Eva Markert

Amelie fährt ans Meer


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      Als sie sich mit einem Becher Kakao gegenübersitzen, rückt sie endlich mit der Sprache heraus. Weil es eh keinen Zweck hat, die Wahrheit zu verschweigen. „Du hast sicher Reisefieber“, sagt sie niedergeschlagen.

      Mama lächelt. „Genau wie du“, erwidert sie.

      Dass Mama darüber lächeln kann! „Also können wir morgen nicht fahren“, setzt Amelie kläglich hinzu.

      Mama stutzt. „Wieso nicht?“, hakt sie nach.

      „Na, wenn wir beide Fieber haben! Da müssen wir doch im Bett bleiben.“

      Nun fängt Mama an zu lachen. „Reisefieber heißt nicht, dass man wirklich Fieber hat und krank ist. Es bedeutet nur, dass man aufgeregt ist und sich freut, weil man verreist.“

      Amelie fällt ein gewaltiger Stein vom Herzen. „Dann sind wir gar nicht krank!“, jubelt sie.

      „Was ist denn hier los?“ Papa steht plötzlich im Türrahmen.

      „Noch jemand, der Reisefieber hat!“, sagt Mama. Sie gibt ihm einen Becher Kakao und erklärt ihm, warum sie gerade gelacht hat.

      Zum Schluss lachen sie alle drei zusammen.

      „Jetzt, wo ich weiß, dass ich nicht krank bin, kann ich bestimmt einschlafen“, meint Amelie. „Am besten natürlich in eurem Bett.“

      Danach dauert es nicht mehr lange, bis die ganze Familie ruhig schläft.

       Auf der Fahrt

      Als die Eltern am nächsten Morgen aufstehen, ist Amelie so müde, dass sie am liebsten weiterschlafen würde. Da fällt ihr ein, dass sie heute nach Holland ans Meer fahren. Mit einem Schlag ist sie hellwach. Am liebsten würde sie sofort ins Auto springen!

      Aber erst muss gefrühstückt werden.

      Mama packt auch etwas zu essen und zu trinken in eine Kühltasche.

      „Wie lang fahren wir?“, erkundigt sich Amelie.

      „Mit Pause gut vier Stunden“, antwortet Papa.

      „Wie lange sind vier Stunden?“, will Amelie wissen.

      Papa überlegt. „Das ist etwas länger als die Zeit, die du morgens im Kindergarten bist“, erklärt er.

      „So lang?“, denkt Amelie. „Das Meer muss wirklich weit weg sein!“

      Irgendwann sind sie endlich abfahrbereit. Die Sonne ist leider nicht zu sehen. Wenigstens regnet es nicht.

      Amelie und Mareike sitzen hinten mit Bernie zwischen ihnen. „Hoffentlich geht das gut mit dem Hund“, sagt Mama besorgt.

      Bernie wird manchmal im Auto schlecht. Deshalb hat er heute Morgen nichts zu fressen bekommen, und Mama hat für alle Fälle eine Rolle Küchenpapier dabei.

      Papa und Mama setzen sich nach vorn. „Auf nach Holland!“, ruft Papa und startet den Wagen.

      Das findet Amelie spannend, dass sie in ein fremdes Land fahren, wo die Leute anders sprechen.

      Während der Fahrt guckt sie aus dem Fenster. Das wird schnell langweilig. Auf der Autobahn sieht man nur Autos und am Straßenrand Bäume und Büsche.

      Nach einer Weile fragt sie: „Wie viele Stunden fahren wir schon?“

      Papa lacht. „Stunden?“, sagt er. „Frag lieber nach Minuten. Wir sind seit ungefähr 30 Minuten unterwegs. Das heißt, eine halbe Stunde.“

      Mareike fängt an zu quengeln. Mama gibt ihr ihren kleinen Lieblingsbären zum Spielen. Danach ist sie ruhig.

      Ab und zu dreht Mama sich um und guckt nach Bernie. Dem scheint es gut zu gehen. Er liegt gemütlich auf dem Sitz und hat die Augen geschlossen.

