Lillie F. Leitner

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      Inhaltsverzeichnis

       Am Kanal

       Michaela

       Träume

       Eingeliefert

       Max

       Frühstück

       David

       Klamotten

       Kantine

       Davids Geheimnis

       Suse

       Michaela und Karl

       Münster

       Suche

       Frank

       Manfred

       Hüter des Gesetzes

       Neue Klamotten

       Penner

       Abendgestaltung

       Attacke

       Dachboden

       Gefangen

       Beistand

       Am Kai

       Uwe

       Gemischtes Publikum

       Alles auf einmal

       Deuvel

       Gefahr im Verzug

       Schutz

       Sachlage

       Nutzlos

       Keine Kreise

       Lagerraum

       Verarbeitung

       Ausblick

       Susanne

      Taxi!

       Traurige Geschichte

       Das war’s

      Die dargestellten Personen, Handlungen und Organisationen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten; mit wem oder was auch immer, sind unbeabsichtigt.

      Die Stadt Münster dagegen gibt es wirklich, und sie ist in jedem Fall einen Besuch wert ...

      Ein fast voller Junimond spiegelt sich im leicht gekräuselten Wasser des Kanals. Ein Feuer am Ufer beleuchtet flackernd einige dunkle Gestalten. Straßenlaternen sind noch nicht in Betrieb, es dämmert allmählich.

       Um das Feuer herum fläzen sich vier Männer – einer liegt lang und stützt sich mit dem Ellenbogen des einen Arms auf, die Hand hält seinen Kopf. Die andere Hand wechselt gekonnt hin und her, mal die Weinflasche zum Mund, während sie eine Zigarette zwischen den Fingern hält, mal die Zigarette zwischen die Lippen, nachdem sie die Flasche abgestellt hat.

      Der Zweite lehnt sich an die Brückenmauer, die Beine weit ausgestreckt. Seine Hände halten eine Flasche, aus der er ab und zu trinkt.

      Ein Dritter sitzt im Schneidersitz. Neben seinem rechten Knie steht unbeachtet eine Flasche, seine Finger schieben kleine Steine auf dem Boden hin und her. Aufmerksam lauscht er dem Gespräch der beiden anderen; den Kopf hält er unbeweglich, während seine Augen hin und her wandern.

      Schräg hinter ihm sitzt ein vierter Mann, unruhig, manchmal steht er auf, geht ein paar Schritte, hockt sich einige Meter weiter wieder hin; auch er scheint den beiden anderen zuzuhören.

      Das Gespräch der beiden erhebt sich deutlich über die begleitende Geräuschkulisse, die aus dem Gemurmel weiter hinten sitzender Menschen und dem Straßenlärm oben auf der Brücke besteht. Gelegentlich donnert ein Güterzug über die nahe liegende Eisenbahnbrücke und lässt alles für die Dauer von Minuten verstummen, bevor nach einem kurzen Taubheitsgefühl in den Ohren die Geräuschkulisse sich wieder erhebt.

      Finch, lang ausgestreckt, zündet sich eine neue Zigarette an der alten an, nicht, ohne den anderen zuvor mit einer Geste eine angeboten zu haben. Den Zigarettenstummel schnippt er ins Feuer. Er nimmt einen Schluck aus seiner Weinflasche, bellt rau die anderen an:

      „Ihr lebt wohl gesund, was!“

      „Mir fällt auf“, bemerkt Mickey an der Brückenmauer mit nicht mehr ganz sicherer Stimme, „dass du in letzter Zeit verdammt gut versorgt bist. Unsereins raucht nicht, weil er das Geld dazu nicht hat, aber du ...“

      „Ich rauche nicht, weil ich nicht rauche“, doziert Bernhard aus dem Hintergrund mit seiner gestelzten Stimme. „Und ich würde auch nicht rauchen, wenn ich's mir leisten könnte.“

      „Ja, du!“, lästert Finch von unten herauf in Bernhards Richtung. „Du warst ja schon immer was Besseres. Du hast ja sogar studiert!“

      „Und nicht nur das“, grinst Bernhard, zieht einen Flachmann aus der Innentasche seines für diese Jahreszeit viel zu warmen Parkas und nimmt einen Schluck.

      „Aber wer hier groß rum tut, das bist du!“

      „Ja, das fällt mir auch ständig auf!“, ertönt Zustimmung aus dem Hintergrund.

      Karl in seiner Schneidersitzposition am Feuer fängt die steigende Spannung auf, er wird unruhiger, dreht den Kopf von einem zum anderen, bleibt aber sitzen.

      „Was ist mit ihm“, lenkt Finch ab, und deutet, da er keine Hand frei hat, mit seinem Kinn auf Karl. „Er trinkt nicht, raucht nie, reden tut er auch nicht. Nicht mal ‘n Gesicht macht er ...“

      Mickey murmelt Unverständliches, während Bernhard deutlich erklärt: „Er kann tun was immer er will, noch ist dies ein freies Land!“

      „Ja, freies Land“, lallt Mickey, zunehmend angetrunken, und lässt sich heftig nickend am Feuer nieder.

      Karl schaut ihn mit warmem Blick an, sagt aber nichts.

      Es wird dunkel. Während der eine oder andere Satz fällt, rollt sich Mickey für ein Schläfchen zusammen. Er hat offensichtlich genug gehabt heute.

      Bernhard hat mit einer Gruppe anderer das Weite gesucht, nur Karl und Finch sitzen aufrecht am Feuer.

      Karl hat Mickey mit der Jacke, die neben ihm lag, zugedeckt. Mickey bewegt sich leicht im Schlaf, murmelt Unverständliches. Danach hört man nur noch seine langen Atemzüge, manchmal unterbrochen von leisem Schnarchen.

      Finch redet vor sich hin, Karl schiebt Steinchen hin und her und hört mehr oder weniger zu.

      Während er auf das Wasser schaut, springen plötzlich laut schreiend einige Gestalten über das Feuer hinweg und stürzen sich auf Finch. Lautes Gebrüll und Rufe sind zu hören.

      „Mach sie kalt, die Pennersau!“

      „Pennerklatsche, zack zack!“, schreit einer