Katja Decher

Loop - das Leben feiern


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»Sind wir ja auch, aber so ein bisschen Gras ist doch nicht schlimm«, sagt Naomi. Tino schnaubt nur. »Was hat Lemon denn in letzter Zeit dauernd mit diesem Mario zu schaffen?«, fragt Tari. Naomi zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung, was sie von dem Druffi will. Ich finde es auch komisch, aber na ja.« »Sag mal, hast du eben so einen Typen rauskommen sehen, mit langen, bunten Haaren, brauner, weiter Hose und einem ärmellosen Shirt?« »Nö, wieso?« »Der sah echt hammergeil aus, ich muss unbedingt wissen, wer das ist!« »Wir schauen nächste Woche nach ihm, okay? Hast du ihn echt vorher noch nie gesehen?« »Hast du dich verknallt, oder was?« Tino grinst breit. »Ach, Quatsch!«, sagt Tari und wirft den Jointstummel auf den Boden. Die beiden Mädchen steigen ein. »Lemon!!«, schreit Tino über den Parkplatz, sodass Jannis zusammenzuckt. »Jetzt komm endlich!« »Jaa-haaaa …«

      Während der Fahrt kuschelt Tari sich vorsichtig an Naomis Schulter. »Du«, flüstert sie ihr zu. »Ich glaube, ich habe mich wirklich verliebt …« Da gibt es plötzlich einen Ruck, und alle werden nach vorne in die Gurte geworfen. »Tino!!!« »Sorry, den habe ich nicht gesehen, da half nur noch eine Vollbremsung, he, he.« »Oh, Mann«, stöhnt Naomi. »Vielleicht fährst du zur Abwechslung einfach mal etwas langsamer ...« »Ach, Schwachsinn! Komm schon, sonst machst du dir doch auch nie Sorgen bei mir im Auto, oder?« Tino greift nach hinten nach Naomis Hand, aber sie entzieht sie ihm. »Guck lieber auf die Straße!« Eine Weile schweigen sie alle. »Naomi«, flüstert Tari dann wieder. »Ja?« »Ich habe das eben ernst gemeint, so was habe ich noch nie gefühlt …« »Ach, Mäuschen …«

