Katherine Collins

Kein Duke zum Verlieben!


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du hast sie wenigstens nicht genötigt!«

      Abschätzend sah er Annabell von oben bis unten eingehend an. Immer noch von wilden Schluchzern geschüttelt, stand sie mit schützend vor der Brust verschränkten Armen in der hintersten Ecke des Zimmers und hielt den Blick unverwandt auf ihre Zehenspitzen gerichtet. Albert hatte das Mädchen am Abend kennengelernt, und sie war ihm wie die mädchenhafte Tugend in Person erschienen. Auch die jüngeren Cousinen sprachen mit bewundernden Worten von ihr, und selbst seine Verlobte hatte ihm vom liebreizenden Wesen der Anverwandten erzählt. Kaum zu glauben, dass sie seinem Bruder in der kurzen Zeit, die sie mit Nathan verbracht hatte, so verfallen sein sollte. Begütigend legte Albert ihr die Hand auf den Scheitel.

      »Hab keine Angst, mein Kind, ich werde dafür sorgen, dass mein ruchloser Bruder seine Pflicht an dir erfüllt.«

      Erschrocken sah Annabell auf und starrte den Duke ungläubig an, der seinerseits Nathan scharf ansah und befahl: »Du wirst sie heiraten, bevor du dem Militär beitrittst!«

      »Oh Gott, nein«, flüsterte Annabell erschüttert und brach zusammen. Nathan, der sie die ganze Zeit im Auge behalten hatte, fing sie auf und legte sie zärtlich auf ihrem Bett ab. Während er die Decke über sie ausbreitete, warf er dem Duke einen kalten Blick zu.

      »Ich denke, wir sollten alles Weitere woanders besprechen, damit Annabell endlich etwas Ruhe bekommt.«

      Kapitel 3 Der Tanz um den heißen Brei

       Themse Ufer unweit von London, Ende Oktober 1797

      Annabell war stets informiert, wo sich seine Gnaden, ihr Gemahl aufhielt. Sie plante ihre Auftritte in der besseren Gesellschaft gewissenhaft, um die Gefahr, ihm wieder zu begegnen, so gering wie möglich zu halten. Leider ließen sich Begegnungen nicht völlig vermeiden, genauso wenig, wie sie es schaffte, dem nervtötenden Lord Argyll erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Etwas, was wesentlich schwieriger war, gab es doch keinen Spitzel, der ihr von den Zielen des Lords unterrichten konnte. An einem sonnigen Nachmittag nahm Annabell in Gesellschaft ihres Schwagers und ihrer Schwester an einem Picknick an der Themse teil, ein Ausflug, bei dem Annabell weder seine Gnaden noch Lord Argyll erwartet hatte. Trotzdem fand sie sich unerwartet in den Armen seiner Lordschaft wieder, als sie sich unbedachterweise etwas von der Gruppe entfernte, um einen Moment allein zu sein. Unbemerkt schlich er sich von hinten an sie heran und drehte sie herum, wobei er seine Hände um ihre Mitte legte.

      »Bell, ich habe sehnlichst auf diesen Augenblick gewartet!« Der Lord grinste seine Beute verführerisch an und verstärkte seinen Halt um ihre Hüfte, als sie versuchte, ihn von sich zu stoßen.

      »Nehmen Sie sofort Ihre Hände von mir!«, befahl Annabell verärgert und trat nach dem Bein des unverschämten Mannes. Leider traf sie ihn nicht mit voller Wucht, da sie von ihren Röcken behindert wurde. Argyll zog sie enger an seine Brust und vergrub sein Gesicht in der Fülle ihrer blonden Haare.

      »Ah, Sie riechen wie ein Rosengarten! Ich beneide jeden Zentimeter Stoff Ihres verhassten Kleides, da es ihm erlaubt ist, sich an Ihre samtige Haut zu schmiegen«, flüsterte er und bereitete ihr mit dem Klang seiner Stimme eine Gänsehaut. Sie wusste nicht viel über Zweisamkeit, aber eines wusste sie sicher: Der Tonfall gehörte ins Schlafzimmer und sollte keineswegs bei einem vermeintlich unbedarften Mädchen angewendet werden. Wutentbrannt zischte sie: »Lassen Sie mich …«

      Er ließ sie nicht ausreden, sondern senkte seinen Mund auf ihren, um ihr einen Kuss zu rauben. Annabell biss ihm in die Unterlippe und stieß ihn von sich, als er, überrascht von ihrem Angriff, seine Umklammerung löste. Die Überraschung in seinem Gesicht gab ihr ihre Contenance zurück, und sie hob stolz den Kopf. Sie trat aus seiner Reichweite, wobei sie seine Lordschaft nicht aus den Augen ließ und sich ihrer einwandfreien Erscheinung versicherte. Erleichtert, dass ihre Frisur nicht in Mitleidenschaft gezogen war, fuhr sie ihn an: »Ich verlange, dass Sie aufhören, mir aufzulauern, Mylord!«

