Michaela Santowski

Liebe hoch 3


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verging ihr, als die Antwort kam.

       Super. Alles klar. Werde um 20 Uhr dort auf dich warten. Freu mich!

      Na toll! Was hatte sie denn jetzt angerichtet? Die Sache war nach hinten losgegangen. Sie war sich keineswegs sicher, ob sie Daniel wiedersehen wollte. In gewisser Weise hatte er ihr damals das Herz gebrochen. Er hatte ihr den Kopf verdreht und war dann einfach verschwunden. Von heute auf morgen. Obwohl sie sich sicher war, dass auch er tiefere Gefühle für sie gehabt hatte.

      Sei nicht dämlich, schimpfte sie sich selbst. Das Ganze ist achtzehn Jahre her. Du bist jetzt Mutter von zwei Kindern. Daniel ist nur eine nette Erinnerung an eine unbeschwerte Zeit. Trotzdem fühlte Cora sich merkwürdig bei dem Gedanken, ihn wiederzusehen.

      2

      Am nächsten Morgen wartete der übliche Stress auf sie. Die Kinder stritten sich, kaum, dass sie aufgestanden waren. Nils schlug seine Schwester wegen Gott weiß was, und Lara schlug zurück. Daraufhin heulte Nils, und Lara schrie, sie hätte nicht angefangen. Cora atmete tief durch. Ob das je ein Ende nehmen würde? Ihre Kraft war jedenfalls bald am Ende.

      Sie ignorierte die beiden, so gut sie konnte. Ihre Streitigkeiten sollten sie alleine regeln. Solange kein Blut floss, brauchten sie ihre Mutter nicht.

      Nachdem Cora sie im Kindergarten abgeliefert hatte, schaffte sie es tatsächlich, pünktlich auf der Arbeit zu erscheinen. Steffi begrüßte sie mit einem Grinsen und fragte, ob sie die Nachricht lesen konnte.

      Cora streckte ihr die Zunge raus und kümmerte sich um den liegengebliebenen Papierkram. Sie war gerade in einen Vorgang vertieft, als ihr interner Apparat klingelte. Mit einem Blick aufs Display sah sie das Malheur: Es war ihr Chef. Mit einem mulmigen Gefühl nahm sie den Hörer ab und meldete sich.

      „Frau Becker“, hörte sie die etwas näselnde Stimme ihres Chefs. „Kommen Sie bitte gleich in mein Büro.“

      „Aber ich bin mitten in einem Vorgang und …“, stammelte sie.

      „Das kann warten!“, stellte er klar und unterbrach die Verbindung.

      Seufzend legte Cora das Firmentelefon zurück auf seinen Platz. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

      „Wo willst du denn hin?“, frage Jörg und verzog den Mund zu einem dreckigen Grinsen, als Cora an seinem Platz vorbei kam.

      Statt einer Antwort zeigte sie ihm abgebrüht den Mittelfinger und fühlte sich sofort besser. Steffis glucksendes Lachen begleitete sie auf dem Weg zum Büro ihres Chefs.

      Als sie es fünf Minuten später verließ, war sie entlassen.

      Fünf Minuten, die mein Leben endgültig auf den Kopf stellen.

      „Frau Becker, ich mache es kurz“, hatte ihr Chef sie begrüßt und ihr nicht mal einen Stuhl angeboten. „Ihr Arbeitsplatz wird wegrationalisiert. Sie werden noch für drei Monate ihr Gehalt erhalten, sind aber ab sofort freigestellt. Es tut mir wirklich leid.“ So hatte er allerdings nicht ausgesehen. Sie hatte kurz überlegt, auch ihm den Mittelfinger zu zeigen, aber selbst das war zu schade für ihn.

      Cora trat wie in Trance an ihren Schreibtisch. Entlassen, dachte sie. Das war das Ende. Wie sollte sie jetzt nur klarkommen? Die Kinder, das viel zu große Haus.

      „Hey, was ist los?“

      Sie blickte auf und sah Steffis besorgtes Gesicht. Anscheinend stand sie schon länger vor ihr, was Cora gar nicht bemerkt hatte.

      „Entlassen“, flüsterte sie.

      „Was?“, fragte Steffi nach.