       Sterne gucken

      Sie liegen auf einer Decke, die sie über Motorhaube und Windschutzscheibe des Autos gebreitet haben, Tari in der Mitte, Jannis rechts, Naomi links von ihr, und schauen hinauf in den Nachthimmel. »Ist das nicht echt schön?«, fragt Jannis. »So viele Sterne wie heute sieht man sonst selten.« »Ja«, seufzt Tari, und Naomi gluckst. »Hach, ihr seid aber romantisch heute Abend …« »Darauf trinken wir«, sagt Jannis, und sie lassen ihre Bierflaschen aneinander klingen. In der anschließenden Stille sind nur die zirpenden Grillen zu hören und, ganz leise, ein Plätschern: Der leichte Sommernachtwind bewegt sacht das Wasser des Sees, an dessen Ufer das Auto steht. »Der Himmel sieht aber wirklich wunderschön aus«, sagt Tari schließlich. »Vielleicht sehen wir ja auch eine Sternschnuppe …« »Und dann wünschst du dir den Typ vom Wochenende hierher statt Jannis und mich, oder? Das wäre doch eine super Gelegenheit, um sich endlich entjungfern zu lassen!« »Naomi!!!« »Was denn?« Naomi lacht. »Du bist 16, da wird’s ja wohl mal Zeit. Und so scharf wie du auf ihn bist? Du redest doch die ganze Zeit von ihm.« »Sag doch einfach, wenn es dir auf die Nerven geht.« »Ach, Quatsch, jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt.« Naomi kuschelt sich noch näher an Tari ran. Jannis räuspert sich. »Möchtest du auch etwas sagen, Jannis? Nur zu, trau dich!«, feixt Naomi. »Das erste Mal sollte schon etwas Besonderes sein, oder?«, sagt er. »Deshalb ist es doch okay, sich Zeit damit zu lassen.« »Und wie lange hast du dir Zeit gelassen? Oder wartest du etwa immer noch auf die Richtige dafür?? … Nee, oder?« Die Mädchen schauen ihn neugierig an, aber Jannis trinkt von seinem Bier und schweigt. »Nun sag doch mal …« Jannis schweigt weiter. »Meine Güte, ihr beiden seid ganz schön verklemmt!« »Ich bin überhaupt nicht verklemmt«, empört sich Tari. »Aber es kann sich ja nicht jeder mit 14 an einer Hauswand stehend entjungfern lassen.« »Echt, so war das bei dir?« Jannis setzt sich auf und guckt Naomi an. »Mit wem denn?« »Na, mit so einem Typen, mit dem ich damals zusammen war. Ich wollte das erste Mal eben endlich hinter mir haben und richtig loslegen …« »Und du hast ihn geliebt«, sagt Tari. Naomi schnaubt und nimmt einen Schluck Bier. »Ja«, sagt sie leiser. »Ich habe ihn geliebt.« »Und was ist dann passiert?«, fragt Jannis. »Ihrem Vater hat es nicht gepasst, dass Marcel so viel älter war als sie. Er …« »Ach, meinem Vater passt doch nie jemand, mit dem ich zusammen bin. Er macht doch jedes Mal so einen Aufstand.« »Ja, aber bei Marcel …« »Können wir jetzt vielleicht mal das Thema wechseln? Hast du mal 'ne Kippe?« Tari tastet in der zaghaften Helligkeit, die es von den Sternen und der schmalen Sichel des zunehmenden Mondes bis zu ihnen hinunter geschafft hat, nach ihrer angebrochenen Schachtel. »Hier.« »Danke!« Für einen Moment erhellt der warme Schein der Feuerzeugflamme Naomis Gesicht, dann kehrt die Nacht zurück. »Bevor wir über etwas anderes reden, sollten wir aber noch mal anstoßen«, sagt Jannis. »Auf das insgeheim doch romantische Herz der Naomi Schilling!« Er hält seine Bierflasche hoch und grinst Naomi an. »Keine Sorge, ich verrate es niemandem.« »Ha, ha!« Sie stoßen an. »Sag es vor allem nicht Tino«, sagt Tari. »Sonst verliebt er sich noch rettungsloser in Naomi, als er es sowieso schon ist.« »Oh Mann, wollten wir nicht das Thema wechseln?« Naomi bläst den Rauch in die Luft und guckt in die Sterne. Auch Jannis lehnt sich wieder zurück, und alle drei schauen erneut in den Himmel.

