Hubert Wiest

Rußatem


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ganz legal“, flüsterte Gloria und legte ihren Zeigefinger auf die Lippen. „So ein Club würde von der Ringverwaltung nie eine Lizenz bekommen. Also macht er irgendwo heimlich auf.“

      „Cool!“ rief ich begeistert.

      Und auch Amali brachte so eine Art Lächeln zustande. Zufrieden lehnte sie sich an Ropex.

      Die Sache mit dem Club steigerte meine Laune erheblich. Morgen Abend würde es so weit sein. Diesmal machte es mir fast nichts aus, als unsere Schicht begann, und ich Plastikegalisierer montieren musste. Ich dachte die ganze Zeit an den Club. Ich wollte bis zum Morgengrauen durchtanzen. In Jaikong war ich ein einziges Mal mit Quinn in einem Club gewesen. Quinn wollte nicht tanzen, aber wir standen lässig an der Tanzfläche, hörten Musik und sahen uns tief in die Augen. Ich dachte, da wäre etwas ganz besonderes zwischen uns gewesen, aber heute weiß ich, es war ein großer Irrtum.

      Als an diesem Tag die Sirene unsere Schicht beendete, fiel mir auf, dass ich siebzehn Egalisierer zu viel zusammengeschraubt hatte, völlig mühelos. So ein Mist, Lenket würde meine Produktionsmenge nach oben setzen. Da kam er schon um die Ecke, zusammen mit der Gaschel. Die beiden patrouillierten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und sahen sich die Ergebnisse ganz genau an. So hatte ich das noch nie erlebt. Sie schienen etwas zu suchen.

      Schnaubend stand die Gaschel hinter mir und schob mich grob zur Seite. Sie nahm einen meiner Spielzeugegalisierer hoch, drehte ihn zwischen den Fingern, öffnete das Batteriefach, um die Seriennummer zu überprüfen. Dann nahm sie den nächsten und übernächsten.

      „Die hast du alle heute montiert?“, fragte sie lauernd.

      „Klar!“ Ich hatte es geahnt. Sie würden meine Quote erhöhen.

      Lenket stand mittlerweile hinter Ropex. Ich sah ihn aus den Augenwinkeln. Käfer für Käfer nahm er hoch, drehte ihn auf den Rücken und kontrollierte die Bauchunterseite des billigen Plastikspielzeugs mit einer Lupe. Ropex sah kalkweiß aus. Nervös trat er von einem Bein aufs andere.

      „Hah“, stieß Lenket aus und hielt einen der Plastikkäfer zwischen Daumen und Zeigefinger hoch.

      Blitzschnell packte Lenket Ropex am Ohr und zog ihn mit. Ehe er die Halle verließ, drehte Lenket sich noch einmal um und schnauzte: „Aufstellung zum Appell!“ Dann war er mit Ropex im Schlepptau verschwunden.

      Frau Gaschel ließ von meinen Spielzeugegalisierern ab und fauchte: „Habt ihr nicht gehört, Aufstellung zum Appell, faules Pack!“

      Ich reihte mich rechts neben Amali und Gloria ein. Amali heulte. Keine Ahnung, wie lange wir so stehen mussten.

      Irgendwann riss Lenket die Schleusentore auf und verbeugte sich ganz tief. Direktor Bo trat ein, seine Haare glatt an den Kopf gegelt. Er stellte sich breitbeinig auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit unnachgiebigem Blick tastete er uns ab. Das fühlte sich widerlich an.

      „Heute ist für mich ein trauriger Tag, ein Tag der Enttäuschung“, begann er.

      Wir standen mucksmäuschenstill.

      „Ich scheue keine Mühen und Kosten, euch mit ordentlicher Atemluft zu versorgen, die weit über dem gesetzlichen Mindeststandard liegt. Ich kümmere mich um euch, als wären wir eine große Familie. Nein, wir sind eine Familie. Das lebenslange Band eures Arbeitsvertrags schmiedet uns zusammen. Ich kümmere mich um euer Wohlergehen. Niemand muss Hunger leiden, keiner um seine Gesundheit fürchten. Und was ist der Dank dafür?“

      Aus den Augenwinkeln sah ich ängstliche Gesichter neben mir. Direktor Bo schnaubte wütend. „Ropex, einer der Neuen, hat mich aufs Widerlichste betrogen. Er hat Waren aus dem Lager gestohlen. Aber damit kommt er bei mir nicht durch. Ja, ich bin großzügig. Ja, ich bin nachsichtig und habe für meine Arbeiter stets ein offenes Ohr. Aber Diebstahl akzeptiere ich nicht. Niemals! Dafür gibt es keine Entschuldigung. Verstanden?“

      Wir nickten alle pflichtbewusst. Neben mir reckte Amali ihren Arm hoch.

      „Ja, was ist?“

      „Herr Direktor Bo, was geschieht mit Ropex?“, fragte Amali unter Tränen.

