Katherine Collins

Kein Duke zum Verlieben!


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Andeutungen enthalten, um dem Lord Angst und bange werden zu lassen. Nach endlosen Momenten, die Windermere mit gepflegter Konversation zu überbrücken versuchte, erschien die Tante in einem leicht derangierten Zustand. Sie begrüßte die Nichte überschwänglich und brachte mehrfach zum Ausdruck, wie gut es die letzten Jahre mit ihr gemeint hätten.

      Die Duchess verzog ansatzweise das Gesicht. Ohne weiteres Federlesen kam sie zum Grund ihres Besuches.

      »Ich benötige eure Unterstützung und ich denke, ihr werdet sie mir gerne gewähren.« Obwohl sie keine Frage gestellt hatte, beeilten sich die Windermeres, ihr wortreich ihre volle Unterstützung zuzusichern und überschlugen sich dabei fast mit der Bekundung, wie herzlich gerne sie ihr halfen. Angewidert wendete die junge Frau dem Paar den Rücken zu.

      »Ich werde dieses Jahr an der Saison teilnehmen. Ich beabsichtige einen Skandal heraufzubeschwören, und eure Hilfe wird darin bestehen …«

      Sie drehte sich wieder zu dem Lord und seiner Frau um, um sich den Moment der Verblüffung nicht nehmen zu lassen. Mit einem leichten Lächeln auf den sinnlichen Lippen fuhr sie fort: »… meine Identität zu wahren. Ich werde als Miss Bell Beaufort auftreten, Suffolks Cousine, und ihr werdet dafür sorgen, dass all eure teuren Bekannten nicht die kleine Annabell Scott in mir sehen. Ich denke, ich muss nicht erwähnen, was bei einem Ausrutscher eurerseits auf euch zukäme, oder? Wenn man bedenkt, dass die arme Marie und die bedauernswerte Ninette mittellos einen Gemahl finden sollen …«

      Annabells ehrlich bekümmerte Miene wurde durch ein ermutigendes Lächeln aufgeheitert.

      »Aber dem muss ja nicht so sein! Sorgt dafür, dass eure Töchter sich nicht verplappern!« Mit einem letzten wohl einstudierten Blick, der seinerseits Schlimmes in Aussicht stellte, nickte sie ihren Verwandten knapp zu und rauschte hoch erhobenen Hauptes aus dem Raum.

      Ärgerlich zischte Lady Windermere ihrem Gemahl zu: »Das ist alles deine Schuld!«

      »Du hast ihr Geld auch ausgegeben, Werteste, vergiss das nicht!«, grummelte der Earl erschöpft und fuhr sich durch das schütter werdende, graue Haar. »Wer hätte auch gedacht, dass Madeleine ihrer Aufgabe nicht nachkommt! Verfluchtes Gör!«

       London, Barkley Square, Beaufort House

      Mit einem Lächeln begrüßte Annabell den Lakaien, der ihr bei ihrer Rückkehr ins Haus ihres Schwagers die Tür öffnete. Sie nahm sich den Hut ab, rollte sich routiniert die Handschuhe herunter, um sie auszuziehen, und reichte beides dem wartenden Lakaien. Dann folgte sie den Stimmen ihres Schwagers und ihrer Schwester, die sich wie gewohnt am Frühstückstisch zankten. Annabell blieb am Türrahmen gelehnt stehen und betrachtete die liebliche Szene vor ihr. Lord Suffolk war aufgestanden und stützte sich vornüber gebeugt auf dem Tisch ab, sein markant geschnittenes Gesicht war nur wenige Zentimeter vom Gesicht seiner hübschen, brünetten Frau entfernt, die ihm aufmüpfig die Zunge rausstreckte, bevor sie leichthin bemerkte: »Und ob!«

      Suffolk war deutlich anzusehen, dass er gerade zu einer langen Litanei ansetzen wollte, als er seiner Schwägerin gewahr wurde, deren vor Schalk glänzende Augen ihre Belustigung verrieten. Marcus Beaufort, 5. Viscount of Suffolk, straffte seine muskulöse Gestalt und deutete eine Verbeugung an.

      »Schwester, du bist schon auf?«, erkundigte sich Sarah und strahlte sie an.

      »Ich bin sogar schon zurück!«, antwortete Annabell lachend und schlenderte zur Anrichte, um sich vom Büfett zu bedienen.

      »Und? Wie haben Lord und Lady Windermere reagiert?«

      Mit großen Augen beobachtete Sarah ihre kleine Schwester, gespannt auf den Bericht wartend. Annabells Plan war ihr gar nicht geheuer, und sie wusste, dass auch Marcus ihn für bedenklich hielt. Nein, das war das falsche Wort. Viscount Suffolk verabscheute ihren Plan, und nur seiner abgrundtiefen Abneigung seinem Schwager gegenüber hatte Bell seine Unterstützung zu verdanken – und der Tatsache, dass es dem Viscount von je her unmöglich gewesen war, dem kleinen Quälgeist Bell etwas abzuschlagen.

