Narcia Kensing

Nachtschwarze Sonne


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die Türen sind nicht verriegelt«, gebe ich zu bedenken.

      Sienna macht eine wegwerfende Handbewegung. »Wohl kaum, wenn jemand drin sitzt. Weshalb sollte er sich einschließen? Die ahnen doch nichts Böses.«

      »Und was schlägst du vor?« Ich ahne, dass es auf eine blutige Angelegenheit hinauslaufen wird. »Wir haben keinen Autoschlüssel«, füge ich an.

      Sienna rollt mit den Augen. »Die Wagen der V23er starten nicht mit einem Schlüssel. So altertümlich sind sie nicht!«

      Natürlich, wie hatte ich das vergessen können. »Und wenn der Kerl, der da drin sitzt, keine Fahrberechtigung hat? Wenn der Scanner nicht auf seinen Fingerabdruck reagiert?«

      »Dann haben wir ein kleines Problem, denn dann heißt es, die anderen drei auf dem Feld auch noch zu überwältigen.«

      Sie muss nicht weiter sprechen. Ich weiß, dass wir in unserem Zustand schlechte Karten gegen sie hätten. Dennoch nicke ich, weil mir nichts Besseres einfällt. Wir brauchen dieses Auto, wenn wir lebend in Albany ankommen wollen, wo wir Unterschlupf bei unseren Artgenossen zu finden hoffen. Unsere einzige Rettung.

      »Auf drei stehen wir auf«, sagt Sienna. »Du versuchst, die Fahrertür zu öffnen und ich springe auf den Rücksitz. Mach den Kerl kalt, ehe er schreien kann. Dann starten wir mit seiner Hand den Wagen, sofern alles glatt läuft. Wir fahren los, packen Layton ein und geben Gas. Klingt doch ganz einfach.« Sie grinst hämisch. Mir dreht sich der Magen um. Okay, ich werde also töten müssen. Nicht, dass mir das Schwierigkeiten bereiten würde, zumindest keine körperlichen. Am besten schalte ich mein Gehirn und mein Gewissen aus. Hier geht es um unser nacktes Überleben.

      »Also los.« Sienna greift nach dem hinteren Türgriff. »Eins, zwei, drei.« Sie springt auf und reißt die Tür auf, die tatsächlich nicht verriegelt ist. Fast gleichzeitig tue ich dasselbe. Binnen einer Sekunde sitze ich hinter dem Lenkrad. Der junge Mann auf dem Beifahrersitz lässt das Klemmbrett und den Stift fallen. Seine Augen weiten sich, sämtliche Farbe weicht aus seinem Gesicht, bis er so weiß ist wie der Vollmond. Er zuckt zusammen, weil er sich erschreckt hat, stößt jedoch keinen Laut aus, obwohl seine Kinnlade herunterklappt. Die Überraschung lag ganz auf unserer Seite. Teil eins unseres Plans ist geglückt.

      Einen Augenblick lang zögere ich, weil mich der nicht zu unterdrückende Impuls erfasst, den Mann auszusaugen und seiner Emotionen zu berauben. Es ist eher der Schock angesichts meiner animalischen Triebe, der mich stutzen lässt, als die Tatsache, dass ich einen Menschen töten muss. Dann fällt mir ein, dass ein V23er ohnehin kein Nahrungsspender für einen Acrai sein kann. Ich darf nicht einmal darüber nachdenken.

      »Mach schon!«, zischt Sienna vom Rücksitz. Geistesgegenwärtig greift sie nach vorne und hält dem jungen Mann den Mund zu, sein Schrei geht nur noch in ihre Handfläche. Kurz irrt mein Blick zur Seite. Einer der Feldarbeiter hat sich aufgerichtet und sieht in unsere Richtung. Er ruft seinen Kameraden etwas zu, das ich durch die geschlossenen Autoscheiben nicht hören kann.

      Jetzt muss alles schnell gehen. Ich höre auf zu denken und verbanne meinen Verstand in einen hinteren Winkel meines Gehirns. Mich durchfährt eine heiße Woge, es kribbelt in meinen Fingerspitzen. Ich spüre förmlich, wie mir die Kontrolle über mich selbst entgleitet. Mir ist das schon einmal passiert, vor drei Tagen, als die V23er unser Quartier angegriffen haben ...

