J. H. Praßl

Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 4: Lucretia L'Incarto


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doch Tauron unterbrach sie.

      „Nicht die Schiffe des Admirals. Die Schiffe, von denen ich spreche, haben schwarze Segel.“

      „Schwarze Segel?“, hauchte Lucretia und vergaß, den Mund wieder zu schließen.

      „Seid Ihr Euch sicher?“, hakte Siralen nach. Tauron schenkte ihr ein Lächeln, lehnte sich gegen den Türstock und spähte zu Chara. Das Schätzchen-Flottenoberkommandantin schob sich doch tatsächlich in aller Ruhe ein Drogenpfeifchen in den Mund. Was soll man dazu sagen?

      „Wie viele und wo sind sie?“, fragte sie.

      „Elf. Sie folgen uns in einer Distanz von gut hundertzehn VALM.“ Tauron biss sich auf die Lippen. Verdammt.

      „Seit wann können wir Schiffe in hundertzehn VALM Distanz ausmachen?“, kam die erwartete Frage.

      Siralens schmale Brauen wanderten nach oben. „Ja, Herr Admiral? Wie kommt das?“

      Tauron grinste. Meistens grinste er, wenn er sich seiner Sache nicht sicher war. Sollte er die anderen ins Bild setzen? Immerhin handelte es sich um ein streng gehütetes Geheimnis der Piraterie.

      „Wir haben da so unsere Methoden …“, bemerkte er vage, doch Charas Blick nagelte ihn fest.

      „Ich kenne das magische Artefakt, Tauron. Also raus mit der Sprache. Wir haben diese Seekarte, richtig? Die der Anbari … die Karte, auf der man in einem bestimmten Umkreis Schiffe und ihre Bewegungen ausmachen kann.“

      „Stimmt, haben wir. Genauer gesagt, Admiral Schroeder.“ Er klang irgendwie kleinlaut. „Also, wie lauten deine Befehle, Schätzchen?“, schob er betont lässig hinterher.

      „Wer kommandiert die letzte Flotte?“

      Sein Grinsen löste sich in Wohlgefallen auf. Das sollte sie eigentlich wissen … als Flottenoberkommandantin.

      „Hadschif Ibn’Damahr“, erwiderte er.

      Chara tauschte einen Blick mit Siralen. Tauron war längst aufgefallen, dass die beiden unterschiedlichen Frauen sich bislang unerwartet einig waren.

      „Er soll sich mit Schroeder kurzschließen und die Verfolger zusammen mit seinen Schiffen in die Zange nehmen“, befahl sie, ohne Siralen aus den Augen zu lassen.

      Siralen nickte kaum merklich und Lucretia erhob sich würdevoll aus ihrem Stuhl. „Ich werde Stowokor über unser Vorhaben informieren. Er wird Admiral Schroeder kontaktieren und ihm den Plan übermitteln.“

      Zugegeben, das war der Vorteil an den Robenträgern. Ihre magischen Versetzkreise machten es möglich, von einem auf das andere Kommandoschiff und damit in alle zehn Flotten zu reisen, ohne dafür die vallandischen Drachenboote bemühen zu müssen – die Informationsmagier unter ihnen hatten außerdem die Möglichkeit, über eingeschränkte Distanzen Kontakt mit anderen Informationsmagiern zu halten. So konnten sie sich auch mit Schroeder absprechen. Sie hatten also den vollen Überblick. Jedenfalls solange sie innerhalb des Wirkungsbereichs der Magie blieben.

      „Wo genau befindet sich Schroeder? Zwischen uns und den Verfolgern oder hinter unseren Verfolgern?“, fragte Chara.

      „Hinter denen.“

      „Dann soll er zu ihnen aufschließen, während die letzte Flotte unter Ibn’Damahrs Kommando auffächert. Und päng! Irgendwelche Einwände?“

      Schweigen.

      Siralen stand auf, trat vor eines der drei heckseitigen Fenster der Offiziersmesse, und Tauron blieb mit seinem Blick an ihrem wohlgeformten Hintern hängen. Hätte er gerade nichts Dringenderes zu erledigen gehabt, er hätte die Gunst des Augenblicks genutzt und sie angemacht – mit einem lässigen Spruch, einem lasziven Wackeln seiner Brauen … irgendetwas in der Art.

      „Klingt nach einem guten Plan“, gab sie Chara recht, und die Flottenoberkommandantin nahm ihn erneut ins Visier.

