Edgar Rice Burroughs

Tarzans Rückkehr in den Urwald


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Blick auf sie warf.

      Halt ein! befahl sie. Wie konntest du es wagen, mir so was zu sagen, – deiner Schwester!

      Gut, liebe Olga, wenn er nicht dein Geliebter ist, so will ich mich entschuldigen, aber es ist nicht dein Fehler, wenn er es nicht ist. Hätte er nur ein Zehntel meiner Weiberkenntnis, so lägst du jetzt in seinen Armen. Er ist ein dummer Narr, Olga. Jawohl, all deine Reden und Handlungen waren eine offene Einladung an ihn, und er schien das nicht einmal zu merken.

      Die Gräfin hielt sich die Ohren zu.

      Ich will dich nicht mehr anhören, sagte sie. Es ist unverschämt von dir, mir so etwas zu sagen! Du kannst mir drohen, soviel du willst – du weißt, daß ich eine anständige Frau bin. Von heute an sollst du es nicht mehr wagen, mich zu behelligen, denn ich werde Raoul alles erzählen. Er wird schon wissen, was er zu tun hat, und dann nimm dich in acht!

      Du wirst ihm nichts sagen, erklärte Rokoff. Ich weiß jetzt Bescheid in dieser Sache, und mit Hilfe eines deiner Diener, dem ich vertrauen kann, wird nichts fehlen in dem Bericht für deinen Mann, sobald die Zeit gekommen sein wird, ihm die Sache zu unterbreiten. Die andere Affäre stimmt gut damit überein. Wir haben jetzt etwas Greifbares in Händen, Olga. Eine wirkliche Affäre – und du bist ein treues Weib. Schäme dich, Olga!

      Dabei lachte der brutale Mensch.

      So kam es, daß die Gräfin ihrem Gatten nichts erzählte und daß sich die Sache im Vergleich zu früher noch verschlimmerte. Während die Gräfin früher nur eine unbestimmte Furcht hatte, nahm diese jetzt faßbare Gestalt an. Es mag auch sein, daß ihr Gewissen sie noch mehr als nötig vergrößerte.

      Die verfehlte Verschwörung

      Seit einem Monat verkehrte Tarzan regelmäßig bei der schönen Gräfin de Coude, die er verehrte und die ihn immer gerne kommen sah. Oft fanden sich auch andere Mitglieder der kleinen Gesellschaft ein, die sie nachmittags zum Tee empfing, aber sie suchte es so einzurichten, daß sie mit Tarzan auch eine Stunde allein sein konnte.

      Eine Zeitlang war sie erschrocken über die Andeutungen, die Rokoff gemacht hatte. Bis dahin hatte sie den starken jungen Mann lediglich als einen Freund betrachtet, aber infolge der Anspielungen ihres Bruders grübelte sie nun über die seltsame Anziehungskraft nach, die der grauäugige Fremde auf sie ausübte. Sie hatte aber nicht die Absicht, ihn zu lieben, und sie wünschte auch nicht, daß er sie lieben sollte.

      Sie war viel jünger als ihr Gatte und sehnte sich unbewußt nach der Freundschaft eines Mannes, der ihrem Alter näher stand. Mit zwanzig Jahren ist man zu schüchtern, um mit einem Vierzigjährigen Gedanken auszutauschen.

      Die Gräfin fühlte, daß Tarzan sie verstehen konnte, denn er war nur zwei Jahre älter als sie, und er war ein ehrenhafter, ritterlicher Mensch. Sie fürchtete sich nicht vor ihm. Daß sie ihm trauen durfte, hatte sie von Anfang an instinktiv gefühlt.

      Rokoff hatte diese wachsende Vertraulichkeit aus der Ferne mit boshafter Freude beobachtet. Seitdem er erfahren hatte, daß Tarzan wußte, daß er ein russischer Spion sei, hatte sich zu seinem Haß gegen den Affenmenschen eine große Furcht gesellt, von ihm bloßgestellt zu werden. Er wartete jetzt nur noch auf eine günstige Gelegenheit zu einem großen Schlag. Er wollte sich für immer von Tarzan befreien und sich gleichzeitig für die durch ihn erlittenen Demütigungen und die Durchkreuzung seiner Pläne rächen.

      Tarzan war jetzt noch zufriedener als vor der Zeit, da er durch die Ankunft der Porter-Gesellschaft in seiner friedlichen Dschungel gestört worden war.

      Er freute sich über den gesellschaftlichen Umgang mit Olgas Bekannten, während seine Freundschaft mit ihr eine Quelle endlosen Glückes für ihn war. Sie verscheuchte seine trüben Gedanken und war ein Balsam für sein gequältes Herz.

