nickte und es klingelte, was Katja noch nie so herbeigesehnt hatte wie jetzt gerade. Sie eilte in den Kunstraum, wo sie mit den Schülern der fünften Klasse zwei Stunden lang Figuren aus Pappmaché herstellte. Danach sah der Raum aus wie nach einer Schlammschlacht. Statt ins Lehrerzimmer zu gehen, füllte Katja einen Eimer mit Wasser und begann die Tische zu wischen. Plötzlich hörte sie die Tür und drehte sich um.
Im Türrahmen stand Nick und grinste. Er kam näher, nahm sich einen zweiten Lappen und half Katja schweigend bei der Arbeit. Als sie sich am letzten Tisch trafen, sahen sie sich kurz an. Katja leerte den Eimer aus und legte die beiden Lappen auf die Heizung.
„Ich war ganz fleißig. Können wir uns heute sehen?“
„Wie stellst du dir das vor? Das geht nicht, auch wenn ich noch so gerne Zeit mit dir verbringen möchte.“
„Ach Mensch, das ist doch blöd. Ich muss andauernd an dich denken. Kann ich nicht mit zu dir kommen? Du wohnst doch ganz alleine. Da kann uns keiner sehen. Deine Nachbarn denken, du gibst mir Nachhilfe.“
„Es geht nicht.“
„Dann gehen wir ins Kino.“
„Wir können doch nicht zusammen ins Kino gehen! Bist du verrückt?“
„Ach bitte“, flehte er, „nur einen Film anschauen in der Nachmittagsvorstellung. Wir tun so, als ob wir uns zufällig treffen.“
„Oh Mann, damit du endlich Ruhe gibst: Ja, wir gehen ins Kino. Aber wir treffen uns wirklich ganz zufällig.“
Freudestrahlend rannte Nick aus dem Kunstraum und direkt in die Arme von Robert Beier.
„Was machst du hier?“, bellte dieser ihn an.
„Ich … ich habe Frau Sommerschein geholfen. Darf ich jetzt durch?“
Robert trat zur Seite und ließ Nick vorbei. Dann grinste er Katja an, die auch gehen wollte.
„Katja, morgen ist Konferenz, wollen wir nicht beide zusammen essen gehen in der Mittagspause?“
„Nein, wollen wir nicht“, entgegnete Katja abweisend. „Ich gehe immer mit Lena.“
Damit schob sie sich an ihm vorbei und schloss die Tür ab. Eilig lief sie die Treppe hinauf, nahm im Lehrerzimmer ihre Sachen vom Stuhl und fuhr heim. Dort schüttelte sie sich, als sie an die Begegnung mit ihrem Kollegen dachte. Robert Beier sah zwar gut aus, aber er war arrogant und selbstverliebt. Niemals würde sie mit ihm essen gehen.
Wenn er einen Moment früher gekommen wäre, dachte Katja und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie griff nach dem Handy, um Nick abzusagen, ließ es aber sinken.
„Nein, das kann ich nicht. Ich will ihn so gerne sehen. Und wenn es im Kino ist, egal.“
Es kribbelte heftig in ihrem Bauch, als sie ins Foyer des Kinos trat und Nick ihr fröhlich zuwinkte.
„Hallo Frau Sommerschein, das ist ja eine Überraschung. Was machen Sie denn hier?“
„Ähm, Film gucken. Was dachtest du denn?“
Sie standen an der Kasse und sahen den Inhaber lachen.
Nick erklärte: „Das ist meine Lieblingslehrerin.“
Der Mann nickte.
„Wollen wir nebeneinander sitzen oder dürfen Sie das als meine Lehrerin nicht?“
„Ich darf.“
„Sehr gut, ich gebe Ihnen auch eine Limo aus. Wir können ja ein bisschen quatschen.“
Nun sagte der Inhaber: „Ihr sollt nicht quatschen, sondern den Film schauen. Also dann mal viel Spaß.“
Er reichte Katja und Nick die Karten und ging an den Tresen nebenan, um Nick zwei Flaschen Limonade zu geben. Der bedankte sich artig, der Inhaber zwinkerte.
„Wenn dir das bessere Noten bringt …“
Nick schüttelte den Kopf und wandte sich Katja zu. Sie lief voran und setzte sich weit ab von den anderen Gästen in die letzte Reihe.
