Simone Suhle

Geträumter Schmerz


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der Rasenmäher für den weit läufigen Rasen im Garten. Dort war es sehr staubig, so dass man, wenn man dort fegen wollte, zuerst einmal mit dem Gartenschlauch den Fußboden befeuchten musste, weil man sonst keine Luft mehr bekommen hätte. Bei der Suche nach Federballschlägern, die auch dort im Schuppen aufbewahrt wurden, musste Ave Acht geben, um sich zwischen den Geräten nicht alle Knochen zu brechen. In diesen Schuppen ging die Mutter mit ihrer Tochter Ave. Sie setzte Ave auf einen Hocker und band sie dort an den Knöcheln und an den Handgelenken fest und meinte gleichfalls zu ihr, dass sie sich leise zu verhalten hätte. Ave wusste nicht, ob es sich dabei um ein Spiel handeln sollte oder etwa um irgendetwas Anderes. Sie hatte keine Ahnung. Sie wartete ziemlich lange und ahnte eigentlich auch gar nicht auf was sie dort wartete, so lange, bis sie ihren Kopf nicht mehr aufrecht halten konnte und ihn einfach hängen ließ und irgendwann in sich zusammen sackte und nicht mehr aufrecht sitzen konnte, da sie keine Kraft mehr verspürte. Sie war schlapp, völlig entkräftet und hatte Durst. Sie wusste, dass es aber keinen Sinn machen würde zu rufen und zu schreien, damit sie dort jemand aus dem Schuppen raus holen würde und außerdem sollte sie sich ja ruhig verhalten. So wartete sie in sich zusammen gesackt und dachte an gar nichts mehr bis plötzlich die Tür aufging, ihr Vater in den Schuppen trat und sie vom Hocker los band. Er fragte Ave: „Warum hast du dich nicht befreit? Warum bist du nicht aus dem Schuppen gekommen?“ Ave sagte zu ihm auf die Geräte zeigend: „Ich habe darüber nachgedacht, mich mit dem Hocker umfallen zu lassen, um mich dann an den Geräten befreien zu können oder den Hocker zu zerbrechen. Dann habe ich mir das aber überlegt, dass es besser war, es nicht zu tun, weil ich mir sonst an den hinter mir stehenden Geräten das Genick gebrochen hätte“. Er sah Ave nur gleichgültig und neutral an, so als hätte ihm jemand irgendetwas Uninteressantes mitgeteilt, was für ihn nicht nützlich sei. Ave bewegte sich aus dem Schuppen in Richtung Reihenhaus. Ihr Vater blieb draußen und kümmerte sich um seine Pflanzen, die er in einem Gewächshaus züchtete. Für ihren Vater waren die Pflanzen das Wichtigste so wie für ihre Mutter das Strickzeug und ihr Webstuhl das Wichtigste war. Gesprochen wurde in diesem Haus so gut wie gar nicht. Wenn doch geredet wurde, dann meistens über die Renovierung der Räumlichkeiten, in welcher Farbe das Wohnzimmer gestrichen werden sollte oder der Flur und wo die gesammelten Mineralien positioniert werden sollten, die der Vater von Ave bei Exkursionen gefunden hatte, die einen anscheinend großen Wert darstellten, jedenfalls wohl mehr Bedeutung hatten, als ein eigentliches Familienleben, wo kommuniziert wurde, wie bei manchen Nachbarn bei Speis und Trank.

       Kapitel III – Grusel

      Jahre sind vergangen. Ave ging schon zur Schule. Sie hatte inzwischen Lesen und Schreiben gelernt. Gerne nahm sie ein Buch oder sogar eine Zeitung in die Hand, was für Schulkinder in diesem Alter eigentlich gar nicht so typisch war, eher ungewöhnlich. Das fiel ihrer Mutter auf. Schon bald waren sämtliche Zeitungen verschwunden, die immer auf dem Heizkörper im Flur gegenüber der Toilette abgelegt wurden. Ave konnte nur selten noch eine Zeitung in die Hand bekommen, nur wenn sie Glück hatte. Taschengeld bekam sie nicht. So konnte sie sich auch keine Zeitung kaufen.

      Von Zeit zu Zeit kam ihre Oma Edda zu Besuch, die gerne Schattenbilder mit ihren Händen an der Wand zauberte und Ave so auf diese Art und Weise in ihre nächtlichen Träume begleitete, wenn sie Abends als Kind früher als die anderen Familienmitglieder schlafen gehen musste.

      Oma Edda machte es Freude im Garten Unkraut zu jäten und blühende Blumen anzupflanzen, was der Mutter von Ave gar nicht recht war. Deshalb gab es jedes Mal Streit, wenn sie zu Besuch kam und die Mutter von Ave, ihrer Schwiegermutter, der Oma von Ave, als Oma Edda dann verboten wurde, im Garten Unkraut zu jäten.

      Als die Eltern von Ave eines Tages sich entschieden hatten, eine größere Urlaubsreise ins Ausland zu unternehmen ohne Ave mitzunehmen, ist Oma Edda gekommen, um auf Ave aufzupassen, sich um sie zu kümmern. Für die Mutter von Ave war es das wichtigste, ihrer Schwiegermutter das Unkrautjäten im Garten, zu verbieten. Sie tat das mit solch einer Anspannung, dass sich Ave bis heute daran erinnern kann. Das war wohl ihre wichtigste Reisevorbereitung überhaupt. Natürlich hat sich Oma Edda das nicht verbieten lassen und sich um das Erdbeerbeet gekümmert. Dazu hatte sie schon vor längerer Zeit einen Unkraut-Pflug am Besenstiel besorgt, mit dem sie die Gartenarbeit noch leichter erledigen konnte. Das ging ruck zuck und die Erde sah nach dem Unkrautjäten so aus wie frisch umgegraben. Alles war locker und frisch aufgehäufelt und den Erdbeeren schien das sehr gut zu tun.

