Gerstäcker Friedrich

In Amerika


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Serviette noch in der Hand.

       William Tecumseh Sherman (im Jahre 1820 in Ohio geboren, in der Militär-Akademie in West-Point ausgebildet) war ein durchaus militärischer, gerader und derber, aber auch offener und ehrlicher Charakter, der, was wahrlich nicht viel sagen will, keinen Feind in den Vereinigten Staaten hatte, als jetzt die Männer, die ihm mit den Waffen in der Hand gegenüber standen.30

       Sherman war etwas über Mittelgröße, eine kräftige Natur, aber mehr in Knochen und Sehnen als in Fleisch – ein Körper, wie gemacht, um Strapazen und Mühseligkeiten zu ertragen, und dabei von oft und oft geprüftem Mut, der zuweilen sogar an Keckheit grenzte und Gefahren eher suchte, als dass er sie vermied.

       „Die ruhelosen Arme und Beine sind lang, knöchern, greifend“, sagte Dr. Ernst Reinhold Schmidt von ihm in der Geschichte des Amerikanischen Bürgerkrieges.31 „Der Gang ist schnell, unruhig, sprungfederartig. Die nachlässige Haltung und Kleidung, die sorglose Ausdrucksweise bezeichneten den Mann, der dem Schein abhold, das Urteil der Menge nicht für sich gewinnen mochte. Man hat Sherman ein Original genannt; es wäre richtiger, wollte man in ihm einen genialen Menschen erkennen. Dieser auffallend große Kopf, mit dem unverhältnismäßig stark entwickelten Schädel und der hohen Stirn, birgt ein gewaltiges, gedankenreiches Hirn, dessen rastlose innere Tätigkeit aus den unsteten grauen und scharfen Augen hervorleuchtet. Die Züge des verwitterten Gesichts sind überaus scharf markiert, besonders um die Mundwinkel tief eingeschnitten, und geben demselben einen Ausdruck von Härte und Strenge, die nicht in dem Wesen Shermans lag. Struppiges, kurzgeschnittenes Barthaar beschattet Lippen, die fein und festgeschlossen erschienen, wenn – die Zigarre fehlte, oder der Mund schwieg, was ein seltener Fall war.“

       Sherman trug seine einfache Generalsuniform, nur mit den Achselklappen als einzige Auszeichnung – kein Orden schmückte die Brust des Siegers in vielen Schlachten, ja die hohen, scharf gestärkten ,Vatermörder’, die ihm hinten weit aus der Krawatte empor standen, gaben ihm sogar etwas Philisterhaftes, was aber sein Auge rasch genug Lügen strafte.

       Toilette hatte er nicht gemacht, das Haar schien wenigstens in einer Woche nicht gekämmt; aber er wäre auch ebenso dem Präsidenten oder dem Oberbefehlshaber der Armee wie hier den rebellischen Pflanzern entgegengetreten – was kümmerte ihn die Welt. Hier aber dachte er gar nicht daran, Rücksichten zu nehmen, denn er kannte die Menschenklasse, die er da vor sich hatte. Er ging nicht einmal zu ihnen hinaus. Auf der steinernen Schwelle des Hauses blieb er, die Zigarre im Munde, stehen, und eine einfache Bewegung seiner Hand sagte den Herren, dass er sie dort erwartete.

       Taylgrove zögerte, einer solchen Aufforderung Folge zu leisten, Lesley aber, dem daran lag, das zu hören, was ihnen der General zu sagen hatte, trat zuerst vor, und als ihm die anderen jetzt folgten, wartete Sherman, bis auch die Letzten herangekommen waren.

       „Herr General“, ergriff da Lesley das Wort, „Sie hatten den Wunsch ausgesprochen, uns hier zu sehen.“

       „Gentlemen“, sagte Sherman, ohne auf die Einleitung eine Antwort für nötig zu halten, oder sie doch jetzt wenigstens im Allgemeinen zu geben. „Ich habe Sie herrufen lassen, um Ihnen in wenigen Worten den Stand der Dinge im gegenwärtigen Augenblick klar zu machen. Der Feind ist besiegt, seine Macht und sein Trotz gebrochen. Der Rest Ihrer Armee ist in drei Teile zerlegt, und wir sind eben bei der letzten Arbeit, diese vollständig aufzureiben.“

       „General“, sagte Taylgrove, der sich nicht länger mäßigen konnte. „General Lees Armee steht noch ungebrochen.“

       „Ich habe Sie nicht rufen lassen, um Ihre Ansichten über den Stand des Krieges zu hören“, unterbrach ihn der General scharf, „sondern Ihnen einfach Tatsachen mitzuteilen; ob Sie dieselben glauben oder nicht, kann mich nicht kümmern. Jedes Wort unserer glorreichen Konstitution ist jetzt zu einer Wahrheit geworden, alle Menschen sind frei; es gibt keine Sklaven mehr, und ehe wir den Platz wieder verlassen, wird der farbigen Bevölkerung desselben das neue Gesetz mitgeteilt, wie auch, dass jeder Neger oder Farbige seinen freien Willen hat, sich unserem Zuge anzuschließen.“

