Holly B. Logan

Aluminium-Mädchen


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rechts, nestelte an meinem Kopfkissen, zählte Schäfchen und stand sogar noch einmal auf, um mir eine Milch mit Honig zu machen. Wenn nichts half: Heiße Milch hatte mich nie im Stich gelassen. Immerzu musste ich an Amber denken. An ihren Mund. An ihre Grübchen, wenn sie lachte. An die Muschelohrringe, die an ihren Ohrläppchen hin und her baumelten.

      Der Gedanke an sie erregte mich immer mehr. Mit geschlossenen Augen versuchte ich, mir jedes noch so kleine Detail in Erinnerung zu rufen. Allein wie sie sich das Haar hinter ihre Ohren klemmte - jede ihrer Gesten war so erotisch, dass ich mir wünschte, sie würde jetzt neben mir liegen. Mit dem Gedanken, mich eng an ihren Körper zu schmiegen, formte ich mir aus meinem Kopfkissen einen Menschen und schlief trotz plötzlich aufjaulender Sirenen, die durch die Nacht schrillten, ein.

      Bumm bumm bumm. Ein lautes, hämmerndes Geräusch riss mich aus dem Schlaf. Was war das? Hatte ich schlecht geträumt? Ich drehte mich auf den Rücken und lauschte in die Nacht.

      Stille.

      Ich wollte die Augen gerade wieder schließen, als ich es erneut hörte. Bumm bumm bumm. Noch lauter als zuvor. Obwohl die Intervalle kürzer wurden, war nicht auszumachen, woher das Hämmern kam. Ich knipste das Licht auf meinem Nachttischchen an, richtete mich auf und lauschte erneut. Das Hämmern schien aus Kolbergs Appartement zu kommen. Was, um alles in der Welt, stellt er um diese Uhrzeit an? Ich beschloss, ihn zur Rede zu stellen. Kurz bevor ich die Treppen zu ihm herunterzustürzen wollte, fiel mir auf, dass ich im Schlaf mein T-Shirt und meine Schlafanzughose ausgezogen hatte. Amber - sie allein war der Grund. Verstohlen grinste ich in mich hinein und streifte mir schnell meinen Bademantel über. Dann schlurfte ich, ohne auf der Veranda das Licht anzumachen, leise nach unten und drückte zweimal auf Kolbergs Klingel. Nichts geschah. Außer, dass das Hämmern nun nicht mehr zu überhören war.

      "Ruhe, verdammt nochmal!", brüllte eine krächzende Stimme aus einem der Nachbarhäuser.

      Ich klingelte erneut. Erst nach mehrmaligem Klopfen öffnete er. Krankenhauslicht strömte mir entgegen.

      "Ähm, äääh?", stotterte ich bei seinem Anblick.

      Kolberg trug nur Schuhe und war ansonsten nackt. In der rechten Hand hielt er einen Hammer. Sein Körper war von einer Staubschicht überzogen. Ich rieb mir die Augen. Die Situation war surreal, ich wusste nicht, ob ich mich fürchten oder lachen sollte.

      "Was machen Sie für einen gottverdammten Lärm?" Ich versuchte, streng zu klingen.

      "Sie musste weg", sagte Kolberg knapp.

      "Hä?", fragte ich perplex. Ich war zu müde für tiefgehende Gespräche.

      "Sie hat mich ausgelacht! Ihr Bild: Es hat mich aus … ge … lacht! Ab mit ihr! Und weg!"

      So richtig schlau wurde ich nicht aus ihm, aber als ich am nackten Kolberg vorbeischaute und im Hintergrund eine halb eingerissene Wand erblickte, fiel der Groschen. Kolberg hatte den linken Bereich seines Wohnzimmers eingerissen, an der ein Bild seiner Ex-Frau hing.

      "Kolberg, wieso haben Sie das Bild nicht einfach abgehängt, wieso reißen Sie gleich die ganze Wand ein? Mitten in der Nacht."

      Kolberg wiederholte mit Nachdruck: "Sie hat mich ausgelacht!"

      "Jetzt legen Sie sich mal lieber hin! Und als Erstes nehmen Sie den Hammer aus der Hand! Die Nachbarn schimpfen schon! Nicht, dass gleich noch jemand die Cops ruft! Gönnen Sie sich und den andern ein bisschen Ruhe, ja?"

      "Miss Paxton, Kindchen, ich mach alles, was du sagst. Alles! Aber bitte - ein Aspirin, ich brauche ein Aspirin. Hast du ...?"

      "Sicher", sagte ich, "warten Sie hier, rühren Sie sich nicht vom Fleck, legen Sie den Hammer aus der Hand, ich bin gleich wieder da!"

      Ich flitzte die Treppen nach oben, lief ins Bad, öffnete den Badezimmerschrank, wo ich meine kleine Hausapotheke hatte, schnappte die Schachtel und - erschrak!

