Johann Eckerl

Ohne Hirn bist halt ein Depp


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mei, ich hätt‘ da noch ... also ich mein‘, ein Eintopf könnt‘ recht sein, gell? Mit viel Gemüse und Kartoffeln und so halt“, antwortete der Jakob ein wenig zögerlich.

      „Wär‘ jetzt auch nicht so arg teuer“, ergänzte er, weil der Herr Pfarrer gerade ein wenig nachdenklich schaute.

      „Ja, das ist ja wunderbar! Ganz reizend ist das! Ein schöner bayerischer Gemüseeintopf. Das wird die Herrschaften sicher freuen!“, war der Herr Pfarrer plötzlich recht überschwänglich.

      „Gemüseeintopf meinens? Praktisch so ganz ohne Fleisch meinens?“, fragte der Jakob ein wenig entsetzt nach.

      „Ja, wissen Sie, Herr Teufel, die Herrschaften sind ja schon älteren Semesters, so siebzig Jahre aufwärts, und da wird ihnen das Fleisch leicht einmal etwas zu zäh. Und es wäre ja schade, wenn das teure Fleisch dann liegen bleiben würde, gell?“, erklärte der Herr Pfarrer Wohlfahrt und meinte weiter:

      „Aber wissen Sie was? Machen wir es doch so: eine Hälfte mit und die andere Hälfte ohne Fleisch! Dann können die Damen und Herren sich das selber aussuchen. Würde das gehen?“

      „Ja, freilich, Herr Pfarrer, so machen wir‘s.“

      ***

      „Zwanzig, fünfundzwanzig Portionen sollen‘s sein. Nicht zu groß, hat der Pfarrer g‘meint! Dann nehm‘ ich halt mal zehn Gläser, die müssten dann schon reichen“, dachte der Jakob, als er in seinem Keller vor dem großen Regal stand.

      Er zählte zehn Gläser PICHELSTEINER, Jahrgang 1991 und 92 ab, öffnete sie, schnüffelte daran und schüttete den Inhalt von fünf Gläsern in einen Plastikeimer. In einen zweiten Eimer entleerte er die anderen fünf Gläser. Dann machte er sich daran, aus dem einen Eimer die grauen Fleischbrocken herauszufischen und sie in den sumpfigen Stampf im zweiten Eimer fallen zu lassen.

      „Gut, dass die alte Murauerin recht sparsam war mit dem Fleisch“, dachte er, während er mit den Händen durch die kalte, schlüpfrige Masse strich, um die fasrigen Klumpen zu ertasten.

      Schließlich verteilte er eine handvoll Fleischstücke auf zwei Schälchen und ging damit vor die Haustür.

      „Miez, Miez! ... Miez, Miez!“, rief er nicht allzu laut in die winterkalte Dunkelheit und es dauerte nicht lange, da schlängelte sich ein grau getigerter Kater erwartungsvoll um sein Bein.

      Nachdem der Kater von der Pichelsteiner Fleischeinlage gestärkt war und sich nicht erbrochen hatte, schüttete er noch zwei Flaschen Bier zum Inhalt der Eimer, weil der Murauer‘sche Eintopf über die Jahre doch arg dick geworden war. Und ein wenig Alkohol würde das Mahl sicher leichter verdaulich machen. Er wischte die kleine, rostige Kohlenschaufel an seiner Hose ab und rührte dann langsam damit in der schaumigen Masse, die dabei glucksend blubberte. Schließlich gab er in jeden Eimer eine große Handvoll getrockneter Pilze, die er ganz hinten im Regal in einem Jutesack gefunden hatte.

      „Sinnlose Besinnlichkeit macht eh bloß besinnungslos!“

      Die Weihnachtsfeier des Seniorenkränzchens begann am nächsten Tag schon am Nachmittag. Weil die Herrschaften vertrugen es nicht gar so sehr, wenn sie recht spät noch was essen würden. So waren bereits um halb sechs Uhr abends die Eintopf-Töpfe leer und die heitere Gesellschaft widmete sich den besinnlichen Weihnachtsliedern, die von einem Herrn und einer Dame des Kirchenchores zum Vortrag gebracht wurden. Der Herr Pfarrer Wohlfahrt hatte ja gemeint, ein Duett würde schon reichen, weil mehrere Sänger, die wären dann doch zu teuer. Nicht, dass sie vom Herrn Pfarrer für ihren Auftritt bezahlt worden wären, aber freies Essen und Trinken, das hätte schon sein müssen.

      Der Jakob stand gerade in der Tür zur kleinen Teeküche des Pfarrheims und lauschte dem munteren Plaudern der Gesellschaft. Da trat die Trautmannsdorfer Marianne zu ihm, während sie sich mit einem Tuch die nassen Spülhände trocknete.

      „Ganz fein war dein Essen, Jakob!“, lobte sie.