      „Gut, dass du fragst. Der Dieb wird in den fünften Industrie-Ring deportiert und dort Luftfilter reinigen.“

      Ein entsetztes Tuscheln ging durch den Raum.

      „Ruhe“, brüllte Lenket und Frau Gaschel trat mit einem drohenden Schritt auf uns zu.

      „Das dürfen Sie nicht machen“, heulte Amali. Unbarmherzig drehte Frau Gaschel Amalis Arm auf den Rücken. Jetzt gab Amali nur noch ein Winseln von sich.

      „Selbstverständlich darf ich euch bei Fehlverhalten in eine meiner Fabriken im Fünften versetzen. Das steht so im Arbeitsvertrag. Habt ihr ihn etwa nicht gelesen?“

      KAPITEL ELF

      In den nächsten Tagen besserte sich Quinns Laune erheblich. Der Unterricht in der Kadettenschule wurde spannender. Sie lernten, mit dem Egalisierer umzugehen, trainierten Festnahmen und übten Nachteinsätze. Auch das Vincoon-Auswahltraining nahm ordentlich Fahrt auf. Sie übten komplizierte Spielzüge und machten die ersten Testspiele. Die Gruppe war nun auf zwölf Teilnehmer geschrumpft. Drei hatten freiwillig aufgegeben und die anderen wurden von Cassaio aussortiert. Cassaio, der immer freundlich war, sich mehr wie ein Kumpel denn Ausbilder benahm, fällte glasklare Entscheidungen, ließ nicht den geringsten Zweifel, dass er das Sagen hatte und sich Einschleimen nicht auszahlte. Selbst Kirk konzentrierte sich auf seine Spurts und Torschüsse und hielt sich mit blöden Kommentaren zurück. Quinns Beschleunigungswerte hatten sich deutlich verbessert. Und die gemeinsamen Ballstafetten von Quinn und Lyrah konnte Cassaio gar nicht oft genug erwähnen. Auch außerhalb des Spielfelds suchte Lyrah immer öfter Quinns Nähe. Vor und nach dem Training, in den Unterrichtspausen und im Speisesaal.

      Das passte Kirk natürlich überhaupt nicht. Auch wenn er sich jede offene Feindseligkeit verkniff, machte er Quinn das Leben schwer. Stück für Stück gelang es Kirk, Quinn wie ein arrogantes Arschloch aussehen zu lassen.

      Quinn kam gegen Kirks Machenschaften einfach nicht an. Aber die anderen würden schon noch erkennen, dass Quinn ein Vincoon-Ausnahmetalent war und eine erfolgreiche Profikarriere auf ihn wartete. Dann würden sie alle angekrochen kommen.

      Heute war der lang ersehnte Tag. Der endgültige Kader der Aero-Cadets wurde ausgewählt und die Anzahl der Spieler musste von zwölf auf sechs zusammengestutzt werden: ein Team von fünf Spielern plus Auswechselspieler – die offizielle Größe eines Vincoon-Kaders.

      Diese letzte Auswahl führte nicht mehr Cassaio durch, sondern wurde von Colonel Foggerty getroffen. Colonel Foggerty war berüchtigt, ein knallharter Hund. Gleich in den ersten Tagen seiner Ausbildung hatte Quinn wahre Schauergeschichten vom Colonel gehört. Foggerty befehligte das Counter-Terror-Corps, eine gefürchtete Sonderheit zur Terrorismusbekämpfung. Daneben war er oberster Vincoon-Beauftragter der Aeronauten. In seiner Jugend spielte Foggerty professionell Vincoon. Er war ein herausragender Stürmer und wurde von seinen Fans und Gegnern voller Respekt Rocketraider genannt. Doch ein schweres Foul durch einen gegnerischen Verteidiger beendete seine Karriere viel zu früh. Rocketraider abgestürzt titelten damals die Nachrichten. Foggerty wechselte zum Counter-Terror-Corps und legte dort einen rasanten Aufstieg hin. Vor drei Jahren übertrug Präsidentin Paal ihm das Kommando des Counter-Terror-Corps und zusätzlich wurde er zum Oberbefehlshaber der Vincoon-Sportdivision berufen. Er war einer der einflussreichsten Männer Jaikongs.

      Abgesehen von den ersten grauen Haarsträhnen hatte Foggerty immer noch das Aussehen eines Vincoon-Profistürmers. Auch seine Bewegungen ließen sein wahres Alter nicht erahnen. Es ging das Gerücht, dass Foggerty jeden Morgen um drei Uhr aufstand und vor dem Frühstück drei Stunden im Fitnessstudio verbrachte. Angeblich hatte Foggerty in seinem Leben noch nie länger als vier Stunden am Stück geschlafen. Seine Gegner zu vernichten, das war es, was ihn antrieb. Seine Wutanfälle waren legendär und selbst Elite-Aeronauten des Counter-Terror-Corps sollen schon heulend vor ihm zusammengebrochen sein.

      Quinn hatte seine Skates angeschnallt und ließ gerade die Verschlüsse der Trompeten um