Katherine Collins

Kein Duke zum Verlieben!


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Miss Windermere.

      »Vielleicht hast du recht, aber bist du gar nicht neugierig, wie sie sich verändert hat? Ich meine, sie war wie alt, als du sie geheiratet hast? Fünfzehn? Meine Schwestern sahen mit sechzehn noch aus wie Backfische, aber ein Jahr später … nun, du kennst sie.«

      Nathan war nicht neugierig. Allein der Gedanke, dass sich seine süße, kleine Annabell verändert haben könnte, war niederschmetternd! Und wenn sie sich verändert hatte? Wenn sie ihn nicht mehr durch ihren bloßen Anblick wahnsinnig machte vor Verlangen? Konnte er es dann nicht riskieren, ihr endlich den Platz in der Gesellschaft anzubieten, der ihr gebührte? Konnte er ihr dann nicht endlich Wiedergutmachung angedeihen lassen?

      Und sie durch seine Affären beschämen und ihr durch sein Verhalten Miss Beaufort gegenüber ständig vor Augen führen, an was für eine Art Mann sie gebunden war. Konnte er ertragen, die Enttäuschung in den aquamarinen Teichen, die ihre Augen waren, zu sehen? Oder dieselbe Verachtung, die er heute in Bells Blick entdeckt hatte? Nein, Annabell war auf Woolhead gut aufgehoben.

      »Thomas, glaub mir, es ist besser, nicht zu wissen, wie sie jetzt aussieht.«

      »Ich glaube, ich werde sie besuchen fahren, du hast doch nichts dagegen, oder? Irgendwie bin ich sehr neugierig auf deine Fee, ja, ich glaube …«

      Der mörderische Blick seines Freundes ließ ihn innehalten und ergeben die Arme heben. »Gnade, Euer Gnaden!«

      Nathan verließ den Club einige Stunden später genauso schlecht gelaunt, wie er ihn betreten hatte, nur wesentlich betrunkener. In seinem Stadthaus rief er Mandy zu sich und versuchte, sich in ihren Armen zu vergessen, was ihm in dieser Nacht zum ersten Mal, seit er sie kannte, einfach nicht gelingen wollte. Und es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass Mandy sein Bedürfnis nicht befriedigen konnte. Es folgten Wochen im Zwiespalt zwischen der Erinnerung an Annabell und dem steigenden Bedürfnis, in Bell Beauforts Gesellschaft zu sein. Leider wurde es immer offensichtlicher, dass Bell Beaufort ihm aus dem Weg zu gehen suchte.

      Madeleine, seine Schwägerin, wechselte jedes Mal nervös das Thema, wenn er das Mädchen ansprach, wobei sie nicht selten auf Annabell zu sprechen kam. Wenn Madeleine nicht so durchschaubar wäre, hätte er es als Finte betrachtet, die ihn nicht nur schlicht ablenken sollte, sondern vertreiben. Denn wann immer Annabell thematisiert wurde, wurde der Drang fortzulaufen übermächtig. Und so verbrachte er seine Abende mit Alkoholika, die Nächte mit seiner immer unzulänglicher werdenden Geliebten, die Vormittage mit dem Versuch, sich auf anderes zu konzentrieren und immer wieder Stunden auf der Suche nach Miss Beaufort. Nach einem weiteren Abend, einer weiteren Abfuhr der hübschen Dame und mehr Cognac, als ihm gut tat, saß Nathan eines Vormittags überaus missgelaunt über seiner Korrespondenz.

      Neben einem Haufen Einladungen und einigen Schreiben seiner Gutsverwalter hatte er auch einen Brief von einem ihm unbekannten Herrn erhalten. Als er das Siegel brach, das auf einen Anwalt deuten ließ, fragte er sich verdrießlich, welche Geschäfte er mit diesem Ludwig Mommsen haben mochte. Ungeduldig überflog er das Schreiben und ließ anschließend ungläubig seine Hand sinken. Mit einem Ruck, der die Schublade komplett aus seinem Schreibtisch riss, öffnete er die Lade, in der er gewohnheitsgemäß die Briefe seiner Frau lagerte, und wühlte grimmig nach dem letzten Schreiben. Als er es überflog, kam ihm flüchtig in den Sinn, die anderen Briefe besser auch zu lesen, wer wusste schon, was ihm sonst alles entgangen war, was seine Kindsbraut anging. In dem vor knappen sechs Monaten datierten Brief hatte sie ihn um die Annullierung ihrer Ehe gebeten und hinzugesetzt, dass sie vertrauensvoll auf seine Einsicht baute. Gar nichts sah er ein! Mit einem wilden Schrei schleuderte er die Lade zu Boden, wo sie zerbarst, und schwor sich, seiner kleinen Frau ordentlich die Leviten zu lesen, sobald er in Woolhead ankam, egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit das sein mochte.

