Edgar Rice Burroughs

Tarzans Sohn


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flocht, merkte sie mit einem Male, daß der Scheich sich näherte, und sofort war das sonnige Lachen, das um ihren Kindermund gespielt, dahin. Sie sprang zur Seite, wohl in der Hoffnung, daß sie vielleicht doch noch unbemerkt dem alten Araber mit seinem lederfarbigen Gesicht entwischen könne. Allein das Kind war nicht schnell genug. Mit einem harten Fußtritt stieß er die Kleine nieder, daß sie der Länge nach aufs Gesicht fiel. Still und ohne Tränen zu vergießen blieb sie liegen; ein leises Zittern rann durch ihren Körper. Ein Fluch, eine gräßliche Verwünschung – und der Mann trat in das Zelt. Die alte schwarze Hexe schüttelte sich vor Lachen und gab dabei wohl ihren einzigen Zahn zum Besten, der wahrscheinlich selber nicht wußte, wie er zu der Ehre kam, noch zu existieren.

      Als das kleine Mädchen sicher war, daß der Scheich sich ins Zelt verfügt hatte, kroch es hinter das Zelt in den Schatten und blieb dort mäuschenstill liegen. Sie drückte Geeka fest an ihr Herz und meinte es gut mit der lieben kleinen Puppe, doch ab und zu war es, als wollte der ganze Jammer von neuem über sie hereinbrechen: Sie reckte und streckte dann ihren kleinen gequälten Körper, nur um das Schluchzen zu unterdrücken. Laut weinen – nein, das durfte sie nicht wagen, denn dann würde der Scheich von neuem seine Wut an ihr ausgelassen haben. Was ihr kleines Herz so bekümmerte, war überdies nicht etwa nur der Nachhall jener neuen Mißhandlung. Unendlich tiefere innere Nöte bedrängten sie: Man versagte ihr hier jegliche Liebe, und jedes Kinderherz lechzt doch geradezu nach allem, was Liebe atmet!

      Die kleine Meriem konnte es sich kaum mehr anders denken, als daß sie immer nur unter der strengen, grausamen Hand des Scheichs und Mabunus gelebt hatte. Ganz dunkel schwebte freilich beinahe wie ein Traum in den Tiefen ihrer kindlichen Seele ein Bild undeutlich und verschwommen. Dann war es ihr, als habe sie einmal eine gute, sanfte, freundliche Mutter gehabt. Aber Meriem meinte, dies sei wohl mehr ein frommer Wunsch, vielleicht auch bloß der Ausdruck ihrer großen Sehnsucht nach den Liebkosungen, die sie nie selber gekostet, aber dafür der herzigen Geeka-Puppe in Hülle und Fülle schenkte. Kein Kind wurde so verwöhnt, wie Geeka, deren kleine Mutter – ganz im Gegensatz dazu wie sie von ihren eigenen »Eltern« behandelt wurde – die Nachsicht und Milde selber war. Geeka bekam tausend Küsse an einem Tag, und selbst wenn sie beim Spiel oder sonst recht unartig gewesen, gab es statt der verdienten Strafe immer neue Liebkosungen. Alles, was die kleine Meriem ihrem Puppenkinde an Zärtlichkeiten angedeihen ließ, war eben nur ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr sie selbst nach einem wahrhaft liebenden, hegenden Mutterherzen verlangte.

      Und als sie jetzt Geeka fest an sich drückte, fühlte sie, daß das Schluchzen und Zittern langsam nachließ. Nicht lange mehr, und sie hatte auch ihre Stimme wieder in der Gewalt und konnte nun wenigstens der einzigen Vertrauten ihr Herz ausschütten.

      Geeka liebt Meriem, flüsterte sie der Puppe in ihr Elfenbeinohr. Warum liebt mich mein Vater, der Scheich, nicht auch? Bin ich denn so ungezogen? Ich versuche ja immer, brav zu sein; doch ich weiß gar nicht, warum er mich so schlägt, und da kann ich auch nicht sagen, was ich getan haben soll oder was ihm nicht gefällt. Gerade vorhin gab er mir einen Fußtritt. O, das hat mir sehr, sehr wehgetan! Und ich saß doch bloß vor dem Zelt und flocht ein Hemdchen für dich! Das muß etwas Böses sein, denn sonst hätte er mir doch nicht dafür einen Fußtritt gegeben. Aber warum ist das etwas Böses, Geeka? Liebe Geeka, ich weiß es nicht, weiß es nicht ... Geeka, ich möchte tot sein. Gestern schleppten die Jäger El Adrea, den Löwen, ins Dorf. El Adrea war ganz, ganz tot. Nie wieder wird er sich leise an seine ahnungslosen Opfer heranschleichen, nie wieder werden die Herzen guter Waldtiere vor seinem großen Kopfe und der Mähne im Nacken erzittern, wenn sie nachts an der Tränke sind. Nie mehr wird sein Donnergebrüll die Erde erbeben lassen. El Adrea ist tot. Sie haben ihn ganz schrecklich geschlagen, als sie ihn hier im Dorfe hatten, aber El Adrea kümmerte sich gar nicht darum. Er fühlte das gar nicht, denn er war eben tot. Geeka, wenn ich tot bin, werde ich auch nichts mehr merken, die Schläge Mabunus nicht und auch die Fußtritte des Scheichs, meines Vaters, nicht. Dann will ich aber froh sein. Geeka! Ach, ich wünschte, ich wäre tot!