      Manchmal begleitete d'Arnot ihn bei seinen Besuchen im Hause de Coudes, denn er kannte Olga und den Grafen schon seit langem. Gelegentlich erschien auch der Graf in der Gesellschaft, aber die mannigfachen Geschäfte seiner amtlichen Stellung und die nie endenden Fragen der Politik hielten ihn gewöhnlich bis spät in die Nacht von seinem Hause fern.

      Rokoff spionierte Tarzan fast beständig aus. Namentlich suchte er festzustellen, ob der Affenmensch nicht auch nachts in de Coudes Palast ging, aber das gelang ihm nie. Allerdings kam es vor, daß Tarzan die Gräfin von der Oper nach Hause begleitete; aber er verließ sie stets am Eingang, und das ärgerte ihren lieben Bruder sehr.

      Da es unmöglich erschien, Tarzan so zu ertappen, wie sie es wünschten, steckten Rokoff und Pawlowitsch die Köpfe zusammen, um einen neuen Plan auszusinnen. Dieser sollte Tarzan in eine solche Lage bringen, daß er unbedingt bloßgestellt würde.

      Tagelang verfolgten sie aufmerksam die Zeitungen und beobachteten alle Gänge de Coudes und Tarzans. Schließlich fanden sie eine passende Gelegenheit, ihren Plan auszuführen. In einem Morgenblatt stand eine kurze Notiz über einen Herrenabend, der am folgenden Tage beim deutschen Botschafter stattfinden sollte. Unter den eingeladenen Gästen war auch de Coude erwähnt. Wenn er der Einladung folgte, so war er jedenfalls bis nach Mitternacht von seinem Heim abwesend. Am Abend des Festessens wartete Pawlowitsch auf dem Bürgersteig vor dem deutschen Botschaftsgebäude, um das Gesicht jedes ankommenden Gastes zu prüfen. Er brauchte nicht lange zu warten, bis de Coude aus seinem Wagen stieg und an ihm vorbeischritt. Das genügte ihm. Pawlowitsch eilte nach Hause, wo Rokoff ihn erwartete.

      Am elf Uhr nahm Pawlowitsch den Hörer vom Fernsprecher. Er nannte eine Nummer, und als er die Verbindung erhalten hatte, rief er:

      Bitte, verbinden Sie mich mit der Wohnung des Leutnants d'Arnot.

      Eine Stimme meldete sich.

      Ich habe eine Mitteilung für Herrn Tarzan, wenn er sich gefälligst ans Telefon bemühen will.

      Eine Minute lang war es still.

      Sind Sie da, Herr Tarzan?

      Ach ja, mein Herr, hier ist François, Bedienter bei der Gräfin de Coude. Vielleicht erinnern Sie sich meiner.

      Ja, mein Herr. Ich habe eine dringende Botschaft von der Frau Gräfin. Sie bittet Sie, sofort zu ihr zu eilen – sie ist in Verlegenheit, mein Herr.

      Nein, mein Herr, ich weiß nichts Näheres. Darf ich der Frau Gräfin sagen, daß der Herr bald hier sein wird?

      Danke, mein Herr.

      Pawlowitsch hängte den Hörer wieder ein und lachte Rokoff an. Dieser ordnete an:

      Er wird etwa dreißig Minuten brauchen, um dorthin zu gelangen. Wenn Sie die deutsche Botschaft in einer Viertelstunde erreichen, könnte de Coude in etwa fünfundvierzig Minuten zu Hause sein. Es hängt alles davon ab, ob der Narr noch fünfzehn Minuten länger bleiben wird, wenn er herausgefunden hat, daß ihm ein Streich gespielt worden ist, aber ich würde mich sehr irren, wenn Olga ihn so schnell gehen ließe. Hier ist ein Briefchen für de Coude. Und nun schnell voran!

      Pawlowitsch beeilte sich, nach der deutschen Botschaft zu gelangen. Am Eingang übergab er einem Lakai das Billett.

      Dies ist für den Herrn Grafen de Coude. Es ist sehr eilig. Sie müssen dafür sorgen, daß es sofort in seine Hände gelangt.

      Gleichzeitig ließ er eine Silbermünze in die willige Hand des Bedienten fallen. Dann kehrte er nach seiner Wohnung zurück.

      Einen Augenblick später entschuldigte sich de Coude bei seinem Gastgeber, als er den Briefumschlag öffnete. Er erblaßte und seine Hand zitterte, als er folgendes las:

      Geehrter Herr Graf de Coude!

      Jemand, der die Ehre Ihres Namens zu retten wünscht, greift zu diesem Mittel, um Ihnen mitzuteilen, daß die Heiligkeit Ihres Hauses in diesem Augenblick entweiht wird.

      Ein gewisser Mann, der schon seit Monaten ständiger Besucher während Ihrer Abwesenheit ist, weilt jetzt bei Ihrer Frau. Wenn Sie sofort zum Boudoir der Gräfin eilen, so werden Sie sie zusammen finden.

      Ein Freund.

      Zwanzig Minuten, nachdem Pawlowitsch