      Ave und Oma Edda sonnten sich im Garten, als die Eltern von Ave verreist waren und machten es sich mit der kleinen weißen Katze, die Oma Edda eines Tages mitgebracht hatte, eine schöne Zeit während eines sommerlichen Frühlings. Sie spielten, Mühle und Dame, Mensch ärgere dich nicht, Halma und sogar Federball und Brettspiele, die damals modern waren und betätigten sich sportlich. Die Katze, die Katze genannt wurde sowie Miezekatze, schaute gerne bei allem zu. Als es besonders heiß wurde, setzten sich die beiden mit Miezekatze unter den Haselnuss-Strauch, der im Sommer guten Schatten spendete und schauten in den blühenden Garten. Es fiel ihnen auf, dass sich am Erdbeerbeet Krähen zu schaffen machten, die im frisch aufgehäufelten Sand wühlten, was ihnen merkwürdig erschien. Denn die Erdbeeren waren noch gar nicht so weit, Früchte gab es noch nicht und die Ernte ließ noch auf sich warten. Trotzdem machten sich dort diese Vögel zu schaffen. Was wollten sie dort. Ave und Oma Edda gingen gucken und es fiel ihnen auf, dass die Vögel im Sand kleine Knochen gefunden hatten, die diese Krähen in ihren Schnäbeln mitnahmen. Ave hatte zu diesem Zeitpunkt vergessen oder verdrängt, was ihre Mutter dort in der Nacht bei Morgendämmerung in ihrer Anwesenheit eines Tages vergraben hatte, dieses kleine Päckchen in knisterndem Zeitungspapier, was sie als 4jähriges Kind nicht verstand und ihr von der Frau, die behauptete ihre Mutter zu sein, gesagt wurde: „DAS BIST DU!“

      Das Erlebnis mit den Vögeln war so außergewöhnlich, so dass Ave dies ihrer Spielkameradin aus der Nachbarschaft mitteilte, die erst kürzlich in diese Wohnsiedlung gezogen war und mit ihr gemeinsam in die gleiche Schulklasse ging. Beide Mädchen legten fast täglich gemeinsam den gleichen Schulweg zurück und erzählten sich Alles.

      Als sich die beiden wieder trafen, Ave ihrer Schulfreundin diese Mitteilung mit den Vögeln im Garten schon gemacht hatte, kam Miriam sehr ernst auf Ave zu und meinte, dass dies etwas Schlimmes bedeuten könnte. Ave winkte nur Kopf schüttelnd ab. Sie konnte sich nichts Schlimmes vorstellen, obwohl sie doch in der Nacht bei Morgendämmerung von ihrer Mutter aus dem Bett geholt wurde, mit ihr in den Garten zu gehen und selbst zugesehen hatte, wie ihre Mutter ein Loch an derselben Stelle gebuddelt hatte, wo diese Vögel danach diese kleinen Knochen gefunden hatten. Das war doch so abartig und merkwürdig, dass sich Ave etwas hätte dabei denken müssen, zumal ihre Mutter dann noch zu ihr sagte: „DAS BIST DU!“

      Aber nein – Ave konnte sich an nichts, aber auch an gar nichts mehr erinnern! Alles war wie weggeblasen. Oder war es nur ein böser Traum? Kann man so etwas überhaupt erlebt haben, ist das möglich?

       Kapitel IV – Blutgruppen

      Ave ging gerne zur Schule und erhielt in den ersten Jahren ihrer Schulzeit gute bis sehr gute Zensuren. Sie interessierte sich für Vieles. Als im Biologie-Unterricht über Blutgruppen gesprochen wurde, die in ganz bestimmter Weise vererbt werden, stellte Ave ihren Eltern diesbezüglich ganz konkrete Fragen. Jedoch wollten ihr, ihre Eltern keine konkrete Auskunft über ihre Blutgruppen erteilen, obwohl sie, wie sie wusste, schon häufig beim Arzt waren, der ihnen Blut abgenommen hatte. Sie redeten nur um den heißen Brei herum, obwohl ihr Vater von Beruf Naturwissenschaftler war, der es mit seiner Wissenschaft eigentlich immer sehr genau nahm. Sie schienen nervös zu sein. Ave wusste nicht warum und wurde wütend. In der Schule ging die Diskussion weiter bis hin zum Abgleich der vererbbaren Augenfarbe. Ave begann sich zu streiten. Sie meinte, dass es trotz dieser wissenschaftlichen Theorien Ausnahmen geben muss. Alle anderen waren sich darüber einig, dass die Kinder von den Eltern, die beide blaue Augen haben, keine Kinder mit braunen Augen haben können. Bei Ave war es aber anders. Sie hatte Eltern mit blauen Augen, auch Oma Edda hatte blaue Augen. Aber Ave hat graugrün braune Augen. An diesem Punkt war für Ave die Diskussion, die sich in der Schule sogar zu einem Streit ausgeweitet hatte, beendet.

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