      »Sie haben wie erwartet reagiert: gar nicht«, seufzte Bell schulterzuckend und goss sich Kaffee in die Tasse. »Sie werden tun, was ich von ihnen verlange. Schließlich bin ich die Duchess of Kent.«

      Diese Feststellung verlangte nach einem neuerlichen Seufzer, der länger und wesentlich schmerzlicher war.

      »Vergiss nicht: Ich könnte Madeleine mit ihren Töchtern wieder zu ihnen zurückschicken. Ich könnte die Heiratsaussichten von Ninette und Marie ruinieren oder einfach nur mein Brautgeld zurückverlangen! Ihnen bleibt keine Wahl, sie werden tun, was ich ihnen sage!« Ein bitterer Zug legte sich um die sonst so sanften Lippen der Duchess. »Zumindest drohe ich ihnen nicht mit Gewalt.«

      »Oh, Annabell!« Sarah eilte zu ihr und strich mitleidig über Annabells Rücken. Sie fühlte sich wieder so schuldig wie vor sieben Jahren. Suffolk biss wütend die Zähne zusammen. Seit ihrer Rückkehr von ihrer Hochzeitsreise wurden seine Frau und er die Last der Mitschuld nicht mehr los. Annabell bemühte sich stets, redlich ihre Vorwürfe zu zerstreuen, schließlich hatten Suffolk und Sarah das junge Mädchen damals in sicheren Händen geglaubt. Aber so einfach ließ sich das Gewissen nicht beruhigen oder gar beschwichtigen.

      Annabell schenkte der Schwester ein zärtliches Lächeln. Sie nippte an ihrer Tasse und suchte nach den richtigen Worten, um Sarah und Suffolk die in deren Augen stehenden Schuldgefühle wieder zu nehmen, obwohl sieben Jahre emsiger Beteuerungen dies bisher nicht geschafft hatten.

      »Es ist vorbei«, versicherte sie, »und fürchterlich lange her.«

      »Nein«, widersprach Suffolk grimmig, und seine Miene verzog sich zu resigniertem Ärger. Seine Wangenmuskeln zuckten unter der Belastung fest aufeinander gepresster Lippen. »Das ist es nicht, und obwohl ich hoffe, dass das Ende endlich naht, wird es kein glückliches sein.«

      Sarah blinzelte ihre Tränen fort, und Annabell atmete tief durch.

      »Es wird glücklich sein, Marcus«, versicherte sie sanft. Sie stellte die Tasse fort und trat auf den Viscount zu, um ihn zu umarmen. »Ich werde glücklich sein, wenn das alles erst einmal vorbei ist.«

      Suffolk verlor seine Steifheit und legte kurz die Arme um die Schwägerin. Nach einem kleinen Moment löste sie sich wieder von ihm, umarmte kurz die beistehende Schwester und verkündete jovial: »So, ich habe noch ein paar Vorbereitungen für heute Abend zu treffen, bitte gebt mir Bescheid, wenn Madeleine eintrifft! Wir haben noch einiges zu besprechen.«

      Sie warf den beiden Menschen, die ihr das Wertvollste auf der Welt waren, eine Kusshand zu, bevor sie aus dem Raum eilte.

       Cormack House, London

      Es herrschte wie gewohnt dichtes Gedränge im Ballsaal, und die Luft war dick genug, um in feine Scheiben geschnitten werden zu können. Annabell ließ sich von Suffolk vom Tanzparkett geleiten und strahlte ihn glücklich an. Er war der einzige Mann, mit dem sie es aufrichtig genoss zu tanzen. Wahrscheinlich war der Grund dafür, dass Suffolk ihr Lehrer gewesen war und sie sich in seinen Armen geborgen wie ein Neugeborenes fühlte. Er verabschiedete sich sogleich mit dem Hinweis, ein Auge auf Ninette werfen zu wollen, wie er es früher am Abend deren Schwester versprochen hatte. Neben Sarah hatte sich auch ihre Cousine Madeleine bei ihnen eingefunden und drückte ihr einen Begrüßungskuss auf die Wange.

      »Du siehst hinreißend aus, Annie!«, schwärmte sie hingerissen und biss sich dann auf die Lippen. »Verzeih, Bell … ich muss mich erst daran gewöhnen!«

      Annabell lächelte Madeleine an und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

      »Gewöhne dich besser schnell daran!«, mahnte sie gespielt streng. Sie strich sich über die blass blaue Robe, die sie erst am Morgen zugestellt bekommen hatte und die wie angegossen passte. Ein perfektes Kleid für ihren ersten Auftritt in der Gesellschaft als Bell Beaufort. Für die Duchess of Kent wäre es bei weitem zu schlicht gewesen, erwartete man doch von einer so hochgestellten Persönlichkeit Außergewöhnliches. Die Hausherren hatten sie bei ihrer Vorstellung neugierig gemustert, und der Grund dafür war kaum verwunderlich. Als Peer der britischen Krone war Suffolk kein unbekanntes