Katrin Pieper

Luise und Leonie


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verschwand für ganze Tage im Badezimmer.

      Die Fenster waren nicht verkittet, der Rasenmäher nicht repariert, also auch die Wiese in ungemindertem Wachstum.

      Ein durch und durch misslungener Versuch. Danach war es Leonie, die darauf bestanden hatte, dass jetzt jemand anderer einen Haus- und Hofhandwerker für die Saison zu beschaffen hätte.

      Jemand anderer - also sie, also Luise. Wer anderes sonst?

      Leonie begann von Koslowski regelrecht zu schwärmen. Und in Luise entstand allmählich das Bild eines wunderbaren Mannes. Ausgerüstet mit den vielfältigsten Talenten, einsetzbar in Haus und Hof und ein Freund der allerbesten Art.

      "Und warum holst du ihn nicht einfach her und zeigst deinem Freund, was zu tun ist?" hatte Luise arglos gefragt.

      Leonie wurde schweigsam, und es stellte sich ganz allmählich heraus, dass Koslowski umworben sein wollte, und dies nun nicht gerade von der seit Jugendtagen her vertrauten alten Freundin, die Kumpel und Beichtmutter seit Urzeiten war. Koslowski sah es jedenfalls so.

      Für Leonie war dies irgendwann einmal eine bittere Erkenntnis gewesen. Die Hoffnung, von Koslowski geliebt zu werden, schwand für immer.

      Und ihr, der alten Freundin hatte er längst mal zu verstehen gegeben, dass er nicht der Trottel sei, der den Weibern Haus und Garten in Schuss bringen würde.

      Da müsste schon, na da müsste schon sonst was passieren oder sonst wer kommen.

      Koslowski hatte dazu herzlich gelacht.

      Aber er hatte Leonie unterschätzt. Er kannte Luise nicht. Und Leonie wusste, was für Frauen Koslowski schwach machen könnten und auch würden. Ihm begann sie von Luise zu erzählen, und allmählich wurde der Mann in ihm wach.

      Und in Luise die Siegernatur.

      "Warum nicht", hatte sie zu Leonie gesagt, "das wäre nicht der Erste, den ich einspanne. Da wollen wir doch mal sehen, ob und wohin uns dieser Hase läuft."

      Beiden fiel die wundervolle Zeit mit dem Dachdecker ein.

      Ein kleiner bescheidener Mensch mit abstehenden Ohren und sanften Augen, der nicht wusste, wem er sein Herz schenken wollte.

      An Leonie liebte er die kräftige Statur und ihre Apothekerkenntnisse.

      An Luise gefiel ihm ungemein die üppige Weiblichkeit und ihre Töpferkunst, die ihm viele große und kleine Gefäße bescherte, die er als leidenschaftlicher Pflanzenzüchter umsonst bekam.

      Dafür deckte er wortlos und sachkundig ein neues Dach und berechnete seinen "Herzensdamen", wie er es nannte, allenfalls die Materialkosten.

      Luise fand selbst die noch übertrieben, aber Leonie bremste und zahlte.

      Der Abschied von Luise und Leonie fiel ihm nicht schwer.

      Eine Gärtnerin brauchte ihn, und der Pflanzenzüchter eilte, seine abendlichen Überstunden nutzbringend anzuwenden.

      Und nun saß dieser lange dünne Mensch mit Hasenaugen und diesen Händen vor ihr, wollte sie küssen und machte ihr Unruhe.

      "Wir können aber doch trotzdem ein wenig reden", sagte da Koslowski, "wenn ich verspreche, mich Ihnen in keinster Weise zu nähern?"

      Die Bierdose zischte leise, und Koslowski wischte sich den Schaum von der Oberlippe.

      Immerhin, dachte Luise, er wischt sich den Schaum ab, es gibt nichts Dümmeres als Männer mit Bierbärten.

      "Erzählen Sie mir etwas von sich. Wie verfällt man auf die absurde Idee, Schornsteinbauer zu werden?"

      "Ach", Koslowski seufzte enttäuscht, "und ich habe gedacht, wir machen uns einen schönen Nachmittag. Die Schornsteine können wir uns doch noch aufheben. Wissen Sie, was ich jetzt gern hätte?"

      Luise machte Mädchenaugen.

      "Ja?"

      "Natron. Ich habe einfach schreckliches Sodbrennen. Natron wäre jetzt gut."

