Edgar Rice Burroughs

Tarzans Rückkehr in den Urwald


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fiel zu. Tarzan hörte das Knacken des Schlosses, als Pawlowitsch drinnen den Schlüssel umdrehte. Rokoff blieb vor der Tür stehen; er beugte den Kopf, wie wenn er die Worte erhaschen wollte, die drinnen gesprochen wurden. Ein häßliches Lächeln umspielte seine bärtigen Lippen.

      Tarzan konnte hören, wie die Frau dem Eindringling befahl, ihre Kabine zu verlassen. Ich werde meinen Mann rufen lassen, schrie sie. Er wird kein Erbarmen mit Ihnen haben. Pawlowitschs höhnisches Lachen drang durch die Tür.

      Der Proviantmeister wird Ihren Gatten holen, Madame, sagte der Mann. Dieser Offizier ist in der Tat schon benachrichtigt, daß Sie noch einen andern Mann als Ihren Gatten hinter der verschlossenen Türe Ihrer Kabine empfangen.

      Pah! rief die Frau. Mein Mann wird schon wissen, was er davon zu halten hat.

      Sicher weiß er es, nicht aber der Offizier und auch nicht die Journalisten, die auf irgendeine geheimnisvolle Weise bei der Landung davon hören werden. Aber sie werden finden, daß es eine feine Geschichte für die Zeitungen ist, und dies werden auch all Ihre Freunde denken, wenn sie sie am – heute ist Dienstag, also am nächsten Freitag, zu ihrem Frühstück in den Blättern lesen. Es wird dem Interesse an der Geschichte auch keinen Abbruch tun, wenn die Leser erfahren, daß der Mann, zu dem Madame Beziehungen unterhält, ein russischer Bedienter ist, der Kammerdiener ihres Bruders, um ganz genau zu sein.

      Alexei Pawlowitsch, entgegnete die weibliche Stimme kühl und furchtlos, Sie sind ein Feigling, und wenn ich Ihnen einen gewissen Namen ins Ohr flüstere, so werden Sie Ihre Forderungen und Drohungen gegen mich besser überlegen. Dann werden Sie meine Kabine sofort verlassen, und ich will nicht hoffen, daß Sie mich jemals wieder belästigen werden.

      Dann folgte ein kurzes Schweigen, und Tarzan schloß daraus, daß die Frau dem Schurken das angedeutete Wort ins Ohr flüsterte.

      Das Schweigen dauerte nur einen Augenblick, und dann hörte man einen Fluch aus dem Munde des Mannes – das Schlürfen von Tritten – den Schrei einer Frau, und dann war wieder Stille.

      Der Schrei war kaum verhallt, als der Affenmensch auch schon aus seinem Versteck hervorsprang. Rokoff wollte fortlaufen, aber Tarzan erfaßte ihn beim Kragen und schleppte ihn zurück. Keiner sprach ein Wort, aber beide fühlten instinktiv, daß ein Mord in dem Raum geschehen würde, und Tarzan war sicher, daß es nicht in Rokoffs Absicht lag, seinen Verbündeten soweit gehen zu lassen; er fühlte, daß des Mannes Ziele tiefer lagen und eher unheilvoll als roh waren.

      Ohne lange zu überlegen, warf sich der Affenmensch mit seiner Riesenschulter so gegen die schwache Tür, daß diese in zahlreiche Splitter zersprang; durch die Öffnung drang er in die Kabine, Rokoff hinter sich herschleppend.

      Vor ihm, auf einem Ruhebett, lag die junge Frau und auf ihr Pawlowitsch, dessen Finger ihren schönen Hals zusammendrückten, während die Hände seines Opfers ihm wirkungslos ins Gesicht schlugen und verzweifelt an den grausamen Fingern zerrten, die sie erwürgen wollten.

      Bei dem Lärm, der durch Tarzans Einbruch entstanden war, sprang Pawlowitsch auf und starrte drohend auf Tarzan. Die Frau richtete sich zitternd auf dem Ruhebett auf. Eine Hand hielt sie am Halse, und ihr Atem ging in kurzen Stößen. Trotz ihrer Blässe und ihres aufgelösten Haares erkannte Tarzan sie als die junge Dame, die er heute früh dabei überraschte, wie sie ihn musterte.

      Was soll das bedeuten? fragte Tarzan, sich an Rokoff wendend, den er sofort als den Urheber dieser Gewalttätigkeit ansah.

      Der Mann verharrte in mürrischem Schweigen.

      Drücken Sie auf den Knopf, fuhr der Affenmensch fort. Wir wollen einen Schiffsoffizier hier haben, denn die Sache ist weit genug gegangen.

      Nein, nein, rief die Frau, indem sie plötzlich aufsprang. Tun Sie das nicht! Ich bin sicher, daß man nicht die Absicht hatte, mir wirklich ein Leid zuzufügen. Ich erzürnte diesen Mann, und da verlor er die Selbstbeherrschung – das ist alles. Ich möchte der Angelegenheit keine weiteren Folgen geben, mein Herr.