      Windermere, Cumbrien, Sommer 1789, zwei Wochen nach dem Verlobungsball des Duke of Kent

      Nervös stand Nathan Mannings an dem Altar der kleinen Kapelle, in der er an diesem Tage mit Miss Annabell Scott verheiratet werden sollte. Neben ihm wachte sein Bruder über die wenigen Anwesenden und warf ihm hin und wieder scharfe Blicke zu. Albert ging davon aus, dass Nathan jeden Moment Reißaus nehmen würde, und erinnerte ihn deshalb gereizt an seine Verantwortung dem jungen Mädchen gegenüber. Nathan ignorierte seinen Bruder so gut, wie es ihm möglich war und hielt die Tür der Kapelle in seinem Blickfeld. Lord Windermere hatte es ihm nicht gestattet, seine Verlobte zu sehen, weshalb er den Beginn der Zeremonie kaum erwarten konnte.

      Er hatte sich Sorgen gemacht, wie das Mädchen behandelt wurde, was Annabell über die Verehelichung denken mochte und ob sie ihn in die Falle gelockt hatte. Ein äußerst unangenehmer Gedanke, der Nathan spät nachts beschlich, wenn er einsam in seinem Bett lag und über die Wandlung seines Lebens nachdachte. Noch vor vierzehn Tagen hätte er jeden ausgelacht, der ihm baldige Flitterwochen prophezeite, und doch stand er hier.

      Nicht vorrangig, weil Albert ihm drohte, seine Apanage ganz zu streichen. Wegen Annabell. Ihrer sanften Stimme, ihren funkelnden Augen und dem Versprechen ihrer Berührung. Nervös verlagerte er sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und lockerte den Kragen seines Hemdes. Er mochte geplant haben, Annabell in einigen Jahren zu ehelichen und als er in jener Nacht zu ihr ging, war er sich der Konsequenz bewusst gewesen. Der Gefahr, dass er entdeckt werden konnte. Aber es war etwas völlig anderes, sich etwas zu denken und es tatsächlich zu tun. Endlich begann die Orgel, einen Marsch zu spielen, und in der Tür erschien Lord Windermere mit der zierlichen Braut an seinem Arm.

      Langsam führte er sie durch die Kapelle und sprach eindringlich auf das Mädchen ein. Flüchtig fragte sich Nathan, was der Lord jetzt noch mit seiner zukünftigen Gattin zu besprechen hatte, war aber schnell von dem hinreißenden Anblick abgelenkt, den Annabell in ihrem schlichten, cremefarbenen Kleid und der dichten Spitze in ihrem Haar, die als Schleier diente, bot. Endlich übergab Windermere die Hand der Nichte, und Nathan half ihr die kleine Stufe zum Altar hoch. Annabell wirkte abwesend, und ihr Blick war unstet, selbst ihre Stimme, als sie das Ehegelübde wiederholte, war merkwürdig tonlos. Endlich war die Zeremonie überstanden, und Nathan durfte die Spitze aus ihrem Gesicht heben und ihre bebenden Lippen küssen.

      Prüfend sah er seine Frau an und wunderte sich nicht wirklich über ihre auffallende Blässe. Für sie mussten die letzten Tage sehr anstrengend gewesen sein, vielleicht hatte sie auch neuerlich negative Nachrichten über ihre Schwester erhalten. Er nahm sich vor, sie zu fragen, wie sie die letzten Tage verbracht hatte, sobald sie in der Kutsche zu seinem eigenen Landsitz in Cornwall saßen. Er hatte fünf Tage mit ihr, bevor er sich bei seiner Einheit melden musste. Bedauernd sah er sie an und führte sie zu einem quälend langen Hochzeitsbankett, auf das Albert zum Zeichen seiner Zustimmung zu der Verbindung bestanden hatte. Erst am späten Nachmittag verließ Nathans Kutsche Windermere und rollte zügig durch die herbstliche Landschaft. Annabell hatte seit ihrem Ja-Wort nicht einmal mehr einen Abschiedsgruß gemurmelt und saß ihrem Angetrauten steif gegenüber. Abschätzend musterte Nathan das Mädchen und war sich nicht sicher, wie er die gedrückte Stimmung zwischen ihnen heben sollte. Es irritierte ihn, dass Annabell so wenig Freude oder Elan ausstrahlte. Er war sich sehr sicher, dass jede beliebige andere Frau vor Glück geborsten wäre, wäre sie an Annabells Stelle gewesen. Seine Braut hingegen mied seinen Blick, wich seinen Fragen aus und hielt sich so gerade, als würde die bloße Berührung mit den Polstern der Sitzbank ihre Kapitulation bedeuten.

      »Wir werden mein Gut heute nicht mehr erreichen, ich schlage vor, dass wir bis zum Einbruch der Dunkelheit weiterfahren und dann in ein Gasthaus einkehren.«

      Annabell nickte abwesend und starrte blicklos vor sich her. Nathan presste verärgert die Zähne aufeinander und klopfte gegen das Dach der Kutsche.

      »Du verzeihst, wenn ich es vorziehe zu reiten. Anscheinend legst du auf meine Anwesenheit momentan keinen gesteigerten Wert!«

      Befriedigt nahm Nathan zur Kenntnis, dass er zumindest kurzzeitig zu seiner schweigsamen Braut durchgedrungen war. Denn sie riss sich so weit zusammen, dass sich ihre Augen auf ihren Mann richteten und ihn kurz betrachteten. Langsam nickte sie und verzog nur leicht das Gesicht, als sie durch die schaukelnde Bewegung der stoppenden Kutsche gegen die Polsterung stieß.