Holly B. Logan

Aluminium-Mädchen


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Detective! Ermitteln Sie in dem Fall? Ist das ein Verhör? Bin ich festgenommen?"

      "Pfff, ein Verhör! Na hör mal!"

      Sie lächelte und stieß sanft gegen meine Schulter.

      Ambers geheimnisvolle Art - die Aura, die sie versprühte: All das erregte mich wahnsinnig. Mich überkam eine schreckliche Lust, sie zu küssen. Obwohl jede Faser meines Körpers sich zu ihr hingezogen fühlte, war sie mir dennoch nicht ganz geheuer.

      "Und sexuell? Wie war das so?", hakte ich noch einmal nach.

      "Ahm ..."

      "War es schlecht?"

      "Nein, es war nicht schlecht."

      Ich merkte, wie es ihr immer unangenehmer wurde, dass sie überhaupt mit diesem Thema angefangen hatte.

      "War es gut?"

      "Ähm ... nein, es war ... ich weiß nicht. Ich kann's nicht sagen ... gut ... schlecht ... wer entscheidet denn, was gut und was schlecht ist?"

      Sie sah mir tief in die Augen. Nun hatte sie es geschafft: Ich war ihr verfallen. Ihre laszive und zugleich nüchterne Art wirkte auf mich wie ein exotisches Aphrodisiakum. Instinktiv spürte ich, dass nicht nur an dieser Tracy-Kaufman-Story, sondern auch mit dieser Frau ganz gewaltig etwas nicht stimmte. Doch die Vorstellung bald mit ihr zusammenzuwohnen, wischte meine Skepsis beiseite.

      5. Kapitel

       Am selben Abend

      Als ich meine Hand auf den Türgriff der Eingangstür meines Hauses legte, bekam ich einen Stromschlag. Erschrocken wich ich zurück, stolperte einen Schritt nach vorn und knallte gegen die Tür. Der Schlüssel fiel zu Boden und mein Knie durchschoss ein piekender Schmerz.

      "Mist, verdammter", fauchte ich.

      Ich bereute, so viel getrunken zu haben. Dass ich den Hals aber auch nie vollbekam! Für einen Moment überlegte ich, wie ich überhaupt nach Hause gekommen war, als mir plötzlich der schnuckelige Taxifahrer wieder einfiel. Ich hatte ihn am Valley Drive ran gepfiffen, als ich in meinem doch recht angetrunkenen Zustand bemerkte, dass ich vom Wein umnebelt und von der warmen Luft des Sommers getragen, einen ganzen Block in die falsche Richtung gelaufen war.

      Ich bückte mich, um den Schlüsselbund aufzuheben und hatte wieder Ambers Parfüm in der Nase. Glückselig grinste ich vor mich hin.

      Im Hausflur war es dunkel. Ich wollte das Licht anmachen, als eine Stimme leise aus der Finsternis des Aufgangs zischte: "Nicht, lass das Licht aus!".

      Mir sprang das Herz fast aus dem Brustkorb. Ein seltsames Keuchen, das aus der Richtung des Treppengeländers kam, lähmte mich einen Augenblick vor Schreck.

      Jetzt ist es soweit, schoss es in panischer Angst durch meinen Kopf.

      Ich bin Mädchen Nummer Fünf.

      "Bitte", sagte die mir plötzlich vertraute Stimme jammernd: "Ich möchte im Dunkeln sitzen."

      Mein Herz trommelte wie wild. Ich kniff die Augen zusammen. Allmählich gewöhnten sie sich an das spärliche Licht, das von einer surrenden Glühbirne aus dem Hinterhof in den Hausflur fiel. Deutlich konnte ich jetzt die Umrisse einer gekrümmten Gestalt, die auf der letzten Stufe der Treppe neben den Briefkästen saß, erkennen.

      "Ich möchte im Dunkeln sitzen", wiederholte die weinerliche Stimme.

      Ich kannte sie. Mein Pulsschlag begann, sich wieder auf seine normale Frequenz einzupegeln.

      "Kolberg?", fragte ich in die Dunkelheit: "Kolberg sind Sie das?"

      "Ja, Kindchen", lallte er mir entgegen: "Hab ich dich erschreckt?"

      "Und wie!"

      Kolberg ließ den Kopf tief zwischen seinen Knien hängen. Er trug nur einen Schuh, sein linker Fuß steckte in einer Socke. Es roch nach Fusel. Neben ihm stand eine Schnapsflasche, eine zweite schien leer zu sein und war in Richtung der Briefkästen gekullert. Augenscheinlich steckte der arme Kerl in einer Krise. Er wirkte deprimiert und lallte über sein aus seiner Sicht verpfuschtes Schriftsteller- und Journalistenleben.

