Gerstäcker Friedrich

Blau Wasser


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schäumenden Wogenkamm entgegenblitzen und mit gewaltiger Faust an die dünnen Planken donnern, lenkt er sein Fahrzeug sicher durch den Sturm, und trotzt den beiden empörten Elementen: Windsbraut und Wellen.

      Sieh, wie diese die Hälse recken, als sie das schaukelnde Schiff zwischen sich erstaunt gewahren - in jauchzender Lust drängen sie sich herbei, eine die andere zur Seite pressend, nur um die erste zu sein, die zu kurzer Lust das neue Spielwerk fassen und werfen mag, eine der andern zu; und wie sie sich gegen den ächzenden Bug schleudern und Halt zu gewinnen suchen in erfolglosem und immer wachsenden Grimme. Bis an Bord schnellen sie sich und waschen das Deck von vor bis aft; splittern und reißen, was nicht von eisernen Klammern und zähem Tau gehalten wird, und schmettern die harten, schweren Stirnen zornig gegen die Wände an, sich dort Eingang zu bohren - bis sie von anderen fortgeschleudert werden, die auch Hand anlegen wollen und sich stärker fühlen und kräftiger.

      Aber umsonst! Ein tüchtiger Schwimmer, steigt das wackere Schiff wieder und wieder aus seinem nassen Grabe herauf, schüttelt sich die Fluth von dem starken Nacken und schwingt sich leicht und keck auf dem Kamm der nächsten Schwellung, die es hebt und trägt und faßt und umklammert, bis ihr ein stärkerer Kämpe die Beute entreißt, um sie in die eigene wilde Umarmung zu ziehen.

      Alles an Bord ist fest und wohl verwahrt, die Segel liegen an die Masten geschnürt, der heulenden Windsbraut keine Fläche zu geben, an der sie reißen und zerren könne, /124/ und nur das dichtgereefte Vormarssegel, hart an den Wind gebraßt, mit dem Vorstengenstag oder Sturmsegel - um das Schiff zum Steuern in der Gewalt zu halten, daß die Wogen sich nicht seitwärts dagegen werfen und ihm verderblich werden könnten - zeigt, daß noch Leben an Bord und die Mannschaft trotzig dem Wind gerade in den Zähnen liege, sein Austoben ruhig und unerschrocken abzuwarten.

      Und über die empörten Wogen, von dem Sturm in rasender Schnelle geführt, mit langsamem gewaltigen Flügelschlag strich der riesige Albatros, umzog neugierig das Schiff in weiten Kreisen und kreuzte herüber und hinüber im glatten, einer Straße ähnlichen Fahrwasser, das sich der tiefe Kiel gezogen, aufmerksam den mit furchtbarem Schnabel bewehrten Kopf bald nach dieser, bald nach jener Seite drehend, ob nicht irgend ein von Bord des Schiffes geworfener Leckerbissen, wozu besonders Speck und Fleisch gehört, die Monotonie seiner gewöhnlichen Fischkost unterbrechen könne.

      Ein ganzes Volk blau und weißer Cap-Tauben9 trieb sich schon lange hinter dem Heck des Fahrzeuges her, mit raschem Flügelschlag nach jedem übergeworfenen Stück Garn oder Werg niederfahrend, und gegen einander zankend und kreischend, wenn der Koch ihren Heißhunger durch ausgeworfene Leckerbissen rege machte oder einer oder der andere der Seeleute die kleine, mit Speck besteckte und an langer Leine befestigte Angel auswarf, um einen der Vögel heranzulocken. Die Matrosen fangen auf diese Art gern Cap-Tauben und Albatrosse, essen die ersteren und brauchen von beiden die Federn, oder nehmen auch den letzteren die mit großen Schwimmhäuten versehenen Füße, um sich wunderliche Tabaksbeutel daraus zu fertigen.

      Auch andere Möven kreuzten herüber und hinüber, braun und schwarz mit langen scharfgespitzten Schwingen, vom Sturm getragen und geschickt mit dem Schiff gegen ihn lavirend oder langsam über die aufgeregten Wogen streichend, aus deren nach ihnen aufleckende Wellen sie die elastischen Flügelspitzen legten und sich scheinbar mit ihnen hoben, immer /125/ aber mit rascher Wendung die Gefahr vermeidend, erreicht zu werden.

      Tage lang begleiten sie so das Schiff, schlafen auch wohl hier und da Nachts auf seinen Raaen, und folgen ihm am nächsten Tage wieder unermüdet auf seiner Bahn. Dem Seemann aber sind sie willkommene Begleitung auf einsamer Reise; gern sieht er ihren leichten Flug und folgt ihren kreisenden Bahnen mit dem Blicke, und wenn sie in Lee10 vom Schiffe, was sie bei schwerem Wetter am liebsten thun, herüber und hinüber streichen, sagt er, daß sie nachschauen, ob die Schoten und Brassen auch fest sind, um Taue und Raaen zu wahren. In Lee vom großen Boot sitzt er dann auch wohl, sein Priemchen geschäftig im Munde, schaut ihrem Fluge zu und plaudert und erzählt von der und jener Zeit, wo die Möven gerade so kreisten und suchten, und er an der oder jener Küste auf leckem Schiff vielleicht oder mit schwerer Havarie gegen das zornige Element ankämpfte, um sein Leben auf festes Land zu retten - und festes Land doch eben kaum nur betreten hatte, als er sich wieder hinaussehnte auf die weite, wogende, treulose und doch so lieb gewonnene, so lieb gehaltene See.

