Brockenhexe

Die Pyramide.


Скачать книгу

Sie mir, an welchen Stränden Sie gewöhnlich morden, damit ich mein Leben in Sicherheit bringen kann.“

      Ich hatte mich wieder halbwegs im Griff. Fischer lachte und Kurti meinte:

      „Ich hatte schon gehofft, Sie hätten sie ein für allemal mundtot gemacht.“

      Dann sagte noch jeder von uns „Asta la vista“ und Fischer verschwand.

      „Zeit fürs Essen,“ rief Kurti.

      Während ich mich in meinem Zimmer unter die heiße Dusche stellte und anschließend restaurierte, überfiel mich plötzlich die Angst, dass ich Fischer nicht wiedersehen würde. Aber dann dachte ich, wie kommt er an unseren Strand? Er muss mich doch gesucht haben.

      Ich konnte den Abend nicht erwarten. Angespannt und nervös saß ich im „La Sangria“, aber er kam nicht. In der Nacht schlief ich schlecht. Immer wieder sah ich sein Gesicht vor mir, hörte seine warme Stimme und stellte mir vor, wie es sein würde, wenn er mich zum ersten Mal küsste.

      Am nächsten Morgen war ich die erste beim Frühstück, nahm meine Badesachen und setzte mich an den Strand. Zwei Stunden später erschien Kurti.

      „Muss ich mir Sorgen machen?“ fragte er mit leichtem Spott.

      Ich blickte ihn stumm an.

      „Also muss ich mir Sorgen machen“, stellte er lakonisch fest.

      Kurti blieb nie etwas verborgen.

      „Ach, Kurtilein,“ seufzte ich, und tiefe Melancholie überfiel mich.

      „Rosikind, jetzt mach ich mir aber ernsthaft Sorgen. So schlimm war es noch nie, und ich weiß, es war oft schlimm genug.“

      Kurti konnte tief philosophisch werden, wenn er emotional bewegt war. Bei jedem Liebeskummer, den ich hatte, litt er mit mir. Seine Tröstungen waren immer etwas hölzern, aber sie taten mir gut.

       Kapitel V

      Als ich mit meiner Erzählung bis hierher gekommen war, wurde ich unterbrochen, da Besuch für mich da sei. Ännchen hatte die ganze Zeit angespannt zugehört. Von Zeit zu Zeit entfuhr ihr ein aufgeregtes

      „Toll!“ oder ein bedauerndes „Ooch!“ oder ein leises Kichern.

      Als der Name Jochen fiel, seufzte sie „na endlich“.

      Im Besucherraum erwartete mich eine Überraschung.

      „Kurtilein!“ quiekte ich.

      Meine Gedanken waren immer noch bei den Urlaubserinnerungen, und die Gegenwart des Gefängnisses weit weg.

      „Na, Dir geht es ja gut“, meinte er überrascht.

      Ich hatte mich an seine Brust geworfen.

      „Bin ich froh, Dich zu sehen,“ sagte ich aufrichtig.

      Schon hatte die Wärterin uns getrennt.

      „Menschenskind“, sprudelte ich aufgeregt, „wie kommst Du hierher? Wie hast Du mich nur gefunden?“

      „Die Zeitungen sind ja voll von der Geschichte“, gab er zurück. „Ich wusste nur nicht, ob ich erwünscht sei. Dann habe ich telefoniert und auch mit Deinem Anwalt gesprochen. Der meint, Dein Lover hätte Dich hereingelegt.“

      Zack, da war sie, die Gegenwart.

      „Ich kann das immer noch nicht glauben,“ und Schwermut überfiel mich.

      „Sie haben keine Beweise, nur Vermutungen, nicht einmal echte Indizien. Mark hat schon mehrfach um Haftverschonung nachgesucht. Aber angeblich bestehe Fluchtgefahr, Verschleierungsgefahr und, weiß der Geier, was noch für Gefahren.“

      „Ich mag Deinen Anwalt. Ich glaube, er führt etwas im Schilde. Lass den Kopf nicht sinken, es wird schon werden. Ich bin gerade auf der Durchreise. Wenn Du möchtest, besuch ich Dich gelegentlich noch einmal“.

      „Ach ja, tu das. Ich bin sehr froh, Dich zu sehen.“

      Am nächsten Tag begann Ännchens Prozeß, so dass ich vormittags allein in der Zelle saß. Das Verfahren würde nicht lange dauern, da sie alles zugegeben hatte. Nach dem Urteil würde sie ins Frauengefängnis kommen. Ich hatte Angst vor dem Alleinsein, ich hatte Angst davor, wer als nächstes meine Zellengefährtin werden würde.

