Salvatore Algieri

Die Katzen des Sallust


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die aus den Provinzen nach Rom eintrudelten, fehlte es nicht an finanziellen Mitteln, die nach einer Verwendung suchten.

      Rom konnte sein inzwischen enorm gewachsenes Territorium nicht allein mithilfe von Soldaten beherrschen. Eine glänzende Leistung der römischen Politik war die Einbindung der lokalen Herrscher in die Kontrolle ihrer Völker. Die römischen Historiker (inklusive Sallust) versuchen gerne, den Eindruck zu erwecken, als hätten sich die Völker des Mittelmeeres und des Orients nichts anderes gewünscht, als Untertanen von Rom zu werden. Wahr ist, dass der Ruhm der römischen Kultur eine gewaltige Anziehungskraft auf diese Völker ausübte, aber letztlich war es das handfestere Argument der militärischen Überlegenheit, das die lokalen Könige zur Kooperation bewegte. Am Ende war es für beide Seiten ein guter Deal: Die Könige konnten ihre Autorität als Spiegelung der römischen Macht weiter ausüben, solange die Römer von den Reichtümern ihrer Länder profitieren konnten, entweder in Form von Goldminen oder von Steuern. Gewöhnlich rühmt man die Römer für ihr militärisches Können und für ihre Leistungen im Ingenieurbereich (Aquädukte, Straßenbau!), doch eine Kunst, in der die Römer wahre Meister waren, war das Eintreiben von Steuern aus den Taschen der besiegten Völker. Schon damals hatte der Staat die Vorteile der Privatisierung entdeckt: Anstatt eine umfassende Bürokratie aufzubauen, überließ man das Eintreiben von Steuern dem privaten Sektor. Pachtverträge wurden öffentlich versteigert, Scharen von Geschäftsleuten boten sich für diese lukrative Tätigkeit an. Um die Effizienz zu steigern, haben sich diese Publicani in Finanzkonzernen organisiert (Societates publicanorum). Die Provinzbewohner wurden erbarmungslos geschröpft; insbesondere im Orient war die Quelle des Reichtums unversiegbar. Plutarch berichtet über die Provinz Asien, die

       von unsäglichem und unglaublichem Leid heimgesucht war, indem sie von den Steuerpächtern und Wucherern ausgeräubert und geknechtet wurde. Die einzelnen Bürger wurden gezwungen, wohlerzogene Söhne und jungfräuliche Töchter, die Gemeinden Weihgeschenke, Gemälde und Götterstatuen zu verkaufen. 4

      Es gab genug für alle: die Eintreiber, die römischen Verwalter und die Senatoren in Rom, die ein Auge zudrückten; alle bedienten sich aus ein und demselben Topf. Aber manchmal trafen die geschundenen Völker auf einen einsichtigen Herrscher, wie Lukullus, der einen „Schuldenschnitt“ verordnete:

      Erstlich durfte nur ein Prozent und nicht mehr auf die monatlichen Zinsen berechnet werden. Zweitens annullierte er die das Kapital übersteigenden Zinsen; und die dritte und wichtigste Bestimmung war, dass der Gläubiger nur den vierten Teil der Einkünfte des Schuldners in Anspruch nehmen dürfe.5

      Es waren hauptsächlich die Völker des Orients, von denen das meiste Gold eingetrieben wurde. Ab und an aber wurde es den lokalen Königen doch zu viel, woraufhin sie jede sich bietende Gelegenheit ergriffen, um es den Römern heimzuzahlen. Einer dieser Herrscher, dem irgendwann der Kragen platzte, war Mithridates, König von Pontos. Er lässt uns klar und deutlich in einem von Sallust zitierten Brief wissen:

      Die Römer haben einen einzigen Grund, um auf alle Nationen und Könige Krieg zu bringen, nämlich eine unersättliche Gier nach Macht und Reichtümern. Sie schmeicheln erst den Königen mit ihrer Freundschaft, machen sie zu Wächtern der eigenen Völker und dann degradieren sie sie mit ihren Erniedrigungen und Steuertreibereien, sodass aus Königen die elendsten Sklaven werden.6

      Rom musste sich mit diesem Herrn in drei Kriegen auseinandersetzen, bis es Pompeius (im Jahr 63 v. Chr.) schließlich gelang, mit ihm definitiv Schluss zu machen. Im zweiten Krieg allerdings brachte Mithridates den römischen Gesandten Manius Aquillius in seine Gewalt, woraufhin er sich eine anschauliche Unterrichtsstunde für die römische Öffentlichkeit ausdachte, die unter der Überschrift Ohne Worte stand. Er ließ den armen Aquillius unter dem Gejohle der Zuschauer durch die Straßen von Pergamon schleifen und ihm im Anschluss daran, sozusagen als Krönung der Veranstaltung, geschmolzenes Gold in den Rachen gießen. Aquillius erstickte also regelrecht an Gold.7

      Es ist erstaunlich, wie sehr die römische historische Literatur von Schuldenaffären geprägt ist: junge Männer mit glänzenden Aussichten, die in die Hände von Kredithaien gelangen; Selbstmorde infolge zu hoher Schulden; Rausschmiss aus schmackhaften Ämtern wegen – tatsächlicher oder vermuteter – Überschuldung. In der Geschichte der Wahlen für die römischen Ämter spielt die Bestechung derjenigen, die bis zum Hals in Schulden steckten, eine wichtige Rolle. Sallust selbst hatte ebenfalls mit Schuldenproblemen zu kämpfen.

