Michaela Santowski

Liebe hoch 3


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war erst seit einer Woche da. Ziemlich unwahrscheinlich, dass er gleich einen Schützling bekommen würde. Schließlich musste er sich erstmal um sich selber kümmern und zurechtfinden. Trotzdem wurde ich ihm zugeteilt. Nicht weiter verwunderlich, dass er nicht begeistert schien. Er musterte mich von oben bis unten. Trotzig schob ich mein Kinn vor und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich war schließlich auch nicht begeistert, überhaupt in der Küche zu sein. Und das auch noch für vier lange Wochen.

      „Dann wollen wir mal, Kleine“, seufzte er. Normalerweise hätte ich bei solch einer einer Anrede eine passende Antwort gehabt. Vor allen Dingen weil Daniel gerade mal einen halben Kopf größer war als ich. Aber es verschlug mir buchstäblich die Sprache. Was für eine Stimme! Das war das Erste, was mir an Daniel auffiel. Er hatte eine dunkle, sanfte Stimme, die so gar nicht zu dem rauen Ton in einer Hotelküche zu passen schien. Er sprach leise, schrie nicht rum wie der Rest der Köche, die man teilweise noch im Restaurant hören konnte. Trotzdem konnte er sich bemerkbar machen. Allein durch seine Ruhe, die einen erfrischenden Kontrast zu der allgemein üblichen Hektik bildete.

      Als nächstes fiel mir auf, dass Daniel das komplette Gegenteil von dem Typ Mann war, auf den ich normalerweise abfuhr. Mein Traummann war groß, dunkelhaarig und hatte braune Augen. Daniel war höchstens 1,75 Meter groß, hatte blonde Haare und, wenn ich das richtig gesehen hatte, blaue Augen. Er hatte eine Figur, die man als Koch überhaupt nicht hätte haben dürfen. Das ließ darauf schließen, dass er wahrscheinlich viel Sport trieb. Wieder etwas, das nicht so recht zu einem Koch passte. Ich kannte zu dem Zeitpunkt jedenfalls keinen, der auf seinen Körper sonderlich achtete. Die meisten waren schlicht und ergreifend zu dick und auch noch stolz auf ihren Feierabend Bier-Bauch.

      „Kommst du oder möchtest du deine Pause vorziehen?“, hörte ich ihn spöttisch fragen. Verlegen stellte ich fest, dass ich ihm mit offenem Mund hinterher gestarrt hatte. „Geht´s noch!“, murmelte ich vor mich hin und folgte ihm. Wie peinlich war das denn eben!

      Irgendwie schaffte ich es, den ersten Tag ohne weitere Komplikationen hinter mich zu bringen. Auch wenn ich zugeben musste, dass ich sehr oft kurz davor war, meine Hand wie zufällig auf seinen Arm zu legen, um feststellen zu können, wie er sich anfühlte. Als ich das später bei unserem wohlverdienten Feierabendgetränk meiner Freundin und Arbeitskollegin Susanne erzählte, zeigte sie mir einen Vogel. „Du spinnst!“

      „Ich weiß“, entgegnete ich. „Keine Ahnung, was mit mir los ist. Er ist überhaupt nicht mein Typ.“

      Susi zog fragend eine Augenbraue hoch.

      „Er ist blond, zu klein, arrogant“, plapperte ich weiter. „Aber sein Körper ist bestimmt klasse. Er hat schöne Hände. Seine Augen sind interessant.“

      Susannes Lachen stoppte meinen Redefluss.

      „Was?“ Irritiert sah ich sie an.

      „Cora. Du müsstest dich mal reden hören. Dieser Daniel spukt dir ganz schön im Kopf rum. Und das nach nur einem Tag!“

      „Blödsinn.“ Ich schob meinen Bierdeckel auf dem Tisch hin und her. „Außerdem bin ich glücklich mit Sven.“ Sven war mein Freund, mit dem ich erst ein halbes Jahr zusammen war. Er war meine große Liebe, dachte ich jedenfalls.

      „Außerdem?“, wiederholte Susanne fragend meine Worte.

      „Ich bin glücklich mit Sven.“ Trotzig blickte ich sie an.

      „Wenn du meinst. Aber Fakt ist, dass ich mir diesen Daniel morgen mal genauer ansehen werde.“

      Am nächsten Morgen gab ich mir besondere Mühe mit dem Make-up. Ich betonte meine dunklen Augen mit hellem Lidschatten. Meine Wangenknochen, die schon von Natur aus sehr ausgeprägt waren, zeichnete ich zusätzlich mit etwas dunklem Rouge nach, sodass sie noch markanter wirkten. Entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten tuschte ich mir meine sowieso schon dunklen Wimpern schwarz nach, damit sie voller und dichter wirkten. Meine kurzen schwarzen Haare brachte ich mit Gel in Form. Dann fuhr ich los, um Susanne abzuholen.

