Juliana Minden

Loslassen


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die nach einer Trennung keinerlei negative Emotionen verspüren, sind in vielerlei Hinsicht zu bemitleiden. Nach einem Beziehungsaus nicht mit Liebeskummer konfrontiert zu werden ist eher eine Seltenheit. Meist sind die Betroffenen hormonell gehemmt oder autistisch veranlagt.

      Die Trauer, die wir empfinden, wenn ein geliebter Partner geht, mag schmerzhaft sein, aber sie zeigt, dass wir Freude an Romantik und Zweisamkeit verspüren können. Auch unschöne Emotionen nehmen einen wichtigen Platz in unserem Gefühlsspektrum ein und besonders in der Liebe empfinden wir mit der gesamten Palette. Der Satz: „Ohne Schmerz kann es keine Liebe geben“ wird bei einigen Lesern Ungläubigkeit hervorrufen, manche werden ihm hingegen mit tiefster Zustimmung begegnen oder nachdenklich werden. Wie wäre es aber, wenn wir die Worte ein wenig umstellen? „Schmerz gehört auch zur Liebe dazu“ beschreibt denselben Sachverhalt. Wenn du Schmerz verspüren kannst, ist das ein gutes Zeichen. Es zeigt dir, wie weit dein emotionales Spektrum reichen kann und dient als wichtige Erkenntnis, dass du in deinem Empfinden nicht abgestumpft bist.

      In diesem Zusammenhang ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass jener Schmerz in den allermeisten Fällen nur von temporärer Natur ist. Darauf möchte ich auf den nächsten Seiten näher eingehen.

       WAS EIN DROGENENTZUG MIT LIEBESKUMMER GEMEIN HAT

      Für Romantiker ist die Liebe etwas unerklärlich Magisches. Um deine eigenen Emotionen besser einordnen zu können, ist es jedoch wichtig, auch zu verstehen, dass das Ver- und Entlieben vor allem biologisch angetriebene Prozesse sind. Sie werden mehr vom Hirn als vom Herzen gesteuert und laufen bei den meisten Menschen ähnlich ab. Hormone sind der Grund dafür, warum du dich in der Phase der Verliebtheit oft rastlos und gutgelaunt fühlst und der Auslöser für die innere Unruhe, die du nach einer Trennung verspüren magst. Die Natur hat dieses Zusammenspiel der Hormone wohl so eingerichtet, damit wir auch nach dem Sex noch zusammenbleiben, um den Nachwuchs gemeinsam großzuziehen.

      Wissenschaftler vergleichen den Zustand des Verliebens mit einem Drogenrausch, weil er in denselben Hirnregionen abläuft. Im Belohnungszentrum deines Gehirns spielen das Glückshormon Dopamin und das Bindungshormon Oxytocin neben dem Botenstoff Serotonin eine wichtige Rolle. Auch die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin sind in dieser Phase beteiligt. Dopamin ist ein natürliches Aufputschmittel, das unsere Aufmerksamkeit auf angenehme und erfreuliche Dinge lenkt. Im Zustand der Verliebtheit laufen wir mit einem Dauergrinsen durch die Stadt und sind ständig gut gelaunt. Dopamin sorgt allerdings auch dafür, dass wir eine Art Tunnelblick für den Ursprung unserer Freude entwickeln. Wir scheinen nur noch Augen für den Partner zu haben und blenden negative Charaktereigenschaften unbewusst aus. Das Bindungshormon Oxytocin entsteht in der Hirnanhangdrüse bei positiven zwischenmenschlichen Kontakten und hat maßgeblichen Einfluss auf Liebe, Vertrauen und Treue in einer Beziehung. In der heißen Phase des Verliebtseins sinkt unser Serotoninspiegel erheblich. Dieser Botenstoff bedingt innere Ausgeglichenheit und wenn zu wenig davon ausgeschüttet wird, fühlen wir uns rastlos und unruhig. Als wenn die Unausgeglichenheit nicht schon genug wäre, kommen noch Stresshormone dazu. Adrenalin und Noradrenalin sorgen für Herzklopfen, Appetitlosigkeit und feuchte Hände, wenn sich der Lieblingsmensch in unserer Nähe befindet. Das Zusammenwirken all dieser Rauschhormone führt dazu, dass wir vor allem in der Anfangsphase regelrecht besessen vom neuen Partner sind. Die Hirnareale für rationales Denken sind dann fast gar nicht aktiv und wir entscheiden oft instinktiv und manchmal gegen jegliche Vernunft.

      

      Wenn es zu einer Trennung kommt und der Partner plötzlich nicht mehr da ist, fehlen dem Körper auch die Glückshormone, die wir mit ihm verbinden. Kommt es zu einem drastischen Absinken an Dopamin im Gehirn, fühlen wir uns lust- und antriebslos. Der Serotoninspiegel sinkt und sorgt für mentale Unruhe. Die Stresshormone Adrenalin und Cortisol werden im Überfluss ausgeschüttet und bewirken emotionalen Stress. Die Euphorie ist nicht mehr da und muss Platz machen für Aggressivität, Herzrasen, Trauer und das Gefühl von innerer Leere. Der Zustand in unserem Körper kommt jenem gleich, den Betroffene bei einem Drogenentzug empfinden.