      »Wünschen kannst du dir doch immer etwas, Tari, auch ohne Sternschnuppe«, sagt Jannis nach einer Weile. »Wichtig ist nur, dass du daran glaubst.« »Hmmm.« »Und, was wünschst du dir?«, fragt Naomi. »Dass statt euch der Typ von Sonntag jetzt hier ist …« Sie prusten los. Als sich ihr Lachen wieder beruhigt hat, sagt Tari: »Ich wünsche mir, dass er am Samstag wieder im ,Loop‘ ist. Und dass er mich anspricht. Oh Mann, ihr müsst ihn sehen, er sieht so toll aus …« »Und das ist mein Stichwort.« Naomi rutscht von der Motorhaube und wirft ihren Zigarettenstummel in hohem Bogen ins Gras, sodass er für einen Moment lang aussieht wie ein abstürzendes Glühwürmchen. »Was machst du denn?? Ich dachte, ich nerve dich nicht …« Naomi grinst. »War nur Spaß, ich muss einfach dringend pinkeln.« »Soll ich mitkommen?«, fragt Tari. »Nicht, dass du dich verläufst«, feixt Jannis. »Ha, ha, nee, danke, das kriege ich gerade noch alleine hin.« Naomi geht ein paar Schritte weg vom Seeufer in Richtung einer Gruppe Bäume. »Könnt ihr mich noch sehen?«, ruft sie dort angekommen. »Zumindest können wir dich noch hören«, gibt Jannis zurück und lacht. »Okay, dann ist es nicht weit genug«, sagt Naomi und lacht auch. »Ach, stell dich doch nicht so an«, ruft Tari, aber das Dunkel hat ihre Freundin nun verschluckt. Tari zuckt mit den Schultern und rückt ein Stück zur Seite, sodass Jannis mehr Platz hat. »Was ist denn nun so toll an dem Typen? Du hast ihn doch erst einmal gesehen.« »Ach, ich weiß auch nicht. Ich glaube echt, das war Liebe auf den ersten Blick. Glaubst du an so was?« »Ich weiß nicht. Passiert ist es mir noch nicht. Aber die Vorstellung hat schon was.« Für einen Moment schauen sie still nach oben. Die Sterne über ihnen funkeln in all ihrer Vielfalt, verheißungsvoll und zum Greifen nah. »Was wünschst du dir, Jannis?« »Keine Ahnung.« Er trinkt noch mal und lässt dann die leere Bierflasche neben dem Auto ins Gras plumpsen. »Vielleicht, dass wir für immer hier so liegen bleiben können.« »Oh ja, das wäre schön«, sagt Tari und lehnt ihren Kopf an Jannis‘ Schulter. »Ich habe so was von keinen Bock auf Schule morgen.« »Sei doch froh, du musst wenigstens nicht arbeiten.« »Ist es immer noch so schlimm mit deinen Kollegen?« Jannis nickt. »Scheiße. Du Armer! Erzähle mal.« »Nicht jetzt, Naomi kommt ja gleich wieder«, winkt er ab. »Und ich quatsche dich eh ständig damit voll …« »Das macht doch nichts, das kannst du immer, das weißt du! Aber ich habe dir schon so oft gesagt, dass du dir Hilfe bei deinem Chef suchen musst! Ich mache mir Sorgen um dich. Das kann doch nicht sein, dass die dich so fertigmachen!« Tari hat sich aufgesetzt, während sie auf ihren Freund einredet. Jannis‘ Gesicht hat sich verdüstert. »Ach Tari, dann kriegen das doch alle mit. Das wäre voll peinlich! Und der Chef redet bestimmt mit meinem Vater, was meinst du, was dann los ist. Der flippt aus, wenn er mitbekommt, dass ich mich mal wieder nicht durchsetzen kann.« Tari seufzt und streichelt seine Hand. »Und was sagt Tino dazu? Der kennt die doch auch alle, oder?« »Ach, mit dem kann ich darüber nicht reden.« »Hmm. Dann weiß ich auch nicht.« Einen Moment lang schweigen sie. Dann sagt sie: »Na ja, aber Donnerstag hast du ja Berufsschule, da sehen wir uns. Und dann ist auch fast schon Wochenende. Was machen wir eigentlich am Freitag?« »Ich weiß nicht. Playstation zocken bei dir?« »Ist denn sonst nichts los?« »Was soll in dem Kaff hier schon los sein?« Jannis lächelt. »Aber so können wir unsere Kräfte sparen für den Väth am Samstag.« »Na, ich weiß nicht. Mal sehen«, sagt Tari, lächelt aber zurück. »Wenn wir erst mit der Scheiß-Schule fertig sind, können wir alle zusammen nach Kassel ziehen, und dann gehen wir jeden Abend ins ,Loop‘!« »Das hat gar nicht jeden Abend auf.« »Na, egal, dann gehen wir woanders hin, da gibt es doch genug Gelegenheiten. Das wäre doch genial, oder? Wir alle zusammen in einer WG, mit Lemon