      „Dann hast du deine Befehle. Erteil Ibn’Damahr den Auftrag, seine Schiffe aufzufächern, während Olschewski Schroeder unseren Plan bekannt gibt.“

      Im Grunde gab es nichts gegen Charas Anweisungen einzuwenden. Bedenklich war nur, dass sie ihre Vizeadmiräle nicht kannte.

      „Gut, Schätzchen“, gab er provokant zurück. Mit einem letzten Blick auf Siralens Hintern drückte er sich vom Türstock ab und verließ zusammen mit der Magierin die Messe.

      Siralen musterte die Assassinin. Chara hatte ihre Pfeife zur Seite gelegt, ihren Fuß auf die Sitzfläche gezogen und schien nicht mehr anwesend zu sein. Hinter ihrem Stuhl standen wie in Stein gegossen ihre beiden Leibwachen vom Stamm der Goygoa.

      Kurz war Siralen danach, Chara auf ihr Verhältnis zu Al’Jebal anzusprechen, sie danach zu fragen, wie es war, als Assassinin zu dienen. Doch dieses Thema schien privater als man annehmen mochte, und über Privates sprach sie nur mit ihresgleichen. Umso schmerzlicher war es, dass sie Sajan in Isahara verloren hatte.

      „Wir benötigen jeder einen Stellvertreter, Chara“, kehrte sie gedanklich in die Messe zurück. „Wir brauchen jemanden, der uns bei einem möglichen Ausfall ersetzen kann.“

      Chara räusperte sich. „Ja“, gab sie ihr anteillos recht.

      „Man hat mir bereits jemanden empfohlen …“

      „Man? Wer hat dir jemanden empfohlen?“

      „Ein Mann, auf den die Elfen innerhalb der Flotte hören.“

      Chara legte die Stirn in misstrauische Falten.

      „Auch wir Elfen haben Geheimnisse“, rechtfertigte Siralen sich.

      „Das muss ich respektieren, oder? Bei allem Vertrauen in dein Volk – was nicht etwa daran liegt, dass ich den Elfen traue, sondern vielmehr daran, dass Al’Jebal ihnen traut … “

      „Vertrau denen, von denen du denkst, dass sie dein Vertrauen verdient haben.“

      „Ich muss trotzdem darauf beharren, jedes neue Besatzungsmitglied der Meerjungfrau zu prüfen. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der Internen Sicherheit.“

      Siralen spürte, wie ihre Züge erhärteten. „Prüfen? Wie?“

      „Keine Sorge, Siralen. In diesem Fall sehen wir von einer peinlichen Befragung ab.“

      Was sie nicht besonders komisch fand. „Du kannst dich gerne mit meinem neuen Stellvertreter unterhalten und damit etwaige Zweifel an seiner Integrität ausräumen. Bleibt noch die Frage – wen wählst du als deinen Stellvertreter?“

      „Kerrim“, kam es wie aus der Armbrust geschossen. „Und Lucretia hat ihre Rechte Hand zu meinem Bedauern bereits gefunden – Magus Primus Major Ahrsa Kasai.“

      „Was hast du gegen den Magus?“

      „Nichts. Ich kenne ihn nicht. Aber ich ahne, dass ich ihn nicht werde leiden können.“

      Siralen trat zurück an den Tisch und ließ sich in ihren Stuhl gleiten. „Woran machst du dieses Urteil fest?“

      „An seiner steifen Haltung, seinem knöchernen Arsch, seinem blasierten Gesicht …“

      Fast hätte Siralen gelächelt. „Er ist korrekt, hält sich an die Regeln und sieht zu, dass alles seinen geordneten Gang geht. Das ist für eine Mission dieser Größenordnung unabdingbar. Andernfalls könnte alles im Chaos versinken.“

      „Mal sehen.“

      Siralen stellte erstaunt fest, dass sie versuchte, besänftigend auf die Assassinin zu wirken und dass sie damit offensichtlich erfolgreich war. Interessant. „Ich plädiere auf jeden Fall dafür, dass unsere Stellvertreter in Zukunft bei den meisten unserer Besprechungen anwesend sind“, setzte Siralen fort. „Sie müssen wie wir über alles informiert sein.“

      „Sicher.“ Chara drücke ihren Pfeifenstopfer in den Pfeifenkopf und erstickte die Glut.

      „Davon abgesehen bin ich auf das Ansuchen der Elfen eingegangen,