Stephan Lake

Palmer :Black Notice


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... Was haben Sie mit ihm angestellt?“

      War das Sorge in ihrer Stimme? Doc sollte beruhigt sein, nicht besorgt.

      Palmer schwieg.

      Sie sagte, „Egal. Ich werde meine Schwester anrufen. Jetzt gleich. Sie wird sich freuen und erleichtert sein. Palmer, danke.“

      Frauen nahmen ihre prügelnden Männer erstaunlich oft in Schutz, Palmer war sich daher nicht so sicher, dass sich Docs Schwester freuen würde. Er sagte, „Vielleicht weiß sie es schon, es ist bereits ein paar Tage her. Doc, ich brauche eine Antwort.“

      „Antwort?“

      Palmer beobachtete weiter seinen Trailer. Keine Bewegung davor, keine darin. Keine Geräusche. Der Auspuff war kalt.

      „In New York wurde ich beobachtet.“

      „Beobachtet?“

      „Und jetzt habe ich Besuch in meinem Trailer.“

      „Beobachtet von wem? Und welcher Besuch?“

      „Wer wusste noch von unserem Gespräch?“, sagte er. „Über Ihre Schwester, meine ich. Wer wusste noch davon?“

      Doc war einen Moment still, als wäre sie erstaunt über seine Frage. Oder musste sie über ihre Antwort nachdenken, weil sie nichts Falsches sagen wollte?

      „Niemand wusste davon“, sagte sie dann. „Nicht von mir.“

      „Ihre Schwester?“

      „Nein, meine Schwester weiß nichts von Ihnen. Ich habe ihr nichts gesagt. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, mir keine Notizen gemacht, nichts. Wie Sie es verlangt haben.“ Nach einem Moment, „Ich hoffe, Sie glauben mir.“

      Der Trailer, keine Bewegung davor, keine darin.

      Er legte das Fernglas in den Schoß.

      „Wir hatten nie Probleme miteinander, Doc, und jetzt? Der erste Kontakt nach langer Zeit und ich werde beobachtet an einem Ort, von dem niemand wusste, dass ich dort sein würde. Außer Ihnen. Und ich bekomme ungebetenen Besuch, obwohl ich nie Besuch bekomme. Ungebeten oder gebeten.“

      „Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Niemand weiß von unserem Gespräch.“

      Palmer war still.

      „Ich habe mit niemandem gesprochen, Palmer.“

      „Okay.“

      Doc sagte, „Wenn Sie schon mal in New York waren, hätten Sie bei mir vorbeischauen können. Ich hätte Sie zu einem Kaffee eingeladen oder so.“

      Palmer sagte, „Zu einem Kaffee?“ und überlegte, was sie mit Oder so meinte.

      Sie sagte, „Eine kleine Jubiläumsfeier, sozusagen.“

      „Jubiläumsfeier?“

      „Sie habens vergessen.“

      „Was vergessen?“

      „Nächsten Monat werden es zehn Jahre. Vor zehn Jahren haben wir uns das erste Mal getroffen, und bis heute das einzige Mal. Manila, in dem Straßenrestaurant.“ Sie sagte, „Ich dachte, wir hätten das feiern können.“

      Feiern?

      Er war wegen eines Jobs in Manila gewesen und saß bereits im Taxi auf dem Weg zum Flughafen, als Hellström anrief und von Doc erzählte, der Ärztin, Leiterin einer Hilfsorganisation im Süden der Philippinen. Die verzweifelt war wegen eines jungen Mädchens mit Namen Helen.

      Doc hatte erzählt, gefasst und ruhig zunächst. „Im Süden regiert der Clan der Ampatuans. Ihnen gehört alles. Das Land, die Geschäfte, die Menschen, einfach alles. Sie werden von der Regierung und der Polizei geschützt. Wer ihnen nicht gehorcht, der wird gelyncht, auf offener Straße, so dass jeder es sehen kann. Als Warnung. Frauen werden verschleppt und missbraucht, als Sklaven gehalten und manchmal einfach getötet. Aber sie werden nicht erschossen, nein, sie werden aufgeschlitzt. Philippinische Männer lieben ihre Messer.“

      Dann war ihre Stimme leise und zittrig geworden, und er hatte Tränen in ihren Augen gesehen.

      „Und jetzt ist ein Mädchen verschwunden. Helen. Ihr Name ist Helen. Sie ist siebzehn. Ich darf sie nicht suchen lassen, ich darf ihr nicht helfen, unsere Organisation verbietet solche Aktionen, verbietet jegliches aktives Vorgehen. Aber ich kann nicht zulassen, dass Helen auf grausame Weise missbraucht wird und stirbt. Ich kann das doch nicht einfach zulassen, Mister Palmer, oder? Das kann ich doch nicht.“

      Palmer war der Richtige für den Job, aber in jenem Moment haben sie beide nicht gewusst, dass es bereits zu spät war. Einen halben Tag früher, ein paar Stunden früher hätten vielleicht ausgereicht.

      Er war in den Süden geflogen und hatte mit seiner Suche begonnen. Bereits in derselben Nacht fand er Helen, in einer Hütte aus Blech und Holz außerhalb von Cotabato City, nackt auf einer Unterlage aus schmutziger Pappe, die sie als Bett benutzt hatte. Aufgeschlitzt. Blutig. Als er die Fliegen wegscheuchte, konnte er ihre Organe sehen. Herz, Leber, Magen.

      Er hatte sie nicht vergessen, die junge Helen, ihr Körper geöffnet wie bei einem Tier, das ausgenommen werden soll. Und liegengelassen als Warnung an andere.

      Er hatte sie zugedeckt mit einem zweiten Stück Pappe, es gab sonst nichts in der Hütte, und war losgegangen. Hatte an Türen geklopft und in Bars gefragt und Typen geschüttelt, den Rest der Nacht bis zum frühen Morgen. Dann hatte er sie gefunden. Drei Männer. Der Polizeichef des Distrikts und zwei seiner Leute.

      Das war zehn Jahre her. Was gab es da zu feiern?

      Er nahm das Fernglas und richtete es auf seinen Trailer. Keine Bewegung davor, keine darin.

      Sie sagte, „Ist auch nicht so wichtg, wir können auch ein anderes Mal feiern. Was werden Sie jetzt tun?“

      Er antwortete nicht.

      „Okay, dumme Frage.“ Sie zögerte. „Ich hoffe, Sie glauben mir“, sagte sie.

      In zehn Jahren hatte sie ihn nie gefragt, ob sie ihm glaubte.

      Und jetzt zwei Mal hintereinander.

      „Palmer?“

      Er legte auf.

      Ich habe mit niemandem darüber gesprochen. Niemand weiß von unserem Gespräch.

      Vielleicht. Aber jemand hatte ihn in New York gefunden.

      Und heute Mittag in Santa Fe.

      Und jetzt hier.

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