      Es lag ein so flehender Ausdruck in ihrer Stimme, daß Tarzan nichts weiter in der Sache tun wollte, obschon er überzeugt war, daß hier etwas im Werke war, von dem die zuständigen Behörden unterrichtet werden müßten.

      Sie wünschen also, daß ich nichts in der Sache tue? fragte er. Nein, nichts, sagte sie.

      Wollen Sie sich also noch weiterhin von diesen zwei Schurken belästigen lassen?

      Sie schien um eine Antwort verlegen zu sein, und sah verwirrt und unglücklich aus. Tarzan bemerkte auf Rokoffs Lippen ein triumphierendes Lächeln. Die junge Frau fürchtete sich offenbar vor diesen beiden, und wagte es jedenfalls nicht, ihren wirklichen Wunsch vor ihnen auszudrücken. Dann, sagte Tarzan, will ich auf meine eigene Verantwortung handeln.

      Und sich an Rokoff wendend, fuhr er fort:

      Ihnen und Ihrem Helfershelfer möchte ich sagen, daß ich Sie von jetzt an bis ans Ende der Fahrt im Auge behalten werde, und sollte irgend eine Handlung von einem von Ihnen zu meiner Kenntnis kommen, durch die diese junge Dame auch nur im entferntesten belästigt wird, so werden Sie sofort von mir zur Rechenschaft gezogen, und diese Rechenschaft wird für keinen von Ihnen eine angenehme Erfahrung werden. Und nun hinaus mit euch!

      Bei diesen Worten packte er Rokoff und Pawlowitsch beim Rockkragen und schob sie kräftig durch den Eingang, indem er jedem noch einen Fußtritt versetzte.

      Dann wandte er sich wieder zu der jungen Dame, die ihn mit großen erstaunten Augen ansah.

      Und Sie, gnädige Frau, sagte er, werden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mich benachrichtigen wollen, sobald nur einer der Halunken Sie wieder belästigt.

      Ach, mein Herr, antwortete sie, ich hoffe, daß Sie nicht für Ihre freundliche Tat zu leiden haben werden. Sie haben sich einen sehr bösen Feind zugezogen, der vor nichts zurückschrecken wird, um seinen Haß zu befriedigen. Sie müssen sehr auf Ihrer Hut sein, Herr – –

      Gestatten, gnädige Frau, mein Name ist Tarzan.

      Also, Herr Tarzan, Sie wollen, bitte, nicht denken, daß ich Ihnen für Ihren tapferen, ritterlichen Schutz, den Sie mir erwiesen, nicht aufrichtig dankbar wäre, weil ich nicht einwilligen wollte, daß die Schiffsoffiziere benachrichtigt wurden. Gute Nacht, Herr Tarzan! Ich werde nie vergessen, was ich Ihnen schulde.

      Und mit einem lieblichen Lächeln, das eine Reihe schöner Zähne sehen ließ, verneigte sie sich grüßend vor Tarzan, der ihr gute Nacht bot und seinen Weg auf dem Deck fortsetzte.

      Der Mann zerbrach sich den Kopf darüber, daß zwei Menschen an Bord waren – die junge Dame und der Graf de Coude –, die unter den Schändlichkeiten Rokoffs und seines Genossen zu leiden hatten und doch nicht duldeten, daß die Übeltäter dem Gerichte ausgeliefert würden.

      Ehe er in jener Nacht zu Bett ging, kehrten seine Gedanken noch oft zu der schönen jungen Frau zurück, in deren offenbar verwickeltes Schicksal er so seltsam eingegriffen hatte. Daß sie verheiratet war, bewies der goldene Ring am dritten Finger ihrer linken Hand. Unwillkürlich dachte er darüber nach, wer der glückliche Mann sein mochte.

      Tarzan sah nichts mehr von den handelnden Personen dieses Dramas, in das er nur einen Blick geworfen hatte, bis am Spätnachmittag des letzten Tages der Fahrt. Da sah er sich plötzlich der jungen Frau gegenüber, als sie beide sich aus entgegengesetzten Richtungen ihren Verdeckstühlen näherten.

      Sie grüßte ihn mit freundlichem Lächeln und sprach fast unmittelbar von dem Vorfall in ihrer Kabine, deren Zeuge er zwei Abende vorher gewesen war. Es schien, als ob es ihr nicht angenehm wäre, daß er ihre Bekanntschaft mit Männern wie Rokoff und Pawlowitsch ungünstig auslegen könnte.

      Ich hoffe zuversichtlich, sagte sie, daß Sie mich nicht nach dem unglücklichen Vorkommnis des Dienstag Abend beurteilt haben. Ich habe viel darunter gelitten. Dies ist das erstemal, daß ich mich seitdem aus der Kabine wage. Ich habe mich geschämt, schloß sie einfach.

      Man beurteilt die Gazelle nicht nach den Löwen, die sie angreifen, erwiderte Tarzan. Ich habe die beiden im Rauchzimmer am Werk gesehen, – am Tage zuvor, wenn ich mich recht erinnere – und