Katrin Fölck

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      Imprint

      Katrin Fölck 2014

      Verlag: epubli GmbH, Berlin

      www.epubli.de

      ISBN: 978-3-7375-2880-1

      Titelbild: © INFINITY/Fotolia.com

      1

      Es ist ein seltsamer Anblick, der sich mir darbietet.

      Der Körper, der da am Straßenrand liegt, weckt mein Interesse. Aber nicht nur er.

      Insbesondere ist es dann doch die Maske, mit der das Gesicht der Leiche verdeckt wurde.

      Es ist keine aufwendig gestaltete Maske.

      Keine, wie man sie aus Venedig oder von hiesigen Faschingsumzügen her kennt, sondern eher eine jener, wie sie in Theatern zur Vorführung kommt.

      Schlicht. Weiß. Ohne jeglichen Schnörkel.

      Irgendwie erinnert mich dieses Szenario an Halloween. In Gedanken begebe ich mich einige Jahre in die Vergangenheit zurück…

      Wäre die Situation nicht bereits ernst genug im Angesicht des Todes, könnte mich diese Art groteske Kostümierung zum Lachen verleiten. Doch das tut sie nicht. Denn hier geht es um einen Menschen, der durch fremde Hand sein Leben verlor.

      Alsbald werde ich jedoch aus meinen Erinnerungen wieder zurückgeholt.

      Ich höre hinter mir eine Autotür zuschlagen und vernehme das Klappern von Absätzen auf dem Kopfsteinpflaster und Schritte, die hastig näher kommen.

      Kurz darauf wird das Blaulicht der eintreffenden Streifenwagen vom nassen Straßenpflaster reflektiert, um dann den Rest der Nacht Unheil verkündend die einsetzende Dämmerung zu begrüßen.

      Die Verstärkung ist endlich da.

      Die Leute der Spurensicherung in den weißen dünnen Schutzanzügen können froh darüber sein, dass sie diese über ihrer Kleidung tragen. Dadurch sind sie wenigstens vor der Nässe des Regens geschützt.

      Sie beginnen eilig, den Fundort mit Absperrband zu sichern, um damit Unbefugten den Zutritt zu verwehren und mögliche Spuren zu schützen.

      Aufgrund des starken Regens und der frühen Uhrzeit gibt es so gut wie keine Schaulustigen.

      Aber auch keine Zeugen.

      Eine Hand legt sich auf meine Schulter, noch bevor ich die mir vertraute Stimme von Oberkommissarin Susanne Wittmann, meiner Chefin bei der Mordkommission, vernehme.

      „Wer macht denn so etwas? “, ist das erste, was sie sagt, bevor sie es mir gleichtut und in die Hocke geht, um die Leiche besser betrachten zu können.

      „Eine Frau?“

      Ich nicke.

      „Weiß man schon, wer die Frau ist? Gibt es Zeugen?“

      Dieses Mal schüttele ich mit dem Kopf.

      Mehr wie zu mir selbst murmele ich: „Bei dem Regen geht doch keiner aus dem Haus…“

      „Außer wir und der Mörder…“, gibt meine Vorgesetzte von sich.

      Sie fröstelt.

      „Scheiß Regen!“, sage ich, während mir die Tropfen schon aus den nassen Haaren in die Stirn und weiter durchs ganze Gesicht laufen.

      „Wäre schön gewesen, erst nach dem Weckerklingeln aufstehen zu müssen, was?“, sage ich in ihre Richtung.

      Eine Antwort erwarte ich von ihr nicht.

      Sie versucht, sich etwas zu wärmen, indem sie mit den Händen schnell über den jeweils entgegen gesetzten Oberarm rauf und runter streicht.

      Reibung erzeugt Wärme. Diese wäre jedoch nur von kurzer Dauer.

      Ich schenke ihr einen wissenden und mitleidigen Blick.

