Edgar Rice Burroughs

Tarzans Rückkehr in den Urwald


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überlassen, die Unschuldigen von den Schuldigen zu trennen.

      Sie sollten aber erfahren, daß es zwei verschiedene Dinge waren, diesem wohlgekleideten jungen Manne zu sagen, er sei verhaftet, und ihn auch wirklich festzunehmen.

      Ich habe niemand angegriffen, sagte er ruhig, sondern mich nur verteidigt. Ich weiß nicht, weshalb die Frau eine solche Aussage gemacht hat. Sie kann keine Feindschaft gegen mich haben, denn bevor ich auf ihre Hilferufe in dieses Zimmer trat, habe ich sie nie gesehen.

      Kommen Sie nur, sagte einer der Polizisten, es ist Sache der Richter, das alles aufzuklären.

      Als er nun auf ihn zuschritt, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen, lag er gleich darauf zusammengekrümmt in einer Ecke des Zimmers. Nun stürzten seine Kollegen auf den Affenmenschen los, aber auch sie bekamen eine Vorstellung von der Art, mit der er vorher die Apachen erledigt hatte. Das geschah so schnell und so sicher, daß sie nicht einmal die Möglichkeit hatten, ihre Revolver zu ziehen.

      Während des kurzen Kampfes hatte Tarzan durch das offene Fenster etwas wie einen Baumstamm oder eine Telegraphenstange vor dem Hause erblickt; was es eigentlich war, konnte er nicht unterscheiden. Als der letzte Polizist zu Boden lag, gelang es einem seiner Kollegen endlich, seinen Revolver zu ziehen und auf Tarzan zu feuern. Der Schuß ging aber fehl und bevor der Polizist ein zweitesmal feuern konnte, hatte Tarzan die Lampe vom Kamin heruntergeworfen, so daß das Zimmer völlig in Dunkelheit gehüllt war.

      Das einzige, was die Polizisten noch unterscheiden konnten, war eine geschmeidige Gestalt, die wie ein Panther durch das offene Fenster auf die Telegraphenstange lossprang. Als die Polizisten wieder aufgestanden waren und auf die Straße hinuntereilten, war ihr Häftling nirgends mehr zu sehen.

      Der Schutzmann, der unten auf der Straße geblieben war, schwor, daß in der Zwischenzeit kein Mensch zu einem Fenster oder zu der Tür herausgekommen sei. Seine Kollegen dachten zwar, er rede Unsinn, aber sie konnten es ihm nicht beweisen.

      Das Frauenzimmer und die Männer, die nicht geflüchtet waren, behandelten sie nicht allzu sanft, als sie diese zur Polizeiwache brachten. Es ärgerte sie, berichten zu müssen, daß ein einzelner unbewaffneter Mann sie alle zu Boden gestreckt hatte und daß er ihnen so leicht entwischt war.

      Als Tarzan sich an der Stange vor dem Fenster festhielt, folgte er seinem Dschungel-Instinkt und sah sich nach den Feinden um, bevor er hinunterkletterte. Und er tat wohl daran, denn unten stand gerade ein Polizist. Aber oben war keiner, und so kletterte er weiter hinauf.

      Der Mast reichte bis an das Dach des Hauses, und so war es für ihn, der jahrelang im Urwald herumgeklettert war, das Werk eines Augenblicks, auf das Dach zu gelangen. Von einem Dach ging er auf ein anderes, und so setzte er seinen Weg über den Häusern fort, bis er an einer Querstraße einen andern Mast entdeckte, an dem er sich herunterließ.

      Eine Strecke ging er noch schnell. Dann verschwand er in einem Nachtkaffee. Dort ging er in die Garderobe, um an Händen und Kleidung die Spuren seiner Wanderung über die Dächer zu entfernen. Als er einige Minuten später herauskam, schlenderte er gemütlich heimwärts.

      Bald darauf kam er auf einen hellerleuchteten Boulevard, den er überschreiten mußte. Als er eben unter einer Bogenlampe stand, um ein Auto vorüberfahren zu lassen, hörte er eine sanfte weibliche Stimme seinen Namen aussprechen. Wie er aufschaute, blickte er in die lächelnden Augen der Gräfin Olga de Coude, die sich aus ihrer Limousine herausneigte. Er verbeugte sich tief, um auf den freundlichen Gruß zu antworten, aber als er sich wieder aufrichtete, war das Auto schon weitergesaust.

      Rokoff und die Gräfin de Coude am selben Abend! sagte er zu sich selbst. Paris ist schließlich nicht so groß, wie ich geglaubt hatte.

      Die Erklärungen der Gräfin

      Ihr Paris ist gefährlicher, als meine wilde Dschungel, Paul, schloß Tarzan den Bericht, den er am Morgen nach seinem Zusammenstoß mit den Apachen und der Polizei in der Maule-Straße seinem Freunde erstattete. Weshalb lockten sie mich dorthin? Waren sie hungrig?

      D'Arnot lachte und fragte neckend: Nicht wahr, es ist schwer, sich über die Verhältnisse der Dschungel hinwegzusetzen und die gesittete Lebensart bei Licht zu betrachten?