      „Ja, dann ist‘s ja recht!“, gab der Jakob lächelnd zurück und wunderte sich gerade ein wenig über die beiden Herren am Tisch gegenüber, die teilnahmslos ins Leere starrten und den Kopf hin und her wiegten. Da kam eine ältere Dame auf ihn zu, deren Gebiss beim Sprechen etwas klapperte, und meinte:

      „So schön weich war‘s, das gute Essen! Und so bunt, so schön bunt, gell? Alles ist so schön bunt hier“, blickte sie verzückt um sich und ließ dabei auch die weiße Zimmerdecke nicht aus. Dann erklärte sie weiter:

      „Wissens, seit mein Heinz nicht mehr ist, da ess‘ ich ja nicht mehr b‘sonders. Weil für mich allein ..., wissens eh, da lohnt sich das Kochen ja gar nicht mehr.“

      Während der Jakob kurz darüber sinnierte, welche Farben neben sumpfigem Sandgrau die gute Frau in ihrem Essen wohl noch gesehen haben mochte, merkte er, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Weinerlich erzählte sie:

      „Ach, der Heinz, der war ja ... wissens, ... ich seh‘ ihn grad wieder ganz deutlich vor mir, wie er so tot dag‘legen hat.“

      „Ist schon recht, Christl, jetzt lass mich mal ein paar Worte mit dem Herrn Teufel reden, gell?“, schob der Pfarrer Wohlfahrt die alte Dame beiseite, die mit gesenktem Blick kopfschüttelnd zur Tür hinaus schlich: „Alles so schön bunt und so traurig“, murmelte sie vor sich hin.

      Der Pfarrer Wohlfahrt bedankte sich beim Jakob für dessen Dienste, bevor er sich anschickte, die Feier zu verlassen. Unaufschiebbare Dinge würden seiner harren, entschuldigte er sich bei der Gesellschaft und der Jakob meinte, kurz ein geistliches Magenknurren vernommen zu haben.

      „Hat wohl keinen Eintopf gemocht, der Herr Pfarrer!“, flüsterte der Jakob der Marianne verstohlen zu, wusste nicht, dass im Pfarrhaus gerade jetzt ein saftiger Hirschbraten auf den Herrn Pfarrer wartete.

      Zwei Tage später war die alte Christl verstorben. Das Herz wäre ihr stehen geblieben, hieß es im Dorf, weil sie sich plötzlich gar so gegrämt hätte über den Tod von ihrem Heinz, der vor fast zwanzig Jahren gestorben war. Einer seiner Mastbullen hatte ihn versehentlich an der Stallwand zerquetscht.

      „Bei der Feuerwehr, da geht‘s ja öfter mal heiß her!“

      Jakob stand nachdenklich vor seinem Kellerregal. Der Fritz hatte ihn gebeten, für die Augseeer Feuerwehr zu kochen. Also nicht für den ganzen Feuerwehrverein, sondern nur für die aktiven Feuerwehrler und ein paar altgediente Ehrenmitglieder – wie den Schwanniger Herbert. Der Herbert war ja mit seinen über fünfundachtzig Jahren schon zu alt, um noch bei den Einsätzen mitzufahren. Aber essen mochte er immer noch ganz gerne und der Bärwurz schmeckte ihm auch noch recht.

      Das „MANNSCHAFTSESSEN“ gab‘s zweimal im Jahr bei der Freiwilligen Feuerwehr und in diesem Frühjahr sollte der Jakob das Essen machen, wenn sich der Trupp beim Kirchenwirt treffen würde.

      „Dreißig, vierzig Mann und Anhang dazu“, murmelte der Jakob vor sich hin. „Dann werden das ja gleich mal sechzig, siebzig Leut‘“, staunte er.

      ***

      Der Jakob hatte sich ein paar größere Eimer zugelegt. Diese Investition musste schon sein, wo doch die Portionen immer mehr wurden, die er anzurichten hatte.

      Glucksend und schmatzend erbrach sich der Inhalt der Gläser in die neuen Plastikeimer, als er die Krautwickerl aus den großen Einmachgläsern in einen davon plumpsen ließ, in einem anderen Rinder- und Schweinegulasch mischte und in wieder einen anderen die breiige, braune Tomatensoße schüttete.

      In den Nachtisch-Eimer kippte er den Inhalt von sechzehn Kompottgläsern. Himbeeren, Heidelbeeren, auch Kirschen konnte er erkennen und Zwetschgen waren auch dabei. Und ein paar andere Beerenfrüchte, die er gerade nicht so genau kannte, passten farblich auch recht gut dazu. Während er die Masse im Eimer vorsichtig vermischte, musste er an Blutwurst denken und meinte, es dürfte ruhig etwas mehr sein. So schüttete er noch ein paar Gläser von den dunklen großen Beeren dazu. Dann schmeckte er sein buntes Fruchtkompott mit einer Flasche Marillenlikör ab, süßte noch ein wenig nach und war zufrieden mit seiner Nachspeise.

      „Seltsam