Helmut H. Schulz

Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms


Скачать книгу

außerordentlicher Mensch geworden, denn er besitzt große Qualitäten .. und so weiter. Woher die Dame ihr Urteil über Peter sowohl als auch über Russland nahm, es sei denn aus dem Journal, ist ihr Geheimnis. Peter war allerdings ein außerordentlicher Mensch, auch ohne eine bessere, das heißt, eine französische Erziehung. Zurück zu unserem jungen Paar.

      Die Ehe wurde eine Katastrophe. Es begann bei Kleinigkeiten. Sophie Charlotte weigerte sich zum Beispiel, ihren Hofdamen den in Berlin üblichen Kuss zu gewähren. Dies mochte noch hingehen. Schwerer wog, dass ihr Schwiegervater, der Große Kurfürst, wie auch die Schwiegermutter Dorothea, keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen das junge, eingebildete und schrecklich verzogene Ding machten, das alle Augenblicke nach Hannover entfloh, zu seiner geliebten Mutter, die den Kurfürsten bitter hasste, von deren unheilvollem Einfluss sie sich nie befreit hat. Kehrte sie nach Berlin zurück, so zeigte sie den neuen Verwandten eine brüskierend offene Verachtung. Aber auch die Kurfürstin Dorothea verstand es auszuteilen. Trotz der Schwangerschaft Sophies, die pünktlich eintrat, zum Zeichen der elementaren Fähigkeiten des prinzlichen Gatten, wie dem Willen der Gegenpartei, die vertraglichen Verpflichtungen durch körperliche Preisgabe einzuhalten, erging sich diese Dame in Anspielungen. Dorothea ging so weit, in Hofkreisen die Jungfräulichkeit ihrer Schwiegertochter zur Zeit der Eheschließung anzuzweifeln, und verletzte mit dieser üblen Nachrede nicht nur die junge Frau, sondern noch mehr ihren Stiefsohn, dessen Eitelkeit unter der Vorstellung litt, von den Verwandten seiner Frau um die Jus prima noctis übel betrogen worden zu sein. Andererseits mag er selbst einiges zur Urheberschaft des Gerüchts beigetragen haben. Der Nervenkrieg ging weiter, als bei einer Erkrankung Friedrichs 1686 wiederum die Vergiftungsvariante aufgetischt wurde. Der Kurfürst selbst lag schwer darnieder, so schwer, dass eine dauernde Besserung seines Zustands nicht erwartet werden durfte. Abermals griff Danckelmann ein und machte sich durch einen kleinen Eingriff, angeblich gegen die Anweisung der Ärzte, neuerlich unverzichtbar, als er den Prinzen zur Ader ließ. Man sieht, dieser treffliche Mann schreckte vor keiner Gefahr zurück. Der sogenannte Aderlass, das Öffnen einer Armvene und die Entnahme einer bestimmten Quantität Blut, galt als wichtigstes Mittel bei Bluthochdruck, Fieber und inneren Leiden, die man nicht diagnostizieren konnte. Der Prinz glaubte jedenfalls fest daran, dass ihn sein Mentor wiederum vorm Tode gerettet hat. Danckelmann konnte dieses unbedingte Vertrauen des Prinzen nur gelegen kommen.

      Im Alter von fünf Monaten starb der Sohn, den Sophie zur Welt gebracht hatte, was ebenfalls auf verabreichtes Gift zurückgeführt wurde; allmählich wuchs sich die Giftmanie am Berliner Hof zu einem regelrechten, aber politisch höchst nützlichen, wenn auch völlig paranoiden Wahn aus. Darauf flüchteten Friedrich und Sophie nach Köpenick in das öde und ungastliche Schloss. Falls es die Absicht des Erbprinzen gewesen ist, hier, in der sicheren Entfernung zum Hof, auszuharren, so machte ihm Sophie Charlotte einen Strich durch die Rechnung. Sie entschied kategorisch, ihr nächstes Kind unter keinen Umständen in Köpenick oder in Berlin zur Welt bringen zu wollen, und es gelang ihr, ihren Gatten, das Mannikin, dahin zu bestimmen, mit ihr nach Hannover zu flüchten. Der Schwangerschaften waren stets viele unter fürstlichen Dächern, und die eigentliche Aufgabe der Ehefrauen von Erbprinzen war das Kinderkriegen. Friedrich gab nach, die Reise ging also wieder zur Mama; indessen kam der nächste Sohn noch auf der Reise nach Hannover zur Welt, und zwar tot. So kam man denn endlich in Hannover an, erschöpft, von Angstfurien gehetzt und ratlos, wie es nun weitergehen sollte. Die Mutter Sophies war fleißig damit beschäftigt, der Vorstellung Raum zu schaffen, ihre Tochter, wie der in ihren Augen alberne Schwiegersohn, das Mannikin, seien zu Berlin durch Giftanschläge auf ihr Leben äußerst gefährdet. Sie setzte den Verdacht spitzzüngig berechnend verbal um, in Berlin mische die Kurfürstin Gift, schüfe poudre de la succession, also etwa Erbpulver. Wochen verstrichen, der schwerkranke Große Kurfürst bestand auf Rückkehr des Paares aus der Emigration in die Residenz. Ohne Erfolg, das junge Paar trotzte sogar dem Befehl des Herzogs Ernst August, der einsah, dass er die beiden nicht länger bei sich zurückbehalten durfte, ohne Komplikationen mit Blick auf seine Lieblingsidee, dereinst Kurfürst zu werden, heraufzubeschwören. Neu lebte das Gerede von der Giftmischerei in Berlin wieder auf, als Friedrichs jüngerer Bruder Ludwig, eben einundzwanzig Jahre alt, nach der Teilnahme an einem Ball plötzlich und anscheinend rätselhaft ursachenlos verstarb. In den Räumen der Kurfürstin soll er am Vorabend eine Orange verzehrt haben, die, natürlich vergiftet, dem jungen Mann einen raschen und grausamen Tod brachte. Das Gerücht, Dorothea habe Ludwig ermordet, fand seinen Hintergrund in der Tatsache, dass sich die Kurfürstin seit langem offen um die Ehe ihres und des Kurfürsten Sohnes Philipp und einer oranischen Prinzessin bemühte. Dazu musste Ludwig ausgeschaltet werden, der selbst für diese Allianz in Aussicht genommen worden war. Schließlich stellte es sich heraus, dass der junge Mensch einfach vom Scharlach hingerafft worden war. Kaum war diese Affäre beigelegt, erkrankte der Erbprinz, noch in Hannover, weit weg, was wiederum auf die heimtückische Beigabe von Gift in seinen Speisen zurückgeführt wurde. Überall lauerte eben Gift. Panisch geängstigt entfloh Friedrich mit seiner berechnenden Sophie Charlotte, die alles wollte, nur nicht zurück ins Berliner Schloss, nach Karlsbad, damals schon Kurbad. Wahrscheinlich wäre sie mit ihm bis ans Eismeer gegangen, hätten es ihr die Umstände, wie sie sich ihr darstellten, abverlangt.

