ihn dieser an sich und flüsterte ihm zu, wie sehr er sich freue, dass ihm Maja gefalle.
„Mache sie glücklich, Eugen. Du bist vielleicht ihre Rettung.“
Diese Worte verstörten Singer ein wenig. Er fragte sich, wovor er Maja retten sollte. Sie sah so schön, so absolut selbstsicher und strahlend aus und er konnte sich nicht vorstellen, dass sie gerade ihn als Retter nötig hatte. Doch Singer wusste bereits, dass Jonas jemand war, der in die Menschen hineinsehen konnte. Angst befiel ihn und er legte schützend seinen Arm um Majas Schultern.
Sie traten aus dem Georgsbräu. Vor dem Lokal kämpfte der heilige St. Georg auf dem Denkmal gegen einen furcht–erregenden Drachen. Sieht so aus, als wenn jetzt auch die Berber eine Rüstung angelegt haben.
Maja legte ihren Kopf an seine Schulter und nun schien sie ihm gar nicht mehr so selbstsicher und sieghaft und strahlend, sondern zart und verletzlich. Er merkte, dass auch in ihr Angst war und es tat ihm weh.
„Wohin gehen wir?“
„Zu mir, Eugen“, sagte sie und sah zu ihm hoch. „Wenn du willst, gehen wir zu mir.“
Wie sich herausstellte, wohnte sie gar nicht weit von seinem Büro am Gendarmenmarkt entfernt, in einem alten Haus in der Markgrafenstraße. Sie musste eine schwere Holztür mit einem altertümlich großen Schlüssel öffnen. Neben dem steinernen Tor wachten Riesen, die wohl Atlas und Herkules darstellen sollten und sich mit der Last der Erde abmühten. Es ging durch einen Flur auf einen kleinen Hof, in dem Autos standen, zu einer Tür, die wieder den altertümlichen Schlüssel verlangte. Im Treppenhaus roch es nach Nüssen, was den geheimnisvollen Eindruck in dem flackernden Licht verstärkte. Im vierten Stock öffnete Maja die Tür zu ihrer Wohnung und sie fiel ihm in die Arme und schmiegte sich an ihn. Er spürte ihre Schenkel an seinem Geschlecht und ihre Lippen berührten sich wieder und wieder.
Die Wohnung war klein. Ein Zimmer mit Küche. In dem Zimmer waren ein Bett, ein kleiner Tisch und zwei Stühle mit verschlissenen Polstern. Für eine Frau sehr spartanisch. Drucke hingen an den Wänden, und er wunderte sich nicht darüber, dass es Stiche von Goya und Janssen waren. Daneben hatte sie eigene Zeichnungen geheftet. Natürlich von Jonas und seinen Freunden. Auch eine schöne Rötelzeichnung von Luischen war dabei.
Schweigend und etwas verlegen zogen sie sich aus und legten sich in das breite Bett. Einen Augenblick lang waren sie sich fremd. Doch dann berührte er ihre Brust und die Verbindung zwischen ihnen, der Strom, war wieder da. Ihr Mund berührte seinen Hals und seine Brust und seinen Bauch und dort, von seinem Nabel her, flüsterte sie, dass sie gleich gewusst habe, dass sie sich lieben würden.
Er erfuhr in den folgenden Stunden, dass es goldene Täler gab, dass Funken einen emportragen und man mit ihnen in eine blaue Unendlichkeit fallen konnte. Und der Fall, der endlos zärtliche Fall, hörte lange Zeit nicht auf.
Und nun erinnerte er sich, glaubte sie schon einmal vor Salomons Tempel gesehen zu haben, sah sie lächelnd in der Halle zu Mykene und Atreus lächelte ihnen zu, und tausend Jahre später traf er sie in Florenz an der Brücke, und Dante zeigte auf sie. Beatrice. Ihre Münder aneinander gepresst durchzogen sie die Zeit. Immer neue Sonnen grüßten und sanken hinter ihnen auflodernd zusammen.
„Das war schöner als der beste Schuss. So schön wie Narzissen im Schneefeld“, sagte sie schließlich und erst verstand er den Sinn nicht; und als er begriff, als er sich an Jonas‘ Worte erinnerte, stürzte er ab und war Ikarus.
