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Stefanie Worbs
Wolfswege
Band 4
Wolfswege
Zeitenwandel
Einsamer Wolf
Ryan war zurückgekommen. Er hatte es nicht gewollt und noch immer brodelte es in ihm. Es war keine Wut, es war keine Enttäuschung, es war ... er wusste selbst nicht, wie er es beschreiben konnte.
Amber hatte mehr als deutlich klargemacht, dass sie sich nicht zurückhalten würde. Sie würde ihren Instinkten folgen und zulassen, was immer auf sie zukam. Und sei es eben, dass es sie zu Ryan zog, obwohl sie Evan geheiratet hatte.
Ryan war tagelang als Wolf gelaufen. Er hatte die komplette restliche Feier sausen lassen und war erst kurz vor Abreise der Thalans zurückgekehrt. Sein Dad hatte ihn voller Wut empfangen und Ryan hatte eine gewaltige Standpauke bekommen, doch er hatte nichts gesagt. Er hatte sich nicht entschuldigt, weil er es nicht für nötig gehalten hatte. Er hatte sich auch nicht gerechtfertigt, weil er des Redens über sein Amber-Ding müde war.
Tavis schien bemerkt zu haben, dass sein Sohn keine Ambitionen zeigen würde, ihm irgendetwas zu entgegnen, wie er es sonst für gewöhnlich tat. Seine wütende Tirade hatte der Alpha schließlich mit einem reiß dich zusammen beendet, was weit weniger zornig geklungen hatte als die ganze Rede davor. Ryan hatte genickt und war wortlos auf sein Zimmer verschwunden.
Auch die Rückfahrt nach Brandon war seinerseits schweigend verlaufen. Wieder hatte er bei Evan mitfahren müssen und diesmal hatte er es durchgezogen. Sie hatten nur eine große Pause gemacht, die er größtenteils allein im Wagen verbracht hatte, während alle anderen sich Essen besorgt oder sich die Beine vertreten hatten.
Alle hatten Ryans Stimmung bemerkt, doch nur seine Brüder und Rahel schienen zu wissen, warum er so still war. Alle anderen schoben es sicher darauf, dass er Amber ja nun wirklich und unwiderruflich an Evan verloren hatte.
Rahel war gegen Ende der Rast zu ihm gekommen und hatte ihm stille Gesellschaft geleistet, genau wie Xander. Ryan bezweifelte allerdings, dass irgendwer ihn direkt auf seine Laune ansprechen würde.
Endlich kamen sie zu Hause an und er seilte sich sofort ab. Er lief ins Mitgliederhaus und auf den Dachboden, wo seine Sachen noch immer standen, denn Maise Lynn hatte ja in seinem Zimmer gewohnt. Mit zwei Kisten unter dem Arm ging er runter und begann seine persönlichen Dinge wieder im Raum zu verteilen.
Ein Hauch von Maises Geruch hing noch in den Textilien im Zimmer, doch es war zu ertragen. Er würde die Nacht als Wolf schlafen, dann würde sein eigener Geruch, den der anderen Azur schnell überdecken.
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich, doch er wandte sich nur halb um. „Mum“, grüßte er tonlos.
Charlotte hielt leicht erschrocken inne. „Bitte entschuldige. Ich wusste nicht, dass du hier bist.“ Sie hielt frisches Bettzeug in den Armen und Ryan erkannte den Geruch von Frühlingsmorgen.
„Schon gut.“
Sie lächelte und kam näher. „Ry? Wie geht es dir, mein Schatz?“, wollte sie wissen und machte sich daran, das Bett neu zu beziehen. „Dein Vater sagt, du bist sehr still.“
Ryan lachte unecht. „Ach, nur er?“
Sie schüttelte traurig den Kopf. „Nicht nur er. Aber er hat mir erzählt, was bei den Azur zwischen euch passiert ist.“
Argwöhnisch sah Ryan seine Mum an. „Was meinst du genau?“
„Er hat mir von eurem Gespräch erzählt, als du nach der Hochzeit wiedergekommen bist.“
Gespräch war gut. Ryan hatte ja nicht ein Wort gesagt. „Ah ja.“ Er wandte sich wieder den Kisten zu.
Eine Hand legte sich auf seinen Arm und seine Mum zwang ihn behutsam, sich umzudrehen. „Was ist los mit dir? Bitte sag es mir.“
„Nichts ist. Alles gut.“
„Ryan“, tadelte sie ihn sanft. „Ich bin deine Mutter und ein Werwolf. Du kannst mich nicht täuschen.“
Er drehte sich zurück und sah sie direkt an. „Dann weißt du doch, was los ist. Warum soll ich es erzählen?“
„Weil ich es von dir hören will. Erkläre es mir, bitte.“
Er verdrehte die Augen und ließ sich auf seinen PC-Stuhl fallen. Den Kopf an die Lehne gelehnt, schloss er die Augen. „Amber“, war seine einzige Erklärung.
„Was ist mit ihr?“
„Weißt du von diesem Instinktdings?“, fragte er, statt zu antworten.
Sie nickte.
„Amber weiß das auch. Und sie wird nichts dagegen tun“, erklärte er.
Charlotte hob die Schultern. „Was sollte sie auch tun?“
Ungläubig starrte er seine Mum an. „Sich zusammenreißen vielleicht?!“, stieß er aus und stand wütend wieder auf. „Ich soll mich ständig zusammenreißen! Ryan, benimm dich! Ryan, reiß dich zusammen! Lerne, damit zu leben, Ryan! Nimm es hin, wie es ist, Ryan! Warum denn nur ich, verdammt?! Denkt ihr, es ist leichter für mich, als für sie?! Denkt ihr, sie ist ein ach so