      "Alles nur noch Blödsinn. Dieses Facebook: Pfff ... alles vorbei. Sinnlos. Alles ist so sinn … hicks … los geworden."

      Ich wollte zwar eigentlich nur schnell ins Bett, aber offensichtlich wollte Kolberg nicht allein sein. Obwohl ich mir einen besseren Ort vorstellen konnte, als das Treppenhaus, setzte ich mich zu ihm. Es interessierte mich nicht sonderlich, was der alte Suffkopp schwafelte, aber er schien froh über Gesellschaft zu sein. Mit den Gedanken bei Amber ließ ich ihn sich den Frust von der Seele lallen.

      "Die werden alle immer jünger! Das sind Babys! Babys!"

      "In Ihrem Sender meinen Sie?"

      "Ha, ha", er lachte ironisch, "in meinem Sender. Der Witz ist gut. Meinen Sender übernehmen jetzt andere. Die Jugend. Die Jugend weiß, was sie tut". Er lachte wieder höhnisch. "Diese Scheiß-Jugend! Was kann die denn? Nichts! Gar nichts! Alles läuft nur noch übers Internet. Eigene Gedanken: Fehlanzeige! Musste irgendwann ja so kommen!"

      "Was denn?"

      "Dass man ein Fossil ist."

      "Oh, achso."

      "Die Welt geht vor die Hunde."

      "Fürwahr."

      "Früher hat es was bedeutet, Erfahrungen zu haben. Heute gehört man mit Ende fünfzig zum alten Eisen. Und dann ist man nichts mehr wert!"

      "Ach, Kolberg", versuchte ich ihn zu trösten, "das stimmt doch so nicht. Was sagt denn Ihre Frau dazu?"

      "Meine Frau", Kolberg setzte die Flasche an und trank einen Schluck. Dann sagte er: "Abgehauen ist die! Meine Frau."

      "Oh! Tut mir leid", flüsterte ich und legte meine Hand auf seine Schulter.

      "Wissen sowieso schon alle. Geschieht mir recht. Was muss ich auch den jungen Dingern nachglotzen."

      Kolberg erzählte von seinen Versuchen, im Sender im Gespräch zu bleiben. Wichtig zu bleiben. Unersetzbar zu sein. Alles war erlaubt, solange es dazu führte, dass man wahrgenommen wurde. "Wer nicht wahrgenommen wird, ist erledigt", sagte er und setzte wohl alles daran, Aufmerksamkeit zu erregen. Im Zweifel sogar negative. Und das gelang ihm durch seine Affären mit "jungen Hüpfern". Die aber in Wahrheit, wie Kolberg eingesehen hatte, über ihn nur an die wirklich wichtigen Kontakte rankommen wollten. "Die haben ganz schnell begriffen, wie der Hase läuft."

      "Aber Kolberg, das kann Ihnen doch egal sein, ob der Nachwuchs Sie als Sprungbrett benutzt. Sehen Sie es doch mal positiv, Sie haben wieder Sex mit Zwanzigjährigen!"

      Das gefiel ihm, er grinste geschmeichelt.

      "Ja, stimmt, so kann man's auch sehen." Er war inzwischen ziemlich abgefüllt. "Ich hasse die Frauen", lallte er, "außer dich, Kindchen, dich hasse ich nicht." Er hickste.

      "Kommen Sie! Wir bringen Sie jetzt erstmal ins Bett."

      Ich wollte ihm aufhelfen, aber er war nicht einen Zentimeter zu bewegen.

      "Ist schon okay, Kindchen", sagte er schläfrig, "geh du nur, ich komm schon klar".

      "Sicher?", fragte ich, doch er schien bereits eingenickt.

      Ich zweifelte, ob es eine gute Idee war, Kolberg auf der Treppe seinen Rausch ausschlafen zu lassen, aber er war ein erwachsener Mann und ich nicht für ihn verantwortlich. Ich zupfte ein bisschen an seiner Strickjacke herum und sah zu, dass ich ins Bett kam.

      Obschon ich hundemüde war, war an Schlaf nicht zu denken. Alles in mir drehte sich. War das nur der Alkohol? Oder saß ich schon im Liebeskarussell? Durchs offene Fenster drangen die Geräusche der Engelstadt in mein Schlafzimmer - ein monotones Summen, das versuchte, mich liebevoll in den Schlaf zu wiegen.

      Die Hitze des Tages lag auch jetzt noch, mitten in der Nacht, wie eine Käseglocke über den Gebäuden und krabbelte bis unter meine Bettdecke.