      Amelie schaut weiter aus dem Fenster. Es hat angefangen zu nieseln. „Hoffentlich regnet es nicht, wenn wir ankommen“, denkt sie.

      Das Auto fährt und fährt: „Mama, mir ist langweilig“, klagt Amelie.

      Papa hält an und Mama gibt ihr einen MP3-Player, sodass sie eine Geschichte über Prinz Erbso und Prinzessin Erbsania hören kann. Das ist ihre und Amos’ Lieblingsserie. Das Hörspiel gefällt Amelie, doch ein zweites Mal will sie es nicht hören. „Sind wir bald da?“, fragt sie.

      „Ich habe eine Idee“, sagt Mama. „Wir machen ein Spiel. Du guckst an der einen Seite aus dem Fenster und ich an der anderen. Dabei zählen wir silberne Autos. Wer zuerst zehn silberne Autos gesehen hat, hat gewonnen.“

      Das Spiel klingt gut.

      Aber es ist wie verhext. Amelie hat das Gefühl, dass alle silbernen Autos auf Mamas Seite fahren, denn die hat immer schnell zehn zusammen.

      „Sollen wir die Seiten tauschen?“, schlägt sie vor.

      Mama ist einverstanden.

      Jetzt fahren alle silbernen Autos plötzlich auf der anderen Seite.

      Amelie kommt es vor, als ob es auf ihrer Seite besonders viele rote Autos gäbe. Sie fragt Mama, ob sie zur Abwechslung rote Autos zählen können.

      „Klar“, sagt Mama.

      Bei den roten Autos hat Amelie mehr Glück. Nun gewinnt sie.

      Ewig kann man dieses Spiel nicht spielen. Sie zählen noch schwarze Autos. Danach hat Amelie keine Lust mehr.

      Mareike hat’s gut. Die ist eingeschlafen. Bernie auch. Amelie ist leider überhaupt nicht müde.

      „Wir sind gleich an der Grenze“, sagt Papa.

      Amelie richtet sich auf. Das möchte sie unbedingt mitbekommen, wie sie in das andere Land hineinfahren.

      „Jetzt sind wir in den Niederlanden!“, ruft Papa kurz darauf aus.

      Amelie ist enttäuscht. Sie hat nichts von der Grenze gemerkt, und im Grunde sieht alles genauso aus wie in Deutschland.

      Bernie wacht auf und stellt sich hin.

      „Halt lieber schnell an!“, sagt Mama zu Papa.

      Bernie fängt an, komische Geräusche zu machen und den Kopf nach vorn zu strecken.

      „Bernie muss brechen!“, schreit Amelie.

      Das Auto hält mit quietschenden Reifen. Mama springt heraus, rennt nach hinten, reißt die Tür auf, löst Bernies Gurt und zerrt ihn heraus.

      Wirklich in allerletzter Sekunde. Kaum steht Bernie neben dem Auto, kommt etwas aus seinem Maul. Amelie guckt nicht genau hin.

      Inzwischen regnet es richtig. Mama wirft ihren Mantel über und nimmt einen Schirm. „Ich gehe eben eine Runde mit Bernie“, sagt sie.

      „Die arme Mama“, denkt Amelie. „Bei dem Regen!“ Zu Papa sagt sie: „Schade, dass schlechtes Wetter ist!“

      „Warte mal ab“, tröstet er sie. „Am Meer ist das Wetter oft besser.“

      Sie fahren weiter. Papa scheint recht zu haben. Der Regen hört auf und der Himmel wird immer heller, bis schließlich die Sonne hervorkommt.

      „Sind wir gleich am Meer?“, will Amelie wissen.

      „Du musst noch ein bisschen Geduld haben“, antwortet Papa.

      Mareike fängt wieder an zu quäken. Amelie versucht, sie abzulenken. Sie macht „Kuckuck“ mit ihr und lässt den kleinen Bären über sie, sich selbst und über die Autositze wandern. Mareike lacht und quietscht.

      „Gut machst du das!“, lobt Mama Amelie.

      Bernie schläft.

      Mareike wird still.

      Amelie fallen die Augen zu.

      Kurz darauf macht sie sie wieder auf. Das Auto fährt nicht mehr.

      „Sind