      Das ist in der Tat eine gesittete Art, spottete Tarzan. In der Dschungel kommen keine mutwilligen Scheußlichkeiten vor. Dort töten wir, um Fleisch zu erbeuten, um uns zu verteidigen, um ein Weibchen zu erobern oder die Jungen zu beschützen. Wie Sie sehen, immer in Übereinstimmung mit den Vorschriften irgendeines großen Naturgesetzes. Aber hier! Pfui, Ihr gesitteter Mensch ist brutaler als die Tiere. Er tötet nur mutwilligerweise und noch schlimmer als das, er nützt ein edles Gefühl aus – die Brüderlichkeit der Menschen – als ein Lockmittel, sein nichtsahnendes Opfer ins Verderben zu stürzen. Um einem menschlichen Hilferuf zu folgen, eilte ich in das Zimmer hinauf, wo die Mörder auf mich lauerten.

      Ich dachte natürlich nicht, und konnte noch lange nachher nicht verstehen, daß irgend eine Frau moralisch so tief sinken könnte, wie jene, die einen Mann, der sie retten wollte, ins Verderben lockte. Aber es muß so gewesen sein, denn die Anwesenheit Rokoffs und die Beschuldigung, die das Weib gegen mich erhob, lassen sich nicht anders erklären. Rokoff mußte gewußt haben, daß ich öfter durch die Maule-Straße ging. Er lauerte mir auf. Sein ganzer Plan war sorgfältig ausgearbeitet bis zur letzten Einzelheit, sogar bis zu der Aussage des Weibes für den Fall eines Hindernisses, wie es ja tatsächlich eintrat. Das ist mir alles ganz klar.

      Jawohl, sagte d'Arnot, aber es zeigt Ihnen auch, wie sehr ich recht hatte, Ihnen zu sagen, man sollte die Maule-Straße abends meiden. Sie wollten es mir nicht glauben.

      Und ich halte heute noch die Straße für die sehenswerteste in Paris. Ich werde nie verfehlen, durch sie zu gehen, denn sie hat mir die erste wirkliche Unterhaltung gewährt, seitdem ich Afrika verlassen habe.

      Sie kann Ihnen noch eine andere Unterhaltung gewähren, die Ihnen weniger zusagen wird, sagte d'Arnot. Vergessen Sie nicht, daß die Polizei mit Ihnen noch nicht fertig ist. Ich kenne die Pariser Polizei genügend, um Ihnen zu versichern, daß sie nicht sobald vergessen wird, was Sie ihr zugefügt haben. Früher oder später wird sie Sie packen, mein lieber Tarzan, und dann wird sie den wilden Waldmenschen hinter eisernen Stäben einsperren. Wie wird Ihnen das gefallen?

      Tarzan werden sie nie hinter eisernen Stäben einsperren, erwiderte er grimmig.

      In dem Ton dieser Worte lag etwas, was d'Arnot veranlaßte, seinen Freund scharf anzusehen. Der Ausdruck der kalten grauen Augen machte den jungen Franzosen sehr besorgt um dieses große Kind, das kein Gesetz über seiner eigenen physischen Stärke erkennen wollte. Er sah ein, daß etwas geschehen müßte, um Tarzan mit der Polizei auszusöhnen, bevor eine andere Begegnung erfolgen konnte.

      Sie müssen noch viel lernen, Tarzan, sagte er ernst. Die menschlichen Gesetze müssen beachtet werden, ob sie Ihnen zusagen oder nicht. Ihnen und Ihren Freunden können nur Ungelegenheiten daraus erwachsen, wenn Sie der Polizei trotzen wollen. Ich kann in Ihrem Falle der Polizei den Sachverhalt erklären, und ich will das noch heute tun, aber hernach müssen Sie dem Gesetz gehorchen. Wenn der Vertreter des Gesetzes zu Ihnen sagt: Kommen Sie, so müssen Sie kommen, und wenn er sagt: Gehen Sie, so müssen Sie gehen. Jetzt wollen wir zu meinem großen Freund in der Polizeidirektion gehen und die Angelegenheit der Maule-Straße aufklären. Kommen Sie!

      Eine halbe Stunde später betraten sie das Polizeibureau. Der Leiter war sehr freundlich. Er erinnerte sich noch sehr wohl des Besuches, den die beiden ihm einige Monate vorher in der Angelegenheit der Fingerabdrücke gemacht hatten.

      D'Arnot erzählte die Ereignisse vom vorhergehenden Abend, und als er geendet, umflog ein grimmiges Lächeln den Mund des Polizeileiters. Er drückte auf einen Knopf, und während er auf den Beamten wartete, suchte er auf seinem Tisch nach einem Papier, das er schließlich fand.

      Hier, Joubon, sagte er zu dem eintretenden Schreiber, lassen Sie diese Polizisten sofort zu mir kommen! Er übergab ihm das Blatt, und dann wandte er sich wieder zu Tarzan.

      Sie haben einen schweren Fehltritt begangen, mein Herr, sagte er nicht unfreundlich, und ohne