      „Ich bin entlassen“, sagte Cora mit fester Stimme und etwas lauter. Erhobenen Kopfes sah sie zu Jörg herüber. „Du hast dem Chef brühwarm alles erzählt, jedes Mal, wenn ich weg musste, weil etwas mit meinen Kindern war. Richtig?“

      Der Kollege zuckte mit den Schultern. „Schließlich musste ich deinen Kram auch noch übernehmen. Da habe ich wohl auch das Recht, dass der Chef weiß, wer hier arbeitet und wer nicht. Und irgendwie muss ich ja auch meine Überstunden erklären. Ich habe kein Privatleben mehr, seit ich ständig in der Firma bin und deine liegengebliebenen Sachen erledigen muss.“

      Cora stand auf und ging zu Jörg rüber, der mit seinem Stuhl ein wenig nach hinten rutschte, als habe er Angst. Cora lächelte. Zurecht!

      „Nun, liebster Jörg.“ Ihre Stimme trief vor Liebenswürdigkeit. „Ich bin ab sofort nicht mehr da, da ich freigestellt wurde. Leider bekommt ihr aber keine neue Kollegin.“ Sie verzog ihr Gesicht zu einer mitleidsvollen Miene. „Der Arbeitsplatz wird wegrationalisiert. Das heißt, dass dein Privatleben für unbestimmte Zeit leider auf Eis liegt. Tut mir schrecklich leid für dich.“ Cora legte ihre Hand kurz an seinen Arm, drehte sich dann um und verschwand in Richtung Toilette.

      „Wow, das war cool!“, hörte sie wenig später Steffis Stimme durch die geschlossene Kabinentür. „Jörg ist immer noch ganz weiß im Gesicht.“

      Cora schloss die Tür auf, trat an das Waschbecken und seufzte tief. „Was soll ich denn jetzt bloß machen? Als Mutter von zwei Kindern finde ich so schnell keinen Job mehr.“

      Steffi zog ihre Lippen nach, die heute zur Abwechslung mal blau waren. „Du machst genau das, was wir gestern besprochen haben. Dann hast du erstmal Mieteinnahmen und einen Babysitter.“

      Verständnislos blickte Cora sie an.

      „Du wolltest doch alleinerziehende Frauen in deinem Haus aufnehmen, damit ihr euch mit den Kids abwechseln könnt. Ist doch jetzt total praktisch. So kommt Geld ins Haus, das du jetzt dringend benötigst.“

      „Aber das war doch nur laut gedacht“, widersprach Cora.

      „Dann ist es jetzt eben kein Gedanke mehr, sondern die Lösung.“

      „Bei dir klingt immer alles so einfach.“

      „Ist es doch auch. Du musst nur eine Anzeige aufgeben.“

      „Steffi!“, sprach Cora mit ihr, wie mit einem ihrer Kinder. „Ich kann nicht irgendwelche wildfremden Frauen in mein Haus lassen, die auch noch auf meine Kinder aufpassen sollen. Keine Mutter vertraut ihre Kinder jemandem an, den sie nicht kennt.“

      „Dann häng eben einen Zettel in deinem Kindergarten aus. Die Mütter kennst du ja quasi alle.“

      „Du hast wohl auf alles eine Antwort.“

      „Gut für dich.“ Steffi drückte Cora herzlich und verließ die Toilette.

      Cora blickte ihr Spiegelbild an. „Einen Versuch ist es wert“, seufzte sie.

      3

      Jens Blick fiel auf den Zettel, der noch nicht lange im Kindergarten hängen konnte.

      Suche alleinerziehende Mütter mit Kindern, die genauso verzweifelt sind wie ich, weil sie Kinder, Haushalt, Arbeit und den meist nicht vorhandenen Babysitter nicht unter einen Hut bekommen. Biete je zwei Zimmer in großem Haus. Warum sollten wir uns nicht zusammentun und uns das Leben etwas erleichtern? Sprich mich einfach an oder ruf an.

      Darunter standen eine Telefonnummer und der Name Cora. In Klammern hatte sie geschrieben (Mama von Lara und Nils).

      Jen seufzte. Wenn man Kinder hatte, wurde man automatisch auf Mama von … reduziert. Das hatte Cora gut erkannt. Auch ansonsten sprach dieses Angebot sie an. Cora hatte aus tiefstem Herzen geschrieben, das merkte man. Und wenn Jen ehrlich war, bot sich ihr hier die perfekte Lösung ihrer Probleme. Ihr Sohn Tim war sechs Jahre alt. Seit sein Vater vor vierzehn Monaten bei einem Unfall ums Leben gekommen war, wohnte Jen mit ihm wieder bei ihrer Mutter. Genau das war das Problem: Ihre Mutter schaffte das mit Tim nicht mehr, obwohl sie es nie zugeben würde. Jen war Flugbegleiterin und manchmal fünf Tage am Stück weg. Tim wickelte seine Oma um den kleinen Finger, sodass die Erziehung auf der Strecke blieb. Zuviel Süßigkeiten,