       „Aber der Süden hat das Gesetz nicht anerkannt!“, rief Harper heftig aus. Sherman antwortete ihm gar nicht; nur sein graues Auge haftete einen Moment auf ihm, dann fuhr er ruhig fort:

       „Treten Sie noch, nachdem wir den Platz verlassen haben, gewalttätig gegen Ihre Gegner auf, dann haben Sie sich die Folgen selber zuzuschreiben; schon heute haben Sie eine Probe davon erhalten, was dieses bisher geknechtete Volk vermag, wenn es sich erst seiner Freiheit und Macht bewusst ist. Folgen Sie m e i n e m Rat, so stellen Sie sich mit den Leuten auf einen guten Fuß. Erkennen Sie die Tatsachen an, es bleibt Ihnen doch nichts anderes übrig; und jetzt ersuche ich Sie nur noch, für den Unterhalt meiner Truppe für diese Nacht zu sorgen, denn morgen früh werden wir unseren Marsch wieder fortsetzen. Tun Sie das gutwillig, so wird es mit keinen großen Unbequemlichkeiten verbunden sein; muss ich aber meine Leute zum Fouragieren ausschicken, so kann ich eben nicht für kleine Überschreitungen einstehen. Wir sind einmal im Krieg und in Feindes Land.“

       „Aber, General...“

       „Ich habe Ihnen nichts weiter zu sagen und schicke Ihnen nur meinen Quartiermeister zu, mit dem Sie das Übrige besprechen und regeln können – Guten Abend, meine Herren!“ Und mit einer Bewegung der Serviette drehte er sich um und schritt wieder in das Haus zurück.

Robert E

      General Robert E. Lee, Oberbefehlshaber der Nord-Virgina-Armee, erst im Jahre 1865 noch zum Oberbefehlshaber aller konföderierten Truppen ernannt.

      FÜNFTES KAPITEL

      Auf der Farm.

       Jubelgeläute und Böllerschüsse im ganzen Land – Flaggen mit den siegreichen Sternen und Streifen stolz auswehend fast an jedem Hause in den größeren Städten. Siegestaumel vom Atlantischen bis zum Stillen Meer, und „Frieden! Frieden!“ hallte der freudige Ruf durch Palast und Hütte, die Herzen der Ärmsten und Reichsten mit Dank und Wonne füllend.

       Es war ein langer, blutiger Krieg gewesen, der, fast vier Jahre anhaltend, weit über hunderttausend Menschenleben gekostet hatte32 – ein langer, blutiger Krieg, und Tränen und Schmerz hatte er den Hinterbliebenen genug gebracht und Tausende von Krüppeln über das weite Land gestreut, aber auch ein großes Ziel erreicht und die Schmach und den Fluch der Sklaverei von dem „freiesten Lande der Erde“ genommen.

       E i n großes Opfer forderte er noch zuletzt: Abraham Lincoln – der tüchtigste und wackerste Präsident, den die Vereinigten Staaten seit Washington und Jefferson gehabt, fiel von der meuchlerischen Kugel eines Buben, und was half es der Nation, dass der Mörder bald darauf gefasst wurde und seine Strafe erlitt, der Verlust des Mannes blieb unersetzlich, noch dazu, da ihm der unfähige Vizepräsident Johnson in der Regierung folgte. Aber General Grant, der Oberbefehlshaber der Nordischen Armee, hatte schon den entscheidenden Schlag geführt. Lee, der beste General, den der Süden je gehabt, musste sich zuletzt, halb aufgerieben und von allen Seiten bedrängt, mit seiner Armee ergeben, und die Rebellion war unterdrückt und zu Ende.

       Grant und Lee schlossen den Vertrag ab. „Die Zusammenkunft der beiden Heerführer“, schreibt Dr. Schmidt, „war kurz, im praktischen Geschäftsstil der Amerikaner. Weltgeschichtliche Ereignisse bedürfen nicht des dramatischen Effekts. Aber es ist der Erwähnung wert, dass der Sieger mit Schonung und selbstverleugnender Großmut den Fall des stolzen Generals zu mildern suchte. Die Kapitulation lautete im Wesentlichen: dass die Soldaten der vormaligen Armee von Virginien auf Parole entlassen werden sollten. Die Offiziere behielten ihre Degen. „So lange sie die Parole und die Gesetze des Ortes, in dem sie fortan leben, beobachten, werden die Vereinigten Staaten sie nicht stören“33, hieß es in dem Vertrag.

      Lincolnattentat Andrew Johnson

      Das