      Die meisten Menschen machen während der Trennung eine solche hormonelle Umstellung durch. Mediziner bezeichnen es auch als reaktive Depression oder Anpassungsstörung. Die Anpassung an die neuen biologischen, emotionalen und physischen Verhältnisse fällt schwer. Anders als bei einer klinischen Depression findet ein gesunder Organismus hier jedoch in den allermeisten Fällen selbst wieder in den Zustand des hormonellen Gleichgewichts zurück. Die Symptome schwächen ab und verschwinden mit ausreichendem Abstand bald vollständig. Studien beweisen, dass auch die Hirnareale, welche für die Anziehung zum Ex-Partner zuständig sind, ihre Aktivität vermindern je mehr Zeit verstreicht. Also Kopf hoch! Auch wenn es dir in diesem Moment schwerfällt, es zu glauben: Du wirst dich erholen – auch, wenn es einige Monate oder gar ein Jahr dauern wird. Du kannst aber definitiv etwas tun, um den Heilungsprozess zu beschleunigen. Vermeide unnötige Stressfaktoren und richte deine Gedanken auf eine positive Zukunft. Versuche, dich in dieser Phase mit schönen Dingen zu befassen, um deine Glückshormone nach und nach wieder zu aktivieren. Die Zeit heilt bekanntlich alle Wunden – und dabei handelt es sich nicht nur um eine bloße Floskel.

       WELCHE ZWEI DINGE DU ZUM VERARBEITEN BRAUCHST

      Verarbeiten bedeutet, sich mit Erfahrungen auseinanderzusetzen, Eindrücke anzunehmen und Klarheit zu gewinnen. Du wirst dir mitunter die folgenden Fragen stellen müssen:

       Was ist alles passiert?

       Welchen Anteil habe ich daran?

       Warum ist es gut, dass wir uns getrennt haben?

       Was lerne ich daraus für die Zukunft?

      Diese Fragen wirst du nicht am Tag der Trennung beantworten können und sicherlich auch nicht am Tag danach. Dafür brauchst du Abstand vom verlassenen Partner und Abstand von all den Dingen, die dich an eure gemeinsame Zeit erinnern und traurig stimmen. In der Phase des Verarbeitens geht es nicht darum, dass du Stärke beweist, sondern darum, dass du dir und deinem Herzen Zeit gibst, zur Ruhe zu kommen. Denke kurz an deine Kindheit zurück. Kannst du dich an einen Moment erinnern, als du dir beim Hinfallen eine kleine Wunde zugezogen hast? Bestimmt hat dir deine Mutter eindringlich zu verstehen gegeben, das Pflaster erst einmal drauf zu lassen. Selbst, wenn du schon lange kein kleines Kind mehr bist, möchte ihr dir auch bei Wunden, die keinen physischen Ursprung haben, ans Herz legen, das Pflaster erst einmal an Ort und Stelle zu lassen. Wenn du das Band immer wieder herunterreißt, um nachzusehen, ob jene Einschnitte schon zugewachsen sind, wirst du dir damit nur schaden. Die Wunde wird mit jedem Mal erneut ein kleines bisschen aufgerissen werden und so nie vollständig verschwinden können.

      Die meisten Menschen setzen sich in der Zeit nach der Trennung besonders stark mit dem Ex-Partner auseinander. Sie schauen nach, ob er online ist, checken Facebook-Postings und fragen im Freundeskreis nach Neuigkeiten. Aber das ist keinesfalls förderlich für deine emotionale Heilung. Vielmehr ist es wichtig, dass du Abstand gewinnst und dir die nötige Zeit gibst, die du brauchst, um deine Wunden gänzlich verheilen zu lassen. Setze dich fürs Erste nicht weiter mit ihr oder ihm auseinander und gönne dir eine emotionale Entziehungskur. Zum Verarbeiten braucht es Zeit und Abstand. Auch wenn es zu Beginn nicht einfach sein mag: Es ist ein wichtiger Schritt um wieder Kontrolle und Stabilität in deinem Leben zu gewinnen. Du brauchst nun erst einmal eine Pause für dich selbst um erneut in ein emotionales Gleichgewicht zu kommen. Und wenn dies bedeutet, dass jener Kontakt ein ganzes Jahr lang blockiert bleiben muss und eure gemeinsamen Fotos für viele Monate in den Keller wandern, dann ist es nichts, wofür du dich schlecht fühlen musst.

      Denk daran: Es geht jetzt erst einmal ganz allein um dich und darum, was dir in diesem Moment hilft, zu verarbeiten und zu heilen.

       DIE PHASEN, DIE DEN LIEBESKUMMER PRÄGEN

      Liebeskummer wird in sehr unterschiedlichen