurde dieses dumpfe Gefühl nicht los, dass er sie von ihrer Heimat und allem, was ihr bisher als wichtig und gut erschienen war, losreißen wollte. Das Einzige, das ihr die Gewissheit gab, nicht allein und vollkommen verloren zu sein, war Aarons Hand, die ihre fest umschloss. Wäre er nicht gewesen, würde sie den nun kommenden, unausweichlichen Schritt nicht wagen und hätte somit mit Sicherheit auf kurze Frist ihr Todesurteil unterschrieben. Aber er war hier und gab ihr den Mut den sie brauchte, um sich von allem, was sie mit Fort Kain verband zu lösen, damit sie vielleicht in Zukunft zurückkehren und sich sicher fühlen könnte. Und doch: den Schmerz der Trennung konnte auch Aaron ihr nicht abnehmen. Er konnte ihn nur lindern.

       «Celina, wir sind jetzt da», sagte er leise, als sie bereits zehn Minuten vor ihrem Haus parkten, ohne dass sie auch nur die geringsten Anstalten machte, auszusteigen. Aaron sah, dass ihre sonst so strahlende Aura grau war und unendliche Trauer ausstrahlte, als sie zögerlich die Beifahrertür öffnete.

       «Soll ich mit rein kommen?»

       Celina dachte einen kurzen Augenblick über sein Angebot nach. Der Gedanke, ihn an ihrer Seite zu haben, war sehr verlockend, doch dann schoss ihr das Wort Feigling durch den Kopf und sie lehnte ab: «Ich muss das alleine machen. Vielleicht wartest du lieber hier und ich sag dir Bescheid, wenn ich soweit bin?» Aaron nickte und sah ihr sorgenvoll nach, bis sich die Haustür hinter ihr geschlossen hatte.

      Im Haus angekommen, ging sie ein letztes Mal durch die Räume, in denen sie aufgewachsen und einst so glücklich gewesen war. Viele schöne Erinnerungen voll von unbeschwerten Tagen, kamen in ihr hoch und sie musste sie mit aller Macht verdrängen, um durchzuhalten. Was einmal ihre Zuflucht gewesen war, würde ihr jetzt keine Sicherheit mehr bieten können und sie konnte es sich im Moment nicht leisten, noch länger zu verweilen. Die Zeit saß ihnen im Nacken. Celina atmete noch einmal tief durch, bevor sie die Treppe hochging. Jeder Schritt fiel ihr schwer und als sie fast vor Annes Zimmer angekommen war, hatte sie das Gefühl, dass ihre Beine ihr den Dienst versagen wollten. Bevor das passieren konnte, betrat sie ohne Klopfen oder Zögern Annes Zimmer und erstarrte. Obwohl die Jalousien heruntergelassen waren und es im Raum stockfinster war, konnte sie genau erkennen, dass Anne nicht hier war. Panik stieg in ihr auf. Noch bevor sie sich ausmalen konnte, was ihrer besten Freundin alles Schreckliches passiert sein könnte, hörte sie eine krächzende Stimme aus der Richtung ihres Zimmers:

       «Ich bin hier.»

       Sie folgte dem Ruf, öffnete die nur angelehnte Tür und hielt die Luft an.

       Anne saß auf ihrem Bett. Celina konnte deutlich erkennen, dass sie geweint hatte. Zuerst dachte sie, dass es wegen Ruby sein musste,