      »Auflauern?« Lord Argyll erholte sich von seiner Überraschung und breitete nonchalant die Arme aus. »Liebes, du missverstehst meine Intention.« Er grinste sie an. »Obwohl ich von deinem Bestreben, deine Unschuld zu wahren, entzückt bin!«

      Annabell schnaufte ungläubig. »Unterlassen Sie Ihre Unverschämtheiten!«

      Der Lord zwinkerte ihr zu. »Du wirst sie noch zu schätzen wissen, Cherie.« Mit einem Schritt war er bei ihr und ergriff ihre geballte Hand, um sie an seine Lippen zu ziehen. »Glaube mir, du wirst den Tag hindurch danach lechzen, meinen Liebesworten zu lauschen.«

      Annabell war zu abgestoßen, um ein Wort über die Lippen zu bringen. Zu genau stand ihr die Erinnerung vor Augen, wie Damen tatsächlich nach der fragwürdigen Aufmerksamkeit von Herren wie ihm sehnten. Die Countess of North zum Beispiel, die dem vermeintlichen Charme des Dukes bereits erlag, lange bevor er den Titel übernahm. Annabell schluckte den Ekel herunter, der die Bilder der Vergangenheit begleitet hatte, und richtete ihren brennenden Zorn auf das Exemplar Kröte, das zugegen war.

      »Ihren Liebesworten zu lauschen, wird bestenfalls nur Peinlichkeit in mir wecken und sicherlich nicht den Wunsch …«

      »Gegenwärtig nur zu verständlich«, versicherte er mit einem weiteren Kuss auf das Samt ihres Handschuhs. Sie versuchte, sich zu befreien. »Aber wenn du erst meine Frau bist, Lady Argyll, verspreche ich dir …«

      Seine Versprechungen scherten sie einen feuchten Kehricht, und ihre Worte bewirkten offensichtlich das gleiche in ihm. Verärgert mahlte sie mit ihrem Kiefer und überlegte fieberhaft, wie sie diesen vermaledeiten Mann endlich loswurde.

      »Lord Argyll …«, setzte sie knirschend an und hob dafür den Blick in seine funkelnden, aber wahrhaften Augen.

      »Thomas.«

      Annabell ignorierte seine Bitte um eine vertrauliche Ansprache und fuhr mit felsenfester Stimme und strafendem Blick fort: »Lord Argyll, anscheinend nahmen Sie mich nicht ernst, als ich Ihnen sagte, dass ich keinen Mann wie Sie heiraten werde. Genau genommen werde ich gar keinen Mann heiraten. Das ist nicht Sinn und Zweck meines Aufenthalts in London …«

      Der Lord lachte ehrlich amüsiert auf und trat näher an das widerspenstige Mädchen heran. »Natürlich nicht, welches Mädchen kommt schon nach London, um einen reichen Ehemann zu finden? Ich habe sehr viel Geld, Bell, und ich würde es liebend gerne für dich ausgeben.«

      Ausweichend machte Annabell einen Schritt zurück und stieß gegen einen Baum. Die Ernsthaftigkeit in seinem Antlitz verängstigte sie mehr als seine vorherigen Angriffe auf ihre Tugend.

      »Ich brauche keinen reichen Ehemann, ich bin gut versorgt! Lord Argyll, ich bitte Sie, hören Sie mit diesem Unsinn auf. Sie wissen so gut wie ich, dass das Einzige, was Sie an mir interessiert, die Tatsache ist, dass ich noch nicht in Ihrem Bett war. Sie hegen keine ehrlichen Gefühle für mich …«

      Argyll stützte sich gegen den Baum in Annabells Rücken und hielt sie somit zwischen seinen Armen gefangen. Sein zärtlicher Blick weilte auf ihren schimmernden Lippen.

      »Meine Gefühle sind aufrichtig genug, um dich zu meiner Frau machen zu wollen, warum reicht dir das nicht?«

      Annabell blinzelte verwirrt und haderte mit sich und dem Schicksal. Warum musste ihr das widerfahren? Reichte es nicht, dass sie einem Frauenhelden in die Hände gefallen war? Musste es wirklich jeder auf sie abgesehen haben? Auch noch mit so einer perfiden Masche?

      Als wäre es eine Gunst, geheiratet zu werden! Danach. Als reichte es, einen Ring am Finger zu tragen und sein Leben fortan allein zu fristen! Bitter schüttelte sie den Kopf.

      »Sie würden mich heiraten, meine Gunst genießen, solange es Ihnen gefällt und dann? Wenn Sie meiner überdrüssig sind, wohin mit mir? Würden Sie mich aufs Land verbannen, um ungehindert Ihre Liebschaften wieder aufnehmen zu können?«

      Prüfend musterte sie den Lord, der bei ihren Ausführungen tatsächlich nachdenklich geworden war. Argyll war bestürzt über den Schmerz in den Augen der Frau in seinen Armen und über die Bitterkeit in ihrer Stimme. Zwar hatte er nicht weiter über den Verlauf