      „Du musst mir unbedingt noch vorher das Ende Deiner Geschichte erzählen“, bat Ännchen. „Ist sie noch lang? Dann musst Du Dich beeilen.

      *****

      Als ich nach meiner Rückkehr aus Mallorca am Montag wieder zum Dienst erschien, wurde ich überall mit Staunen begrüßt, wie gut ich aussehe, wie sehr ich mich verändert habe, welches Glück ich ausstrahle.

      ‚Alles Quatsch’, dachte ich.’ Die wissen, dass ich mit einem Freund verreist war und hören wohl Hochzeitsglocken klingen’.

      Ich konnte die Ausstrahlung gar nicht haben, denn mir war hundeelend. Aber im Laufe des Tages besserte sich meine Stimmung. Ich war glücklich, wieder in meiner gewohnten Umgebung zu sein, einen Beruf auszuüben, den ich liebte, gebraucht zu werden, Anerkennung zu erhalten und zu hören, wie sehr man mich vermisst hätte. Ich ließ mich in meine Arbeit hineinfallen und wurde von ihr völlig absorbiert. Nur in den wenigen Freizeitstunden überkam mich die Verzweiflung. Kurti meldete sich nicht, und ich rief ihn nicht an. Meine Urlaubsbräune verblasste langsam, die Haut wurde wieder grau, Falten stellten sich ein, und wenn ich in den Spiegel schaute, musste ich zugeben, dass aus mir mehr und mehr eine verknitterte alte Jungfer wurde.

      Die Prellung an meiner Schulter hatte mir noch einige Schmerzen bereitet. Das Glücksgefühl, das ich eigentlich mit den Schmerzen in Verbindung bringen wollte, war einer tiefen Depression gewichen. Eigentlich war ich gar nicht arbeitsfähig. Aber ich sagte nichts und hielt im Krankenhaus durch. Bloß nicht krank zu Hause herumsitzen!

      Vier Wochen waren vergangen. Ich hatte ein langes Wochenende ohne Dienst vor mir und beschloss, etwas für mein Ich zu tun. Eine neue Haarfarbe, um die ersten grauen Fäden abzudecken, eine neue Kosmetik, den Freitagskrimi bei einer guten Flasche Wein, am Samstag ein Einkaufsbummel, um etwas Ausgefallenes zum Anziehen zu erstehen. Und dann einmal gründlich über alles nachdenken, Ordnung bringen in Haushalt und Gedanken. Als ich am Freitag Nachmittag meine Wohnung betrat und die Tür hinter mir zumachte, atmete ich erleichtert durch. Ich musste an diesem Wochenende Kraft tanken und am Montag neu beginnen. Warum fing ich nicht gleich damit an, indem ich mir einen Martini mixte? Ich beschloss, mich damit auf den Balkon meiner kleinen Wohnung im 4. Stock zu setzen und darauf zu warten, dass die Sonne hinter den Mietshäusern verschwand. Der Balkon war völlig verdreckt und die Balkonstühle auch. Ich stelle den Martini in den Kühlschrank und holte die Putzmittel aus der Abstellkammer. Ein sauberer Balkon war ein guter Beginn. Dann duschte ich, zog mein Negligée an, holte meinen Martini wieder hervor und setzte mich nach draußen. „Das ist doch ein prima Auftakt“, dachte ich und lobte mich dafür.

      Der Mensch muss etwas zum Freuen haben, und deshalb freute ich mich auf den Krimi. Was gab es denn? Der Alte oder Derrick? Ich suchte das Fernsehprogramm. Um ein Haar hätte ich laut geflucht. Aktenzeichen.. xy. Das hatte gerade noch gefehlt. Reale Mord- und Betrugsfälle, deren Aufklärung oder Nichtaufklärung ich dann regelmäßig verpasste. Als Alternative gab es ein Fußballspiel, eine Komödie oder irgend so´n Eia-Popeia-Kram. Sollte ich vielleicht einfach mal ins Kino gehen? Ich latschte ins Badezimmer, stellte mich vor den Spiegel, klatschte mir dickes Make-up ins Gesicht, tuschte die Wimpern bis ich die Augendeckel nicht mehr hochhalten konnte, legte Lidschatten, Lidstrich, Rouge und Lippenstift auf und brach über das Ergebnis in schallendes Gelächter aus.

      „Gestatten: Rosemarie Krause“, sage ich zu meinem Spiegelbild.

      „Grüne Haare brauchst Du noch“, antwortete es.

      Irgendwo hatte ich einen alten Wassserfarbenkasten. Ich mischte mir etwas Grün zusammen und brachte mit dem Pinsel Strähnen auf. Als die getrocknet waren,