      „Ich friere immer, wenn ich müde bin.“, erklärt sie sich. „Außerdem ist es noch mitten in der Nacht…

      Haben Sie sie etwa gefunden?“

      Ihr Interesse ist erwacht. Der Smalltalk vorbei.

      „Nein. Ein Zeitungsverteiler. Er sitzt übrigens in meinem Wagen. Ich glaube, er braucht psychologischen Beistand.“

      Susanne nickt.

      „Darum kümmere ich mich gleich.“

      Sie sieht mich von der Seite an.

      „Wieso sind Sie eigentlich schon da? Können Sie fliegen?“

      Dafür mag ich sie. Für ihren Humor, den sie immer dann einsetzt, wenn er gebraucht wird.

      „Ich war zufällig in der Nähe. Ich bin gestern mit einem Kumpel vom Kampfsportklub noch um die Häuser gezogen und versackt.

      Er hat mir daraufhin angeboten, bei ihm zu übernachten. Aber mein Rücken konnte sich nicht an seine Couch gewöhnen, und so habe ich mir überlegt, es wäre meiner Gesundheit dienlicher, noch ein paar Stunden im heimischen Bett zu verbringen.

      Der Fall hat mich sozusagen auf meiner Heimfahrt erreicht.“

      „Ah ja. In welcher Kneipe sind Sie denn hängen geblieben?!“

      „Bin ich verdächtig?“, stelle ich ihr meine Gegenfrage.

      Sie lacht.

      „Einmal Bulle, immer Bulle…“, grinst sie.

      „Tut mir leid, Renner. Ist wohl bei mir schon zur Gewohnheit geworden.“

      Wir erheben uns fast gleichzeitig.

      Mein Knie knackt. Durch das Geräusch werde ich an eine Begebenheit aus meiner Vergangenheit erinnert, die ich jedoch schnell wieder verdränge. Alle Versuche meiner Psychologin, mich in Hinsicht dieses Erlebnisses wirksam zu therapieren, waren bis heute erfolglos geblieben.

      „Ich denke, wir lassen die Spurensicherung jetzt mal ran. Hoffentlich hat der Regen noch nicht alles weggewaschen…

      Dann mal los! Auf eine lange Nacht und viel Kaffee!“

      2

      Wer die Getötete ist, haben wir schnell herausgefunden.

      Sie heißt Claudia Seiler, ist achtunddreißig Jahre alt und wohnhaft in der Lindenstraße 53.

      Da sie weder verheiratet ist, noch Kinder hinterlässt, ist es nun an uns, ihre Eltern darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihre Tochter tot ist.

      Diese Aufgabe ist nie leicht und wird es auch nicht, egal, wie oft man diese Nachricht schon überbringen musste. Und Routine sowieso nicht.

      Jeder muss für sich selbst herausfinden, auf welche Art und Weise er am besten damit umgehen kann, wie er es schafft, das Geschehene nicht so nah an sich heran zu lassen und mit dem nötigen Abstand zu betrachten.

      Heute übernimmt Susanne den Part, den Eltern die niederschmetternde Nachricht zu überbringen.

      Ich fahre stattdessen mit einem Kollegen zum Wohnort der Toten. Wir wollen uns in ihrer Wohnung umsehen.

      Am Klingelschild stehen zwei Namen: Seiler/Hain.

      Mir wird klar, dass die junge Frau hier nicht allein lebte. Ich werfe einen kurzen Blick auf meine Armbanduhr. Dann gebe ich meinem Reflex nach und betätige die Klingel.

      Schon nach kurzer Zeit wird uns geöffnet.

      Ein junger Mann steht in der Tür. Er sieht aus, als hätte er ebensowenig oder gar keinen Schlaf bekommen.

      „Ja?“, fragt er.

      Ich zücke meinen Dienstausweis und nenne ihm meinen Namen. Jan Renner.

      Und stelle auch meinen Kollegen vor. Dass wir von der Mordkommission kommen, verschweige ich ihm noch.

      „Und wer sind Sie?“

      „Stefan Hain“.

      „Sie sind der