einen.« – »Und du bittest den Fremden frei und läßt den Bruder sterben?« – »Und lasse den Bruder sterben!« stöhnte Paulus und hielt die Hand gegen die nächste Säule. – »Ist's dein echter Bruder, von Vater und Mutter?« – »Mein echter, lieber, lieber Bruder.«
Nun trat Herr Karl dicht an ihn heran und sah ihm scharf in die Augen: »Warum tust du das? Sprich,« – er faßte ihn bei den Schultern. »Sag' die Wahrheit. Warum rettest du – mit dem Blut des Bruders! – diesen Herzog?« – Paulus zitterte und bebte: »Weil ich es versprochen habe.« – »Wem? Diesem eidbrüchigen Herzog?« – »Nein!« – »Wem, sage, wem?« – »Ach, seinem Weibe!« ächzte Paulus und preßte die Stirn an die Säule.
Der König trat einen Schritt zurück: »Einem Weibe!« wiederholte er langsam, vor sich hinnickend. – »So, so! Dieser Herzogin!« Nun trat er wieder näher: »Und wo, wo ist Frau Adalperga? In Benevent?« – »Nein, im Himmel!« schluchzte der Mönch und sank kopfüber, mit flutenden Tränen, in einen Faltestuhl vor der Säule.
»Hm –, armer Mönch!« sprach Karl zu sich selbst; dann laut: »Gestorben? Wann? Wie? Ich weiß nichts davon.« – »Der Bote, der es melden sollte, suchte Euch in Aachen: ich erhielt die Nachricht dort gleichzeitig mit der von der hier drohenden Verurteilung: ich übernahm es, sie Euch hierher zu bringen.« – »Wie starb sie?« – »Nachdem sie ihr erstes Kind geboren.« – »Nun,« meinte Karl, »ich sehe, es geht dir nah. Aber, nachdem sie nicht mehr auf Erden weilt – deines Bruders Leben ...?« Da sprang Paulus auf: »Soll ich der Toten das Wort brechen, das ich der Lebenden gegeben? Herr König Karl, so denkt Ihr nicht!« – »Was, was hast du ihr versprochen?« – »Sie ahnte Gefahr – ahnte alles, was kam: – ich versprach alles, was ich bei Euch etwa vermöchte, einzusetzen, um jeden Preis ihren Gatten zu retten. Hört Ihr? Um jeden Preis! Ich halte Wort.« – »Ja, wahrlich. Frau Adalperga hatte einen treuen Freund an dir.« – »Sie hat ihn noch – im Himmel wie auf Erden – bis ans Ende.«
Der König faßte seine Hand: »Du bist wacker, Warnefrids Sohn. Vieles an dir versteh' ich erst jetzt.« –
»Mein armer Bruder – darf ich ihn sprechen? Ich muß ihm 's sagen, daß ich ihn retten konnte und nicht gerettet habe. Er wird sprechen: ›Paule, du hast recht getan‹.« – »Komm, wir wollen zusammen zu ihm gehn. Denn ich schenke dir sein Leben – zu dem des Herzogs hinzu.« – »Mein großer König.« – »Still! – Aber Ruhe muß ich haben vor diesen beiden Arichis: der Eid versagte: vielleicht bindet sie die Ehre, die Ehrenpflicht des Dankes?« – »Die bindet sie, dafür verbürg' ich mich.« – »Gut! Und dann folgst du mir wieder nach Aachen, mein Ovidius, zu Horatius und Belsezeel und all' den andern.« – »Nicht, o mein gnädiger König. Ich gehe zurück in mein Kloster. Ich kann – nach diesen Tagen – die Welt nicht mehr ertragen. Ich lebe und sterbe ... in der Einsamkeit. Ich muß.« – »Hm, ich kann's – jetzt – begreifen! Aber ein Geist wie du – müßig liegen?« – »Nicht doch! Ich sprach Euch früher schon von einem großen Werk, das ich in Gedanken schon lange wälze: am Hofe kam ich – und käme ich – nie dazu.« – »Was – was willst du schreiben?« – »Die Geschichte meines Volkes, der Langobarden, was die Sage davon flüstert, was die Annalen davon verzeichnet haben.« – »Ein schön, ein edel Werk, wert, ein Leben wie das deine auszufüllen! Du tust recht daran. Aber wie wirst du, zwiegespalten zwischen König Desiderius und König Karl, zwischen Benevent und Aachen ...« – »Nein, Herr König. Ich werde weder Euch loben noch jenen tadeln. Ich schließe mit der Glanzzeit meines Volkes: lang vor unserer Gegenwart schließ' ich die Pforte meines Werkes.« – »Gut, gut! Davon halt' ich dich nicht ab: Hab' ich doch meine Freude an den alten Heldenzeiten und ihren Sagen. Nun, komm', laß uns die beiden Gefangenen besuchen: 's ist löblich Werk, sagt der Apostel. Und von uns beiden, mein' ich, heut' erst recht. Dann kehre heim in deines Klosters Frieden.«
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