„Bist du verrückt?“, fauchte sie ihn an. „Mit dir gehe ich nie wieder ins Kino. Das war so übertrieben, niemand glaubt uns, dass wir uns zufällig getroffen haben.“
Nick hatte den Kopf eingezogen, aber jetzt erklärte er: „Also weißt du, warum schimpfst du denn mit mir? Kein Mensch interessiert sich dafür, dass wir im Kino sind. Denk doch nicht immer, dass uns jemand beobachtet oder so. Wir sind ganz alleine hier.“
Katja hatte sich wieder beruhigt, als die Dunkelheit des Kinosaales sie einhüllte. Nach dem Film war es auch draußen dunkel. Nick hielt sie am Arm fest, als sie schnell ins Auto steigen wollte.
„Bist du noch böse?“
Sein Blick ließ Katjas Ärger und Ängste wegschmelzen.
„Nein, du Esel, aber solche Aktionen sparen wir uns in Zukunft. Ich konnte gar nicht auf den Film achten, weil ich nur Angst hatte, dass uns einer sieht. Morgen ist Konferenz, aber übermorgen nehme ich dich mit zu mir und wir kochen etwas zusammen.“
Nick strahlte wie ein kleiner Junge über das ganze Gesicht. Er beugte sich zu Katja hinunter und küsste sie auf die Stirn. Katja zuckte zurück.
„Lass das, sonst überlege ich mir das mit übermorgen nochmal.“
„Ich bin ganz brav, verlass dich drauf. Ich freue mich jetzt schon. Gute Nacht, Katja.“
„Wenn du mich noch einmal in der Öffentlichkeit küsst, flippe ich aus. Jetzt hau ab. Bis morgen. Gute Nacht.“
Sie legte wieder ihre Hand an seine Wange und dachte: Warum fühlt es sich so richtig an und ist so falsch?
*
In den nächsten zwei Tagen war Nick wirklich sehr brav. Er arbeitete gut mit und brachte sie nicht wieder aus dem Konzept. Am Ende der letzten Stunde nahm er den Besen aus der Ecke und begann den Raum zu fegen. Nachdem er zweimal um den Lehrertisch herum gefegt hatte, sah Katja vom Klassenbuch auf, in das sie den Unterrichtsstoff eingetragen hatte, und musste lachen, so verbissen war er bei der Sache.
„Es ist hier schon sehr sauber, Nick, du kannst aufhören.“
„Bleibt es dabei, dass du mich mit zu dir nimmst?“
Katjas Verstand gab ein Alarmsignal von sich und sie dachte einen Moment daran, ihn eine Absage zu erteilen. Aber es ging nicht: Sie schaute in seine Augen und konnte nicht anders, als ja zu sagen. Strahlend stellt er den Besen in die Ecke und wollte hinausrennen.
„Warte am Auto auf mich! Ich komme gleich nach. Kochen, essen und reden. Mehr nicht.“
Nick lief los. Als sie zum Auto kam, sah sie ihn auf und ab laufen. Sie öffnete den Kofferraum und stellte ihre Tasche hinein. Nick packte seinen Rucksack daneben und setzte sich auf den Beifahrersitz. Er ließ sich tief hineinsinken, als sie durch die Stadt fuhren. Bei Katja angekommen, stieg er aus und trug ihre Tasche ins Haus. Er war schon oft mit seiner Mutter hier gewesen. Aber jetzt war es ein Nervenkitzel. Mit Katja allein sein, dachte er aufgeregt, ist unglaublich.
In der Küche gab sie ihm die Zwiebeln zum Schneiden und setzte Nudelwasser auf. Dazu machte sie Tomatensoße und befahl Nick den Tisch zu decken. Bei Essen schwiegen sie und über die Löffel hinweg trafen sich ihre Blicke. Katja lächelte, als sie sah, mit welchem Tempo er das Essen verschlang. Er war eben doch noch ein großer Junge. Sie räumten gemeinsam ab und setzten sich ins Wohnzimmer. Katja hatte die Knie angezogen und betrachtete Nick, der ihr gegenüber im Sessel saß.
„Woran denkst du?“, fragte sie.
„Wir haben uns schon einmal im Arm gehalten. Weißt du das noch?“
„Beim Tanzen?“
Er nickte. Es war ein großer Spaß gewesen, als sie im Musikunterricht