      „Hossa!“, begrüßte sie mich. „Was ist denn mit dir passiert?“

      „Wieso?“, fragte ich und blickte unsicher in den Spiegel.

      „Rouge und Wimperntusche für die Küche? Willst du die Steaks beeindrucken?“, fragte sie grinsend

      „Quatsch!“

      „Aber mal im Ernst: Du siehst klasse aus, Cora. Da steckt doch dieser Koch dahinter?“ Sie zwinkerte mir zu, während sie sich anschnallte.

      „Blödsinn“, murmelte ich, wurde aber gegen meinen Willen rot. „Ich treffe mich in der Teilzeitpause mit Sven.“

      „Schon klar, Julia. Und jetzt los, ich will endlich Romeo sehen.“

      „Mach weiter so und du nimmst ab morgen die U-Bahn.“

      Susanne grinste, bis wir im Hotel ankamen.

      „Mama, ich hab Durst“, hörte Cora Laras Stimme hinter sich, die sie wieder in die Wirklichkeit zurückholte.

      „Warte, Schatz. Ich hol dir ein Glas Wasser und dann ab ins Bett. Ist schon spät, und morgen musst du früh in den Kindergarten.“

      Nachdem Lara das Glas geleert hatte, brachte Cora sie in ihr Zimmer zurück, deckte sie zu, gab ihr einen Kuss und kehrte wieder zu ihrem Laptop zurück.

      Sie betrachtete Daniels Bild. Er hatte sich nicht sonderlich verändert, war einfach nur älter geworden. Wie wir alle, seufzte sie.

      Damals hatte es mit Daniel und ihr nicht geklappt. Als sie soweit war, sich einzugestehen, dass sie ihn mehr als bloß toll fand, eröffnete Daniel ihr, dass er ein Angebot aus dem Ausland erhalten hatte und die Kündigung bereits abgegeben war. Genau an dem Abend, als Cora sich von Sven trennen wollte. Das zog ihr damals ganz schön den Boden unter den Füßen weg. Und besonders ärgerlich: Sie wusste genau, dass sie Daniel ebenfalls nicht egal war. Sie hatten einfach zu lange gewartet, waren zulange umeinander rumgeschlichen.

      Bevor sie seine Nachricht las, goss sie sich noch etwas Wein nach. Doch viel stand da nicht.

       Hallo, Kleine. Weißt du noch, wer ich bin?

      Cora schmunzelte. Spätestens bei der Anrede hätte sie es gewusst.

      Sie klickte auf antworten.

       Daniel? Kenne ich dich? Woher? Bist du sicher, dass du mich meinst?

      Dann schickte sie die Nachricht ab. Sie wollte gerade den Laptop ausschalten, als es piepste. Sie hatte schon wieder eine Nachricht. Von Daniel. Hups, er war wohl gerade online.

      Das enttäuscht mich doch etwas

      Sie grinste.

       Hast du wirklich geglaubt, ich könnte dich vergessen? Ich wusste sofort, wer du bist. Aber es war zu verlockend, dich ein wenig zu ärgern.

      Nicht mal eine Minute später hatte sie die Antwort.

       Du wirst dich, Gott sei Dank, wohl nie ändern. Freue mich, dich hier gefunden zu haben. Was treibst du so?

      Sie „unterhielten“ sich die nächste Stunde. Cora erfuhr, dass Daniel damals nicht lange im Ausland geblieben war. Nach einem halben Jahr packte ihn das Heimweh, und er kam zurück nach Hannover. Mittlerweile lebte er in Leipzig, war Single und Küchenchef eines renommierten Hotels. Sie erzählte ihm, dass sie zwei Kinder hatte, einen stressigen Job und von Hannover in die Nähe von Frankfurt gezogen war. Sie erwähnte nicht, dass sie ihren Mann vor zwei Monaten verlassen hatte. Sie wollte kein Mitleid.

      Wenn du mal in der Nähe bist, melde dich. Dann können wir persönlich über damalige Zeiten reden, schrieb er.

      Cora lächelte. Nach Leipzig? Was sollte sie wohl da hin verschlagen?

      Klar, wenn ich mal in Leipzig bin, melde ich mich, antwortete sie. Ich bin allerdings Ende April mit den Kids bei meinen Eltern in Hannover. Am letzten Freitag im April hätte ich Zeit. Wie wär es? Treffen wir uns im Brauhaus,