      Luise flog nahezu in die Küche.

      Es reicht, dachte sie, es reicht. Ich tu so, als wäre hier ein Salonstück im Gange, und er hat Sodbrennen. Er mimt den dummen Jungen, und ich, dumme Pute, habe Herzklopfen.

      Leonie stand in der Tür und sah Luise in den Kästen mit Backpulver und Vanillezucker herumwühlen.

      "Natron ist im Bad", sagte sie ruhig.

      Luise schoss herum.

      "Wenn du das Innenleben dieses Jungen so gut kennst, was spannst du mich vor den Karren?"

      Leonie zuckte die Achseln.

      "Es reicht nicht, sein Innenleben zu kennen. Das mit dem Sodbrennen hängt sicherlich mit den Schornsteinen zusammen."

      Sie klemmte die Daumen hinter den zu engen Hosenbund.

      "Frauen mit Konfektionsgröße achtunddreißig machen ihn schwach und mobil zugleich. Deshalb haben wir ihn doch gewählt, du Dummchen. Und er hat goldene Hände!"

      Sie ging ins Bad und kam mit Natron zurück.

      "Zeig ihm, wie schwer es dir fällt, eine Wiese zu mähen, die viel zu hoch ist, um von einem altersschwachen und desolaten Rasenmäher gemäht zu werden. Da wird der Kerl in ihm wach. Weiber, die alles können, machen Männern Angst. Du bist eine Zarte, mein Kind."

      Luises Wut erlosch wie eine Kerze unter dem tropfenden Wasserhahn, der unablässig zu hören war.

      "Er hat nicht nur goldene Hände", sagte sie, Leonie bedeutsam anblickend.

      Leonie feixte. "Ach, wir Armen."

      Graziös balancierte Luise eine Messerspitze mit Natron in Koslowskis geöffneten Mund und konnte ein tadelloses Gebiss feststellen. Kurz darauf war die wohltuende Wirkung des Natrons zu vernehmen, was den Mann dann doch in eine gewisse Verlegenheit brachte.

      "Ein Fluch ist das", stieß er zwischen mehreren kleiner werden Rülpsern hervor.

      "Immer wenn es drauf ankommt, krieg' ich Sodbrennen."

      "Und worauf kommt es an?" fragte Luise zart.

      "Ich würde Sie gern betören oder auch verführen. Ich will den großen Jungen machen, der Sie schlichtweg entwaffnet. Was wäre sonst der Nachmittag wert? Und um noch ehrlicher zu sein, ich weiß um meine Wirkung und wecke zuweilen sogar mütterliche Gefühle."

      Er blinzelte Luise vergnügt an, und seine Augen wussten flinke Wege zu laufen.

      "Und warum in aller Welt wollen Sie sich so verausgaben?" fragte Luise. "Sie sind ein ausgewachsener Schornsteinbauer, und ich habe selten mütterliche Gefühle, wenn mein Gegenüber nicht mehr dem Jugendstrafrecht unterliegt."

      Koslowski wurde mit einem Mal ernst und rollte die Bierdose zwischen den Händen hin und her.

      Luise kuschelte sich souverän in die weiche Stofffülle und war unglaublich zufrieden mit sich, aber auch nicht unzufrieden mit ihm.

      Koslowski betrachtete angelegentlich den Gartenzwerg.

      "Ist er gefährlich?" fragte er.

      "Sehr. Er verschluckt sogar glühende Zigarettenstummel."

      "Als Leonie mir von Ihnen erzählte - was heißt erzählte - schwärmte und sang, habe ich gedacht: Vorsicht Alter! Eine Falle! Weiberwirtschaft. Sie brauchen einen, der solche Fenster wie das da kittet oder mit dieser unmäßigen Wiese fertig wird. Aber dann kamen Sie und - also: Leonie hat nicht übertrieben. Sie sind ..." Luise sah ihn so harmlos wie möglich, wenn auch sehr direkt an. "Wie bin ich?" Koslowski stand auf und setzte sich neben Luise auf die Bank.

      "Im Kino würde ich versuchen, mich über Sie herzumachen. Ich meine das heutige Kino. Vor zwanzig Jahren oder so hätte ich geflüstert: Julia, du bist zauberhaft, und wir hätten wenig später die Jalousien heruntergelassen."

      "Sie sitzen auf einer original englischen Landlordbank, Sie können getrost die