Elli Manteuffel

Die schweren Wege-Eine Familiengeschichte


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      Die schweren Wege

      1. Erzbischof Leopold Anton von Firmian

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      Reichsfreiherr von Firmian um 1730 zum Fürsten und Erzbischof von Salzburg ernannt,

      herrschte fortan hier mit grausamer Hand.

      Zahlreiche Gläubige im Salzburger Land hatten sich zum evangelischen Glauben bekannt.

      Das wollte ändern Erzbischof Firmian,

      bevor er verlor den letzten Untertan.

      So ließ dieser fromme Mann einen Pastor hinrichten gar,

      nur weil der evangelisch war.

      Zwei andere starben im Kerker von ganz allein.

      Das war ihre Strafe und sollte so sein.

      Morde und Repressalien, sie nahmen kein Ende,

      trotz allem kehrte nicht ein die erhoffte Wende.

      Manch evangelische Familie ließ er vertreiben, jedoch deren kleinere Kinder im Land mussten bleiben.

      Als all dieses wenig brachte, sich der fromme Mann etwas Neues erdachte.

      Er erließ ein Edikt ganz skrupellos,

      dadurch wurde er alle evangelischen Christen auf

      einmal los.

      Wer sich nicht ließ in 15 Tagen bekehren,

      dem wollte er die Heimat für immer verwehren.

       Mehr als Zwanzigtausend, das ist bekannt,

      mussten verlassen ihr Vaterland.

       Bitterkeit, Strapazen und Schmerz

      brachen so manchem Vertriebenen das Herz.

      Auf dem schweren Weg in ein fremdes Land

      ein Fünftel von ihnen den Tod bereits fand.

      Das Salzburger Land aber litt unter dem Aderlass,

      denn es fehlten fleißige Hände.

      Eine wirtschaftliche Katastrophe wurde das.

       Erst Jahre später trat ein eine Wende.

       Firmians Verbrechen tat der Papst so anerkennen,

      dass dieser fortan durfte sich „Hoheit“ nennen.

      2. Aus dem Leben meiner Vorfahren

      Zu den mehr als 20 000, die im Jahre 1732 wegen ihres Bekenntnisses zum evangelisch-lutherischen Glauben von dem katholischen Bischof Firmian aus ihrer Salzburger Heimat vertrieben wurden, gehörten auch

      meine Vorfahren. Unbeugsam und ihrem Glauben treu verließen sie ihr Heimatland und zogen einer

      ungewissen Zukunft entgegen.

      Vertrauter Duft der bunten Wiesen,

      wo jedes Kräutlein doch bekannt,

      die Berge, diese dunklen Riesen,

      wie wunderschön ist dieses Land.

      Und Väter, Mütter es bebauten

      mit Müh und Fleiß und mit Verstand,

      voll Zuversicht der Zukunft trauten,

      verließen nun ihr Heimatland

      Wie lange mögen sie wohl unterwegs gewesen und wie viele auf diesem Weg gestorben sein, bis sie vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. aufgenommen wurden und im Osten Preußens eine neue Heimat fanden!

      Nach der dritten Teilung von Polen-Litauen 1795 kam das Gebiet des heutigen Südwestlitauens zu Preußen. In diesem Gebiet „Neuostpreußen“ siedelten sich dann etliche der Nachkommen unserer Vorfahren aus dem Salzburger Land an. Besonders entlang der Memel hatte Anfang des 18. Jahrhunderts die Pest zahlreiche Menschen dahingerafft. Auch dadurch war das Land dünn besiedelt und Bodeneigentum günstig zu

      erwerben.

      Meine Mutter, Erna Olga Beier, geboren in Prienai (Litauen), hinterließ für uns folgende Aufzeichnungen:

      Unser Großvater, Gustav Drommel, wurde im Jahre 1875 in einem Dorfe nahe dem Städtchen Shaky (Sakiai) in Litauen geboren. Sein Großvater war aus Ostpreußen zugezogen und hatte in Litauen eine kleine Landwirtschaft erworben, denn hier war das Land billiger.

