Robert Mähr

Handbuch für Zelebrantinnen und Zelebranten


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weil eine Unterstützung nicht möglich ist. Diese Arbeit erfordert viel emotionale Energie, persönliche Stabilität und macht mitunter auch einsam. Nach Abschluss eines Rituals bekommt man oft positive Rückmeldungen wie beispielsweise «Die Feier hat mir gut gefallen». Es fehlen jedoch die kritischen Stimmen. Das Filmen von Ritualen ist ein Tabu und das Filmmaterial von Betroffenen ist meistens nicht auf den Zelebranten fokussiert. Deshalb ist diese Art der Selbstkontrolle nicht möglich. Um eine Qualitätssicherung sicherzustellen ist es daher ratsam und unumgänglich, periodisch an entsprechenden Supervisionen und/oder Intervisionen teilzunehmen.

      Anforderungen an Zelebranten

      Der Beruf des Zelebranten ist verantwortungsvoll und kann teilweise auch psychisch belastend sein. Deshalb ist eine gefestigte und belastbare psychische Konstitution nebst der Freude an anderen Menschen eine Grundvoraussetzung.

      Zelebranten müssen gerne mit Menschen arbeiten sowie psychisch belastbar und gefestigt sein.

      Selbstkompetenz

       Er kennt seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen. Das persönliche Angebot muss auf die individuellen Kompetenzen abgestimmt werden, damit dieses mit Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Empathie umgesetzt werden kann.

       Er lehnt Rituale ab, die nicht mit den eigenen Grundwerten im Einklang stehen oder eine persönliche psychische Überforderung darstellen.

       Er weiss von der emotionalen Wirkung von Ritualen und agiert und reagiert angemessen.

       Er ist offen für die vielfältige Wirkung von Ritualen und setzt diese gezielt und verantwortungsbewusst ein.

      Beratungskompetenz

       Er respektiert die Kunden und nimmt diese ernst.

       Er nimmt sprachliche und nichtsprachliche Äusserungen der Kunden wahr und reflektiert diese.

       Er ist den Kunden gegenüber offen, tolerant und transparent.

       Er erkennt und erkundet die kulturellen, historischen und religiösen Realitäten der Kunden und der Teilnehmenden.

       Er kann die zentralen Anliegen der Kunden im persönlichen Kontakt erfassen und diese in Vorschläge für ein passendes und zweckmässiges Ritual umsetzen.

       Er respektiert die Grenzen der Kunden und der Teilnehmenden.

      Entwicklungskompetenz

       Er kann aus den Wünschen und Vorstellungen der Kunden unter den gegebenen Umständen passende und wirkungsvolle Rituale erstellen.

       Er ist in der Lage, die Struktur eines Rituals unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu entwickeln und diese zu kommunizieren.

       Er erkennt die Grenzen und Risiken eines Rituals und sucht mit den Kunden und den Teilnehmenden einen optimalen Weg für die Realisierung.

       Er sorgt für eine passende Dramaturgie. Zu diesem Zweck bedient er sich geeigneter Symbole und Hilfsmittel, stimmiger Musik und einer passenden Kleidung.

       Er plant Notfallszenarien und Varianten gemäss den vereinbarten Zielen.

      Führungskompetenz

       Er kann gemäss dem vereinbarten Drehbuch ein Ritual leiten. Das heisst, dass er die Teilnehmenden vom Anfang bis zum Ende verbal und nonverbal durch das Ritual führt.

       Er reagiert sofort und adäquat auf Unvorhergesehenes mit der Absicht, dass das Ritual die vereinbarte Wirkung erzielt.

       Er braucht genügend Abstand zum Geschehen, damit er sich von der Wirkung des Rituals nicht beeinflussen lässt. Ein Zelebrant muss seine Emotionen während des gesamten Rituals kontrollieren können, damit er nicht in die Rolle der Teilnehmenden wechselt.

      Rituale, die emotional zu nahe gehen oder die ethischen Grundsätze verletzen, muss man ablehnen.

      Auftrittskompetenz

       Er braucht einen sicheren, interessanten und überzeugenden Ausdruck in Sprache und Mimik, um seine Rolle perfekt zu inszenieren.

       Die Sensibilität zum Erfassen ausserordentlicher Situationen und die Fähigkeit, sich entsprechend anzupassen, sind im Notfall unabdingbar.

      Fach- und Sachkompetenz

       Er hat Organisationstalent.

       Er verfügt über Fachwissen zu Themen wie Rituale, Religionen und Kulturen.

      Wie wird man Zelebrant?

      Grundsätzlich können alle Personen, die über eine entsprechende Ausbildung und praktische Erfahrung oder das entsprechende Talent verfügen, den Beruf des Zelebranten ausüben. Diese Personen sollten sich aber zumindest dazu verpflichten, den Ehrenkodex (siehe weiter oben) in der beruflichen Praxis einzuhalten.

      Um einen hohen Qualitätsstandard sicherzustellen und das Berufsimage ständig zu verbessern, ist es angezeigt, dass Zelebranten sich zertifizieren lassen. Ein passendes Angebot bietet der Verein Celecert4 an.

      Verein Celecert

      Der Verein Celecert wurde 2011 als gemeinnütziger Verein nach schweizerischem Recht gegründet. Celecert hat sich zum Ziel gesetzt, den Beruf des Zelebranten bekannt zu machen, zu verankern und die Qualität der Zelebrantinnen und Zelebranten zu sichern und zu verbessern. Weitere Informationen sind erhältlich unter folgender Anschrift oder auf der Vereinswebsite.

      Verein Celecert

      Museumstrasse 29

      CH-9000 St. Gallen

      www.celecert.org

      Ritualverband

      Der Ritualverband wurde 2016 im Nachgang des ersten Ritualkongresses gegründet. Seither engagiert sich der Verband für eine konsequente Vernetzung aller freischaffenden Ritualfachpersonen und entsprechenden Institutionen in der Schweiz.

      Ritualverband

      Museumstrasse 29

      CH-9000 St. Gallen

      www.ritualverband.ch

      Rituale allgemein

      In diesem Kapitel werden die relevanten theoretischen Grundlagen zu Ritualen in einer kurzen Übersicht erklärt. Auf eine Ausweitung des Themas und eine Vertiefung wird bewusst verzichtet, um den Fokus auf die Übergangsrituale zu richten. Das schliesst aber keinesfalls aus, dass sich Zelebranten mit anderen Ritualen beschäftigen (z. B. Bau-, Business-, Erneuerungs-, Jahreszeiten-, Militär-, Natur-, Paar-, Politik-, Reinigungs-, Schutz-, Schul-, Sportrituale, schamanische und therapeutische Rituale).

      Die folgende Fokussierung auf diese fünf Übergangsrituale soll keinen wertenden Charakter haben. Für die meisten Religionsgemeinschaften sind diese Rituale die bedeutendsten. Um deren Wichtigkeit zu unterstreichen, werden diese teilweise als «heilige Praktiken» oder Sakramente definiert.

      Was sind Rituale?

      Mit der folgenden Auswahl unterschiedlicher Definitionen und Definitionsansätze soll aufgezeigt werden, dass eine breite Palette menschlicher Handlungen unter den Begriff «Ritual» fällt. In der Umgangssprache wird der Begriff noch weiter gefasst und vielfach mit wiederkehrenden Handlungen von Personen und Tieren gleichgesetzt. Die verschiedenen Definitionen unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Herkunft der Autoren und das entsprechende Einsatzgebiet der Rituale. Eine wissenschaftliche