      Aber in der Politik kann man ohne solide Allianzen nichts bewegen. Heute ist die quantitative Komponente vielleicht wichtiger geworden: Auch ein Politiker, der nicht in allen „richtigen“ Kreisen zu Hause ist, kann, sofern er in den Kommunikationskünsten bewandert ist, mithilfe des Internets Millionen von Menschen dazu bewegen, zur Wahl zu gehen oder durch die Straßen zu marschieren. Aber damals war die Qualität der Unterstützer besonders wichtig: Sie mussten reich sein und am besten aus einer angesehenen Familie stammen, die schon ein paar Konsuln hervorgebracht hatte und ausreichend Klienten mobilisieren konnte, sprich: eine Partei organisieren konnte. Ein Meister der Parteibildung war, ohne Zweifel, Caesar.

      In den kritischen Jahrzehnten zwischen Sulla und Augustus (circa 80 bis 30 v. Chr.) waren Pompeius, Cato, Antonius, Caesar und Cicero die Hauptakteure der römischen Politik; Sallust hat nur eine Nebenrolle gespielt und hauptsächlich mit den beiden Letzten zu tun gehabt, zumindest wenn wir uns an die spärlichen noch erhaltenen Berichte der Historiker halten. Werfen wir also einen Blick auf diese drei Männer, die sehr unterschiedliche Rollen in der römischen Politik gespielt haben.

      Sallust und Cicero vereint ein ziemlich ähnlicher Lebenslauf. Beide stammten aus unbekannten Familien und haben sich nur durch ihre eigenen Qualitäten eine herausragende Position in der römischen Gesellschaft erkämpft. Beide sind heute für ihr literarisches Werk bekannt, hätten sich aber mit Sicherheit gewünscht, auch aufgrund irgendwelcher Heldentaten zur Rettung des Staates Berühmtheit zu erlangen. Cicero wurde nach der Catilina-Affäre zwar als Retter der Republik bejubelt, danach jedoch ging er dem jeweils aktuellen Herrscher (sei es Caesar oder Octavian) nur auf die Nerven. Ein Held waren weder Sallust noch Cicero, auch wenn Sallust in der Armee Caesars gekämpft hat. Sie setzten ihre rhetorische Begabung ein, doch sobald es um das Thema Machtergreifung ging, mussten sie vor den wahren politischen Füchsen die Waffen strecken.

      Auch Cicero kam aus einer bergigen, abseits von Rom gelegenen Gegend. Er wurde in Arpino geboren, einem Städtchen in der heutigen Ciociaria. Diese südöstlich von Rom gelegene Gegend, aus der auch meine Mutter stammte, hat ihren Namen von dem Schuhwerk erhalten, das die Bauern dort noch vor fünfzig Jahren trugen, von der sogenannten cioce, bestehend aus einer Ledersohle (oder Stücken von Autoreifen), die mithilfe von Schnüren direkt am Fuß befestigt war. Cicero kämpfte sein Leben lang für das klassische Ideal der römischen Republik, einer Republik, die sich viele Römer erträumt haben, die aber nie wirklich existiert hat. Seine politischen Ambitionen haben ihm zwar zeitweise zu hohen Positionen verholfen, einen dauerhaften Einfluss auf die römische Politik hat er jedoch niemals ausüben können.

      Caesar kam aus einer anderen Welt. Er stammte aus der Familie der Julier, einem alten Patriziergeschlecht, das seinen Ursprung vermutlich in dem Trojaner Aeneas hatte. Caesars politischer Instinkt und Skrupellosigkeit waren einzigartig; schon am Anfang seiner politischen Karriere hatte er die zwei Schlüssel der Macht für sich entdeckt: Soldaten und Geld. Bei jeder seiner politischen Aktionen oder militärischen Kampagnen ging es ihm immer um die Aufstellung einer schlagkräftigen und bis in den Tod loyalen Armee sowie um die Eintreibung von so viel Geld und Vermögen wie möglich. Er brauchte immense Summen, um sich die Loyalität seiner Truppe zu sichern und um die Räder in Rom zu schmieren. Der Historiker Cassius Dio8 analysiert die Machtphilosophie Caesars im Detail wie folgt:

       Doch tat er dies alles nicht in böser Absicht, er hatte vielmehr zahllose Ausgaben zu bestreiten und wollte außerdem noch viel mehr für seine Legionen und Triumphe und all das andere aufwenden, womit er seinen Stolz befriedigen konnte. Kurz gesagt, er entwickelte sich zu einem Geldraffer; erklärte er doch, es gebe zwei Dinge, welche die Herrschaften begründeten, bewahren und wachsen ließen, Soldaten und Geld, und beide hingen voneinander ab: denn eine gute Versorgung halte die Truppe zusammen und werde