      Die Leute am Land haben überhaupt gewöhnlich einen ganz falschen Begriff von dem Leben an Bord eines Schiffes in offener See und bei schwerem Wetter. Nicht selten hört man da sagen, wenn es weht und stürmt: „Oh die armen Menschen auf der See - wie weh und ängstlich ihnen jetzt zu Muthe sein muß - wie sie jetzt in ihrer Angst zu Gott beten und den Mast mit ihren Armen umfassen - krampfhaft, um nicht fortgeweht zu werden!" Weit gefehlt! Auf offener See und mit keiner Küste in Lee, von der sie abarbeiten müssen, um nicht auf den Strand gesetzt zu werden, nur mit dem regelmäßigen Seegang gegen sich und mit dem Winde, wenn der auch beide Backen voll genommen, giebt es kaum eine bessere und gemüthlichere Zeit an Bord eines Schiffes /126/ für den Matrosen, als gerade bei solchem Wetter. Sobald die leichten Segel nur erst einmal festgemacht, die anderen nöthigen dicht gereeft, ebenso alle Luken ordentlich dicht sind, und Alles an Bord, was von überkommenden Seen fortgewaschen werden könnte, wohl und sicher befestigt ist, beginnt für den Matrosen, der sonst über Tag keinen Augenblick unbeschäftigt bleibt, die freie Zeit.

      Mit dem breiten „Süd-Wester" auf dem Kopf, in wasserdichten, geölten Jacken und Hosen, sitzen die Leute dann, wer nicht gerade seine Zeit am Steuerruder abzustehen hat, unbelästigt von irgend einem Ruf der Officiere, in Lee vom großen Boot, das ihnen Schutz gegen den Wind giebt, dicht geschaart beisammen, und haben sie nur Tabak zum Kauen, dessen Mangel ihnen allein vielleicht die Laune verderben könnte, so wird erzählt und gelacht, und der Sturm mag indessen wehen nach Herzenslust. Sie können auch nichts dagegen thun, als die Zeit abwarten, in der es einmal zu wehen aufhört; das Schiff liegt indessen dicht am Winde und reitet, wenn nur richtig von dem Steuerruder geführt, schon selber die Wogen.

      So hier an Bord der tüchtigen kleinen amerikanischen Brig Susannah, die mit dem scharfen Bug keck gegen die drohenden, bäumenden Wogen anschnitt. So tief sie auch oft in die krystallenen Massen einschlug - wenn sich ein weiter Abgrund vor ihr öffnete, daß es aussah, als ob der nächste anstürmende Berg sie unter seiner Wucht begraben müsse - hob sie sich doch immer wieder kampfgerüstet zur rechten Zeit und schlug mit dem kecken Frauenbild, dessen Namen sie trug und das ihre Gallion zierte, rasch an gegen den auf sie geführten Wurf. Wenn ihr die klare Fluth dann in Strömen von der Stirn troff und die Woge, die ihren Untergang gesucht, sie selber auf den Nacken heben mußte, schaute sie keck und zuversichtlich hinaus über das rollende Heer um sich her, und fuhr dann wieder nieder, wie zum Sprung, der nächsten zu begegnen.

      „'s ist doch ein wackeres Seeboot," sagte der Eine der Wache, die sich in Lee vom großen Boot zusammengefunden hatte und zwischen ein paar dort wohlbefestigten und Schutz /127/ nach vor und aft gewährenden Wasserfässern den Sturm eben austoben ließ, „und dicht und drall wie keins. Verdammt will ich sein, wenn noch ein anderes Schiff mit uns hier herumreitet, das bei so schwerem Wetter so wenig Wasser macht. - In zehn Minuten Abends pumpen wir sie frei!"

      Es war ein junger Bursche von vielleicht zweiundzwanzig Jahren mit vollem lockigen Haar, das der Süd-Wester kaum decken konnte, und freien offenen Zügen; ein Rhode Island-Mann, wie er denn auch von seinen Kameraden nach dem Staate, dem er angehörte, statt seines eigentlichen Namens James, Rhode Island gerufen wurde.

      „Gott sei Dank!" sagte einer seiner Kameraden, ein alter weiter- und sonnverbrannter „Theer" mit schneeweißem Haar, eben solchen Augenbrauen und knochigen zähen Gliedern - „Gott sei Dank, mein Junge, und nicht „verdammt", denn nur wer erst einmal Tage und Nächte lang in solcher See an den Pumpstöcken gelegen und für sein Leben gearbeitet hat, während sich der Tod da drunten heimlich durch alle Poren des Schiffs sog, der weiß, was es für ein Segen ist, ein dichtes, gutes Schiff unter sich und keine Küste in Lee zu haben. Ich werde an die See hier denken und würde ich tausend Jahre alt; denn hier ist mir das Haar in einer Woche so weiß geworden, wie ich's jetzt noch trage. Ja in einer Wache könnt' ich sagen, und gebe Gott, daß ich ihm nicht wieder begegne die paar Jahre, die ich überhaupt noch zu fahren habe."

      „Wurdet Ihr leck hier am Cap, Mate?" fragte ein Dritter, der bis jetzt auf