Helmut H. Schulz

Glanz und Elend der Friedrich - Wilhelms


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bezogen hätten. Ferner musste Kaiser Leopold I. zu Wien gewonnen werden, der sich der geplanten Annullierung des Testaments widersetzte und auf den strickten Vollzug drängte. Zugute kam dem Thronfolger eine höchst verwickelte Gebietsfrage, die schon den Großen Kurfürsten beschäftigt hatte: die Frage Schwiebus, ein Zipfelchen Land in der Nordwestecke Schlesiens, auf das alle Ansprüche erhoben. Daran hing die weit größere Frage Schlesien, die später zu den Kriegen Friedrichs II. führte. In den letzten Lebensjahren des verstorbenen Kurfürsten hatte sein Sohn, wie jener schon geargwöhnt, hinter seinem Rücken mit dem österreichischen Gesandten, einem Herrn von Fridag, vereinbart, gegen die Zahlung von 10 Tsd. Dukaten das Zipfelchen Schwiebus an den Kaiser zurückzugeben, nach dem Ableben Friedrich Wilhelms, versteht sich. Warum Friedrich um ein paar Dukaten willen sich eines solchen Vorteils begab, ist in der Tat nicht ganz verständlich. Allein es erwies sich, dass Friedrich sozusagen eine Anlage in die Zukunft gemacht hatte, als er sich mit dem Kaiser gut stellte. Er soll selbst später zugegeben haben, dass er den Kern der ganzen Frage Schwiebus, Schlesien überhaupt nicht verstanden habe. Mit dem Tode Friedrich Wilhelms trat jedenfalls prompt der zuvor vereinbarte Rückgabefall ein, wie der Vertrag vorsah. Brandenburg sollte Schwiebus dem Kaiser wieder herausgeben, das, nebenbei gesagt, nie in Wirklichkeit an Brandenburg ausgereicht worden war, was den Fall noch grotesker macht, als er schon ist. Die teure Gemahlin Sophie Charlotte drang sehr in den Gatten, zum Vertrag zu stehen, da sie hoffte, für ihren Papa die Kurfürstenwürde bei dieser schönen Gelegenheit zu ergattern. Friedrich weigerte sich; erst 1695 erteilte der Kaiser den Dispens, das Testament zu annullieren. Der neue Kurfürst reichte gegen eine Kostenerstattung von 250 Tsd. Gulden, die Brandenburg angeblich in Schwiebus investiert haben wollte, das Ländle zurück.

      Während all dieser mehr oder minder normal schmutzigen Geschäfte seines Sohnes, der einen ausgezeichneten und durchtrieben rechtsstaatliehen Politiker der Neuzeit abgegeben hätte, hielt sich der Große Kurfürst handlungsunfähig und krank zu Potsdam auf; vom Jahre 1684 meist im Bett oder im Stuhl. Der sterbende Löwe befasste sich mit der Frage des Lebens nach dem Tode, kam aber, wohl wie alle anderen auch, zu keinem Schluss; wie es heißt, soll er darin Trost gefunden haben, ... sich zu den Auserwählten ... zu rechnen. Untersuchen können wir dies nicht, stellen aber auch nicht in Abrede, dass es diesem Großen Kurfürsten an einem Nachfolger mangelte. Schließlich schickte er sich in das nicht Abzuwendende und fand zu seiner menschlichen Würde zurück, wie es nicht allen Sterbenden gelingt, er segnete seine Gattin, die ihm bald nacholgte, ermahnte die Familie, sich um alle Flüchtlinge und religiös Verfolgten zu kümmern, womit er bis in die heutige Zeit erfreulich herüberreicht, und verschied. Er hinterließ einen König, aber was für einen, den König in Preußen.

      KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I. VON PREUSSEN

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       KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I. VON PREUSSEN

       LEBENSDATEN

       König Friedrich Wilhelm I. von Preußen

      *14.8.1688 in Cölln/Spree, † 31.5.1740 in Potsdam

       Eheschließung:

      28.11.1706 mit Sophie Dorothee von Hannover

      *26.3.1687 in Hannover, † 28.6.1757 in Berlin

       Nachkommen

      Friedrich, Prinz von Oranien

      *23.11.1707, † 13.5.1708

       Wilhelmine

      *3.7.1709, † 14.10.1758

      Friedrich Wilhelm, Prinz von Oranien

      *16.8.1710, † 31.7.1711

      Friedrich, der spätere König

      *24.1.1712, † 17.8.1786

       Charlotte

      *5.5.1713, † 10.6.1714

       Friederike Luise

      *28.9.1714, † 4.2.1784

       Philippine Charlotte

      *13.3.1716, † 16.2.1801

       Karl

      *2.5.1717, † 31.8.1719

       Sophie

      *25.1.1719, † 13.11.1765

       Luise Ulrike

      *24.7.1720, † 16.7.1782

       August Wilhelm

      *9.8.1722, † 12.6.1758

      Amalie, Äbtissin von Quedlinburg

      *9.11.1723, † 30.3.1787

       Heinrich

      *18.1.1726, † 3.8.1802

       Ferdinand

      *23.5.1730, † 2.5.1813

       KÖNIG FRIEDRICH WILHELM I. VON PREUSSEN

      Gelegentlich, nicht immer, häufen sich Kalenderdaten zu einem Gebirge, das wir im Nachhinein als geschichtsträchtig erkennen. Am 18. Januar 1701, in seinem Krönungsjahr, ist Friedrich, als Kurfürst Friedrich III., nicht ganz 44, Sophie Charlotte, seine Gemahlin, zählt 33 Jahre, und der Große Kurfürst, im Mai des Jahres 1688 in Potsdam verstorben, dreizehn Jahre tot. Im gleichen Jahr, einige Monate nach dem Tode des Großen Kurfürsten, wird Friedrich Wilhelm, der Reihenfolge nach zweiter König in und von Preußen, geboren. Was aber ist noch geschehen? Im Jahr vor der Krönung marschieren sächsische Truppen in Livland ein, nämlich im Februar 1700; im Juni besiegt ein Bürschlein von einem schwedischen König, nicht einmal zwanzig Jahre alt, mit Namen Karl XII., in einem Blitzkrieg die Dänen. Zar Peter I., auch noch kein Methusalem, und seit kaum vier Jahren Alleinherrscher aller Russen und Reußen, hat den ersehnten Frieden mit den Türken erlangt und lässt seine Truppen im August 1700 ebenfalls in Livland einfallen. Inzwischen ist Sachsen geschlagen, was Peter zu dem wütenden Ausbruch veranlasst, August hätte sich an die Front begeben sollen, anstatt bei seinen Weibern herumzuliegen. Um Peters Armee ist es allerdings auch nicht sonderlich bestellt, im Grunde besitzt er nur seine Garden, die Preobraschenzen zuoberst, und ein paar eilig zwangsgezogene Muschiks, mit denen er -ebenfalls bei Abwesenheit- seine Generale im November vor Narva eine der schrecklichsten, der blamabelsten Niederlagen einhandeln lässt. Das heißt, wir stecken mitten im Nordischen Krieg, nach dem wir gerade den neunjährigen im Westen mit Ach und Krach beendet haben, wir Europäer. Allerdings, Schweden ist nicht nur die Großmacht im Norden, es besitzt nicht nur die bestgerüstetste, kampfbereiteste Armee, sondern auch einen charismatischen Knaben von König, der sich für Alexander den Großen und für Cäsar hält. Selbst auf seinen Feldzügen schleppt dieser jugendliche Asket des Krieges die Biographien seiner Vorbilder mit sich herum, um gegebenenfalls darin nachzulesen, was er richtig und was er falsch gemacht hat. Alle Taktiker jener Zeit gewinnen ihre Schlachten in der Mehrzahl durch den Angriff, ausgenommen die Franzosen, deren Festungsbau eine Kunst geworden ist. Karl XII. kennt überhaupt nur eine Taktik: den Angriff mit blanker Waffe ohne jede Verzögerung. Und er verfügt über gewisse Lebensregeln, die er stets befolgt: die eine soll ihn zwischen gerechten und ungerechten Kriegen zu unterscheiden lehren - eine damals weit verbreitete Anschauung unter königlichen Heerführern -, die andere geht dahin, eine Sache, auch die verzweifeltste, niemals aufzugeben. Noch gibt es keine Armee in Europa, die dem Angriff der schwedischen Garden standgehalten hat. Und es wird auch am Ende dieses Krieges keine geben, es wird nie eine Armee erwachsen,