      Im 19. Jahrhundert befand sich der größte Teil des damaligen litauischen Territoriums unter russischer Herrschaft, regiert von einem Zaren. Das einfache Volk litt unter Frondiensten und Leibeigenschaft. Sehr hoch war die Kindersterblichkeit unter diesen unmenschlichen Bedingungen. 1830/31 und 1863 kam es zu Aufständen gegen die maßlose Auspressung des Volkes. Aber auch kriminelle Banden trieben ihr grausames Unwesen unter dem Deckmantel des Kampfes für die Befreiung von der russischen Besatzungsmacht.

      Zahlreiche Horden zogen von Dorf zu Dorf, von Haus zu Haus, plünderten und raubten und zwangen die jungen Männer, mit ihnen zu kommen oder brachten sie um.

      Eines späten Abends zur kalten Winterzeit wurde mit großer Heftigkeit an die Haustür der Ururgroßeltern geklopft. Drohende Stimmen riefen: „Sofort aufmachen!“ Unser Urgroßvater war noch ein Kind, während seine beiden Brüder bereits erwachsen waren. Zu Tode erschrocken versteckten sich die älteren Brüder eiligst. Der eine kroch in den Backofen, während der andere auf den Strohboden eilte und sich im Stroh versteckte. Da die Bande immer heftiger an die Tür schlug und in wilder Wut diese aufzubrechen begann, öffnete der verzweifelte Vater. Die Verbrecher durchsuchten und durchwühlen das ganze Haus, zerstörten, was ihnen im Wege stand und stiegen dann auf den Dachboden. Dort stocherten sie mit Forken im Stroh herum und stießen so auf den Bruder unseres Urgroßvaters. Den schwer Verletzten schleppten sie mit sich fort. Am Kreuzweg, wo sie bereits viele Männer aufgehängt hatten, erhängten sie auch ihn. Lange hingen die Leichen dort und niemand durfte es wagen, sie abzunehmen und zu beerdigen. Die Hinterbliebenen aber mussten mit diesen furchtbaren Erlebnissen weiter leben.

      Nach einiger Zeit wurden die Aufstände durch russische Truppen niedergeschlagen und gleichzeitig wurden auch die kriminellen Banden bekämpft. Die Leibeigenschaft wurde 1861 formal durch den Zaren Alexander II. im gesamten russischen Reich aufgehoben, doch nur wenig wurde verändert.

       Unser Urgroßvater

      Das Leben wurd` ihm eine schwere Pflicht

      und Frohsinn, der gelang ihm nicht.

      Sehr gottesfürchtig war er Lebenszeit.

      Das gab ihm Kraft,

      doch keine Heiterkeit.

      Wenn die Sonne begann ihren Tageslauf,

      stand er am frühesten Morgen auf.

      Und härteste Arbeit jeden Tag,

      doch brachte dies alles geringen Ertrag.

      Der Überlebenswille trieb ihn stets an

      und so heiratete auch dieser so ernste Mann.

      Unser Urgroßvater, der die entsetzlichen Geschehnisse ohne körperlichen Schaden überstanden hatte, heiratete später die aus dem Kirchspiel Fürstenwalde (Ostpreußen) stammende Marianna, Tochter der Witwe Rentel. Gemeinsam kauften sie sich

      in Litauen eine kleine Landwirtschaft von zwölf Morgen Land und hatten neun Kinder.

      Urgroßmutter pflegte oft aus ihrer Kindheit und Jugend zu erzählen. Da die Landwirtschaft nicht genug einbrachte und die Familie groß war, beschäftigte sich Urgroßmutter mit Weben. Sie verstand es, Handtücher, Tischdecken und Leinen kunstvoll zu weben und hatte stets Arbeit genug. Ihr Tagwerk begann schon um fünf Uhr morgens und auch früher. Ihre Kinder wurden im frühen Alter zur Mitarbeit herangezogen und die vier Söhne mussten bereits mit sieben Jahren das Elternhaus