      Kolberg war mir gefolgt. Nackt stand er in meinem Badezimmer. Den Hammer noch immer in der Hand! Sein Atem ging schwer, er hielt den Kopf gesenkt.

      "Machen Sie jetzt keinen Scheiß!", stammelte ich.

      Doch Kolberg sagte nichts und schaute mich nur an, musterte mich von oben bis unten. Ich bekam Angst, schreckliche Angst. Doch dann begriff ich, weshalb er mich so anstarrte. Auch ich war fast nackt unter meinem Bademantel. Erst jetzt fiel mir auf, dass sich mein Gürtel gelockert hatte. Mein Puls raste.

      Der liebe, nette Arvid Kolberg war mit einem Male zu einer Bedrohung geworden. Unter seinen gierigen Blicken zurrte ich den Gürtel fest und bat ihn, mir den Hammer zu geben. Aber Kolberg antwortete nicht, tat nichts, sagte keinen Ton. Eine Weile stand er einfach nur da und starrte mich weiter an. Dann sagte er: "Ich wollte doch nur, dass sie aufhört, mich auszulachen."

      Er hatte eine schreckliche Fahne. Offenbar hatte er beide Flaschen Schnaps geleert. Ich versuchte, meine Angst in den Griff zu kriegen und redete mit ruhigen Worten auf ihn ein: "Sie geben mir den Hammer und ich gebe Ihnen das Aspirin! Deal?"

      "Deal", sagte Kolberg mit brüchiger Stimme und hielt mir den Hammer hin.

      Dann sackte er auf meinem Badewannenrand zusammen. Eben noch angsteinflößend wirkte er jetzt bemitleidenswert.

      Ich nahm ein Glas aus dem Schrank, hielt es unter fließendes Wasser, warf das Aspirin hinein und hielt es ihm hin. In einem Zug kippte er das Zeug hinter und stierte vor sich hin. Dann erhob er sich mit wackligen Knien, bedankte sich mit einem Nicken und schob seinen blässlichen Hintern aus meiner Wohnung.

      Erschöpft fiel ich, nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, zurück in mein Bett.

      Doch an erholsamen Schlaf war nicht mehr zu denken.

      6. Kapitel

       18. Juli, 08:27 Uhr, Manhattan Beach

      Das Glas schlug mit einem schrillen Klirren auf dem Küchenboden auf. Dutzende Scherben verteilten sich in alle Richtungen und lugten wie kristallene Inseln aus einem weißen Miniatur-Meer heraus. Was eben noch meine geliebte morgendliche Milch war, verwandelte sich binnen Sekunden in eine blöde Putzarbeit. Ein Dröhnen an meiner Tür hatte mich erschreckt und aus meinem Körper ein unkoordiniertes Ding gemacht, das mit einer schreckhaften Drehung das Malheur verursacht hatte.

      "Mist", fluchte ich und trappelte mit nackten Füßen um das Ärgernis herum.

      Es klingelte erneut. Ich hasste diesen Ton. Warum geben Wohnungsklingeln nur immer so hässliche Laute von sich, dachte ich und lief ins Schlafzimmer. Dort riss ich mir den Morgenmantel vom müden Leib, schob mir eine Jeans über die Hüften und zog mir ein T-Shirt an. Ich vermutete einen verkaterten Kolberg vor der Tür, der sich für sein Verhalten entschuldigen möchte. Ich hatte keine Lust, mich erneut seinem Blick auszusetzen.

      Die Klingel dröhnte ein drittes Mal, gefolgt von einem leichten Hämmern.

      "Ist ja gut, ich komm ja schon", rief ich genervt.

      Ein Blick auf den Wecker verriet, es war erst 08:27 Uhr am Morgen. Definitiv nicht meine Zeit. Ich war wütend. Wütend wegen der Milch, die gerade in die Fugen meiner Küchendielen sickerte und bald furchtbar stinken würde, wütend, weil ich kaum geschlafen hatte und wütend auf Kolberg, der mit seinem freischwingenden Genital auf meiner Wanne den Badezimmer-Thor mimte.

      Es klingelte ein viertes Mal.

      Vorbereitet auf einen Schwall an Entschuldigungen und schäbigen Ausreden riss ich die Tür auf.

      "Was ist?", fauchte ich in den Treppenaufgang.

      Doch anstelle von Kolberg blickten mich zwei wässrige von verschmierter Wimperntusche umrandete Augen mich an.

      "Amber, du?", sagte ich erschrocken.

      Amber krallte sich wimmernd am Türrahmen fest. Der Nagellack an ihren Händen war noch immer abgeplatzt, einige Nägel waren abgebrochen. Sie wirkte zerbrechlich, zitterte.

      "Juliet … ich ... ich …", schluchzte sie und sackte vor mir zusammen.

      Ohne