So bitter erfuhr er nun, dass es keine Vollkommenheit gab und Glück nur kurz währt, und ihm fiel ein, was er über Sucht gelesen hatte. Und wenn er auch keine Vorstellung davon hatte, wie es wirklich war süchtig zu sein, so wusste er doch, dass es ihre Liebe gefährdete.
„Seit wann?“, hörte er sich fragen. Eine kalte sachliche Stimme.
„Schon seit zwei Jahren“, flüsterte sie aus dem Dunkel. So fern war sie ihm nun und weiter, immer weiter schien sie von ihm fort zu treiben.
„Warum?“
„Es gibt viele Gründe und keinen richtigen.“
Er fühlte ihren Atem an seinem Hals.
„Du kannst …“
„Nein. Das habe ich schon hinter mir.“
„Wenn man will …“, begann er. Ein Allgemeinplatz.
„Nein. Vielleicht …“, sagte sie zögernd. „Wenn du mir hilfst. Was glaubst du, wie oft ich es schon versucht habe. Es war … die Hölle.“
„Du schaffst es. Ich helfe dir.“ Er stand auf und ging ans Fenster und öffnete es. Unten ging ein Schatten über den Hof. Der Mann pfiff vor sich hin. Maja sah vom Bett zu ihm herüber. Er konnte nur die Umrisse ihres Körpers sehen.
„Vielleicht begegnen wir uns das nächste Mal früher.“
Es tröstete ihn, dass auch sie daran glaubte, dass sie sich schon einmal begegnet waren. Es war schön sich das vorzustellen.
„Noch ist Jetzt, und ich werde bei dir bleiben, solange du mich bei dir bleiben lässt.“
„Und deine Frau?“, fragte sie und er glaubte, aus ihrer Stimme einen Vorwurf zu hören.
„Du weißt es?“
„Männer wie du sind immer verheiratet.“
„Ich liebe dich. Und ich bleibe bei dir.“
„Du musst es ihr erzählen.“
„Ja. Und dann komme ich wieder.“
„Du bist nicht feige, nicht wahr?“
„Nein. Aber das braucht in meinem Fall keine Heldentat zu sein.“
„Es wird ihr weh tun.“
„Nicht lange. Sie ist in einen anderen Mann verliebt. Schanek.“
„Der Schanek?“
„Ja.“
„Wie dumm von ihr. Aber ihr habt euch einmal geliebt“, erinnerte sie ihn an die Zeit, als er noch mit Helen glücklich gewesen war und an die Nächte im Schilf am Wannsee. Er wünschte sich, dass sie damit aufhören würde, Helen zu bemitleiden.
„Es ist für niemanden leicht, wenn ein geliebter Mensch fort geht. Sicher liebt sie dich – trotz Schanek. Sie muss einen Menschen wie dich einfach lieben.“
„Bitte hör auf“, bat er.
Als es Morgen wurde, fuhr er mit der Absicht nach Hause, Helen alles zu erzählen und dann zu Maja zurückzukehren. Es dämmerte bereits, als er die S–Bahn zum Grunewald nahm. Ein verdammt schönes Haus, stellte er wieder einmal fest, als er vor seiner Villa stand. Helen würde nicht auf sie verzichten wollen. In Gelddingen war sie ganz die Tochter ihres Vaters.
Helen schlief tief, und er war sehr erleichtert darüber. Singer brachte nicht den Mut auf sie zu wecken. Er ging unter die Dusche und rasierte sich und zog einen Nadelstreifenanzug an. Er hatte um zehn Uhr einen Termin mit den anderen Vorständen. In der Küche hinterließ er für Helen die Nachricht, dass es bei ihm später geworden sei und dass sie sich abends bei der Preminger treffen würden. Er wusste, dass von nun an seine Tage nicht mehr langweilig verlaufen würden. Du hast jetzt jemanden, für den du da sein musst und sie kann verlangen, dass du dich gut schlägst, dachte er glücklich. Eigentlich bin ich ganz gut dran.
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