      Wie ein Beobachter kann ich nur zusehen, wie meine rechte Hand zur Seite schnellt, sich in die hellbraunen Haare des Mannes neben mir krallt und seinen Kopf mit einem so energischen Ruck nach hinten zieht, dass es in seinem Genick laut kracht. Augenblicklich erschlafft sein Körper. Sienna nimmt die Hand von seinem Mund. Einen Herzschlag lang treffen sich unsere Blicke. Sie sieht mich mit einer Mischung aus Faszination und Ehrfurcht an, doch ich habe nicht die Zeit, mich darüber zu wundern. Wie an Marionettenfäden schnellt meine Hand abermals zur Seite. Ich greife nach der linken Hand unseres Opfers. Sie ist weich und anscheinend keine schwere Arbeit gewohnt.

      Neben dem Lenkrad befindet sich ein etwa zwei Zoll breites Scannerfeld. Ich schicke ein Stoßgebet in den Himmel, dass der Wagen anspringt, wenn ich den Daumen des V23ers darauf drücke. Weshalb machen sie den Motor überhaupt aus? Diese Autos fahren nicht mit Benzin.

      Dumpf höre ich die Rufe der Feldarbeiter, die immer näher kommen. Im Augenwinkel sehe ich, dass sie nur noch zwei lange Schritte von uns entfernt sind. Ein Schuss ertönt, der mich kurz zusammenfahren lässt, aber nicht von meinem Vorhaben abbringt. Sienna stößt einen kurzen Schrei aus. Im ersten Moment denke ich, dass sie getroffen wurde, aber dann sehe ich den kleinen Riss in der Autoscheibe rechts neben mir. Panzerglas ...

      Ich presse den Daumen meines Opfers auf den Scanner, und ein Blitz der Erleichterung durchfährt mich, als der Wagen tatsächlich mit einem Surren anspringt. Ich zögere keinen Augenblick länger, das Gaspedal durchzudrücken. Mit quietschenden Reifen fahren wir los, es drückt uns in den Sitz. Wow, der Kernenergieantrieb des Gefährts hat ordentlich PS unter der Motorhaube.

      Beinahe töte ich einen der Feldarbeiter, der sich todesmutig am Griff der Fahrertür festgehalten hat. Es reißt ihm fast den Arm aus, als der Wagen durchstartet.

      »Layton, vergiss Layton nicht!«, fährt Sienna mich mit eigenartig hoher Stimme an.

      Am Ende des Gemüsefeldes, dort, wo das hohe Gras steht, reiße ich das Lenkrad herum und trete auf die Bremse.

      Die hintere Autotür fliegt auf. Sienna stürzt aus dem Wagen. Ich kann nicht genau sehen, was sie tut, ich höre nur einen weiteren Schuss. Mit pochendem Herzen sehe ich in den Rückspiegel. Die V23er rennen auf uns zu, einer hält eine Pistole vor seinen Körper.

      Ein weiterer Schuss. Wurde Sienna getroffen? Wenn sie nicht binnen der nächsten beiden Sekunden zurück im Wagen ist, gebe ich Gas.

      Dann sitzt sie plötzlich wieder hinter mir, beugt sich jedoch aus der geöffneten Tür. »Hilf mir, ihn reinzuziehen!«

      Ich greife nach hinten. Sienna hat Layton schon zur Hälfte in den Wagen gezogen, seine Beine hängen jedoch noch heraus. Ich drehe mich im Sitz um, greife hinter mich und packe Layton am Gürtel. Mit einem Ruck hieve ich ihn auf den Sitz. Sienna sieht mich an, als wäre ich ein Geist. Als könnte sie nicht fassen, dass ich mit einem Arm und in nach hinten verdrehter Körperhaltung noch genug Kraft habe, Layton wie eine Puppe anzuheben.

      Ich habe keine Zeit, ihre Bewunderung zu genießen. Ich wende mich wieder nach vorn und gebe Gas. Mit offener Hintertür fahren wir los. Ein Schuss trifft noch unsere gepanzerte Heckscheibe, aber dann bleibt es ruhig.

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