      Für die Unschuld der Kurfürstin spricht übrigens etwas anderes als das bloße Fehlen jeden Beweises ihrer Mordabsicht, wenngleich solche Beseitigungen unbequemer Konkurrenten an Renaissancehöfen Regel gewesen sein mögen, zumindest in Italien und hundert Jahre zurückdatiert. Es ist die Psyche der Giftmischerin, der das Gift für gewöhnlich mehr Mittel eigener Macht ist, als dass sie festbegründete, zielgerichtete Absichten mit dem einzelnen Anschlag verbindet. Der Charakter einer Brinvilliers, die 1676 hingerichtet wurde, weil sie ihren Vater und zwei Brüder mit Gift beseitigt hatte, um sich des Vermögens der Familie zu versichern, zeigte beide Seiten dieser Psyche: Habsucht und Machtgier. Feuerbach hat dies alles an Hand eines deutschen Giftmischerfalls so schön dargelegt, dass wir damit vortrefflich Bescheid wissen, und jedermann kann bei ihm und natürlich auch anderswo nachlesen und ganz beruhigt sein, wenn er seine Gattin mit unbekannten Ingredienzien hantieren sieht, die sie ihm zur Beruhigung seiner Magennerven empfiehlt, Lehn dich zurück und trink, mein Freund! Schluck in aller Ruhe den Ehetrank! Arsen wird es nicht sein, was dir bitter schmeckt! Wie jede Frau besitzt auch die deinige eine Reihe von Mitteln, dir das Dasein zu versüßen wie zu versalzen! Nimm es hin! Sei ein Mann, was derzeit zu sein nicht ganz leicht fällt!

      Der Fall Brinvilliers hat in Europa erhebliches Aufsehen verursacht, und den Hannoveranern passte er gut in den Kram, falls sie nicht, was sehr wahrscheinlich ist, einer allgemeineren Hysterie erlegen sind. Man halte sich aber das Leben der Kurfürstin vor Augen: vielfache Mutter, Gattin eines schwierigen, häufig kranken Mannes, den sie meist auf seinen Reisen und Feldzügen begleitete und pflegte, häusliche, familiäre Sorgen in Menge. Wo ist da Platz für dauernde hinterlistige und heimtückische Anschläge, die einen großen Kreis an Mitwissern voraussetzen? Um sich Einfluß zu verschaffen, um sich gegen die kindische Auflehnung der Söhne ihres Gemahls aus erster Ehe, die ihr das Leben wahrlich schwer genug gemacht haben, und sie fand die Knaben ja nicht mehr als Kleinkinder vor, musste sie nicht zum Gift greifen, um sich zu behaupten. Sie besaß das Vertrauen des Großen Kurfürsten, sie hat ihn zu lenken und zu nehmen verstanden; sie mag vielleicht ein bisschen überdreht, sie mag beschränkt und sogar dumm gewesen sein, eine Gifthexe war sie nicht. Übrigens hat der Kurfürst, selbst wankelmütig und aufbrausend, nie die Schwäche gezeigt, auf derartige Ohrenbläserei zu hören.

      Aber zurück nach Karlsbad, wo sich gerade unser Paar befindet, um die nächsten Schritte zu beratschlagen. Man kam darin überein, und der Prinz ließ diese Entscheidung seinem Vater zukommen, dass man zu Lebzeiten der Giftmischerin nicht nach Berlin zurückkehren werde. Dazu bat der Prinz noch um die Erlaubnis, das heißt wohl, vor allem um die Apanage, also die nötigen Geldmittel, einen eigenen Hof zu installieren. Über die Klage wegen des angeblich ermordeten Bruders Ludwig ging der Große Kurfürst schweigend hinweg. Bei all diesen Aktionen und Winkelzügen war der getreue Danckelmann zur Stelle, mit Brechmittel und Lanzette, Briefe schreibend, beratend, wissend-allwissend, ehrgeizig darauf hinarbeitend, in die hohe, in die höchste Politik zu kommen, was