      Geeka schien gerade etwas einwenden zu wollen, doch sie wurde sofort unterbrochen, denn draußen vor den Toren des Dorfes hatte sich ein heftiger Streit erhoben. Man hörte lautes Stimmengewirr. Meriem spitzte die Ohren, und – neugierig wie Kinder nun einmal sind – wäre sie zu gern hingerannt und hätte sich selbst davon überzeugt, warum man sich so entsetzlich anschrie. Die anderen Dorfbewohner waren schon größtenteils auf den Beinen und stürzten in der Richtung davon, aus der der Lärm kam, aber Meriem getraute sich doch nicht mit. Der Scheich würde sicher auch dort sein und, wenn er sie sah, nur wieder die Gelegenheit benutzen, sie von neuem zu schlagen oder zu stoßen. Meriem blieb also still liegen und horchte.

      Sie hörte bald, daß die Menge sich die Dorfstraße herauf dem Zelt des Scheichs näherte, und so konnte sie der Versuchung nicht widerstehen und guckte ganz vorsichtig um die Zeltecke; nur ein Stück von ihrem kleinen niedlichen Köpfchen würde man sehen können. O, das, was sich da jetzt zutrug, war wenigstens einmal etwas anderes! Und sie sehnte sich ja so nach Abwechslung und allem, was über diese Eintönigkeit hinaushob. Zwei Fremde sah sie mitkommen. Es waren Weiße und sie waren allein. Aber als man weiter herankam, entnahm sie aus den Gesprächen der Eingeborenen, die sich um die Fremdlinge herumdrängten, daß das stattliche Gefolge der beiden sich außerhalb des Dorfes gelagert hatte und dort das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Scheich abwartete.

      Der alte Araber empfing die Fremden am Eingang zu seinem Zelt. Er kniff seine Augen zusammen und musterte die beiden während der üblichen Begrüßung mehr als geringschätzig.

      Sie seien gekommen, um Elfenbein aufzukaufen, erklärten sie. Der Scheich brummte erst etwas vor sich hin und entgegnete dann, er habe überhaupt kein Elfenbein. Meriem mußte den Atem an sich halten, um nicht laut dazwischenzurufen und die Wahrheit zu sagen; denn sie wußte, daß in einer Hütte ganz in der Nähe Elefantenzahn an Elefantenzahn bis unter das Dach aufgestapelt war. Sie beugte ihr kleines Köpfchen noch weiter hervor, um die Fremdlinge besser erkennen zu können. Wie weiß war doch deren Haut! Und wie blond die langen Bärte!

      Plötzlich bemerkte sie, wie der eine gerade zu ihr herüberblickte. Sie wollte sich noch zurückbeugen, denn sie fürchtete alle Männer; doch er hatte sie sicher schon gesehen, das ließ sich daran erkennen, wie sich mit einem Male Staunen und Überraschung in seinen Zügen spiegelten. Dem Scheich war diese Veränderung seines Gegenüber ebensowenig entgangen, ja er ahnte sogleich den Anlaß.

      Ich habe kein Elfenbein, sagte er nochmals. Ich will außerdem nichts von Geschäften wissen. Gehen Sie nur, aber gleich! Er trat ein paar Schritte vorwärts und stieß die Fremden halb und halb vor sich her. Sie sollten nur machen, daß sie wieder zum Tor hinauskämen! Als sie noch allerlei Einwände vorbrachten, verlegte sich der Scheich aufs Drohen. Wenn sie nun nicht pariert hätten, wäre das einfach Selbstmord gewesen, und so machten die beiden kehrt und begaben sich unmittelbar in ihr eigenes Lager zurück.

      Der Scheich trat wieder in sein Zelt zurück, doch bei Leibe nicht, um nun die Hände in den Schoß zu legen. Die kleine Meriem lag schon ganz verängstigt dicht an die Lederwand geschmiegt, als der Alte sich um die Ecke herumschlich. Er bückte sich, packte die Kleine am Arm, schleuderte sie roh zu Boden, zerrte sie vor den Zelteingang und stieß sie hinein. Und damit nicht genug: Er packte sie von neuem und bleute sie unbarmherzig durch.

      Bleib' mir ja hier! brüllte er sie an. Daß du dich nicht unterstehst, den Fremden noch einmal unter die Augen zu kommen. Passiert es doch, daß du die Fremden dein Gesicht sehen läßt, mache ich dich tot!

      Er gab ihr zur Bekräftigung seiner Drohung noch einen gehörigen Puff in die Seite und stieß sie in die äußerste Ecke des Zeltes, wo sie mit halbunterdrücktem Schluchzen und Stöhnen liegen blieb, während der Scheich auf und ab ging und dabei etwas Unverständliches vor sich hinmurmelte. Mabunu saß kichernd am Eingang.

      Die beiden Fremdlinge waren inzwischen wieder in ihrem Lager angelangt und hatten sich sofort in eine eifrige Debatte gestürzt.

      Malbihn, es ist gar kein Zweifel, die Sache stimmt ganz gewiß so. Das einzige, was mir noch Kopfzerbrechen macht: Warum hat sich der alte Schurke nicht schon lange die unerhörte Belohnung gesichert?

      Ja, es gibt eben doch Dinge, an denen einem Araber mehr liegt als an Geld, Jenssen! warf der andere