Katherine Collins

Kein Duke zum Verlieben!


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waren: »Ein Ehemann hat das Recht, über den Körper der Frau zu bestimmen. Er wird dieses Recht einfordern, so oft es ihm beliebt, es wäre ein Frevel gegen Gott, ihm dieses Recht zu verwehren …«

      Bei dem Gedanken, diesem Fremden voll und ganz ausgeliefert zu sein, schloss sie verzweifelt die Augen. Sie konnte das nicht!

      »Ich kann nicht«, flüsterte sie kaum hörbar und wartete auf die Reaktion ihres Gemahls. Würde er sie jetzt schlagen?

      »Hier, trink zumindest noch etwas.«

      Nathan drückte dem zittrigen Mädchen das gefüllte Weinglas an die Lippen und befürchtete, dass seine Braut auf der Stelle das Bewusstsein verlor. Er drängte sie auszutrinken und hob sie dann mühelos aus dem Armsessel, in dem sie gekauert hatte, um sie in ihr Zimmer zu tragen. In den wenigen Tagen, in denen er sie kennenlernen konnte, war sie ihm nie hinfällig erschienen. Im Gegenteil, selbst nach einem Bad im kalten Meer hatte sie sich keine Erkältung zugezogen. Er hätte schwören können, dass sie eine robuste Kondition hatte. Andererseits waren es kaum drei Tage gewesen, von dem Zeitpunkt, in dem sie ihn im Stall erwischt hatte, bis zu der Nacht, in der er sie in ihrem Zimmer aufgesucht hatte. Was wusste er schon von ihr?

      In ihrem Zimmer ließ er sie langsam an seinem Körper herabgleiten und stützte sie ab, ganz so, als erwarte er, dass sie jeden Moment zusammenbrach.

      »Ich helfe dir aus dem Kleid«, murmelte er abwesend und knöpfte geschwind das Mieder ihres Kleides auf. Schwankend lehnte sie sich gegen ihn. Sie war dankbar für das glimmende Feuer, denn ohne die schützenden Lagen ihres Kleides begann sie zu frösteln. Nathan schob ihr den Stoff mühelos über die Hüften und öffnete die Verschnürung ihrer Unterröcke, um sie ebenfalls zu Boden gleiten zu lassen. Ihr so nahe zu sein, erregte ihn, und zweifelnd sah er zu dem einladenden Bett. Sie erschien so erschöpft, dass er versucht war, sie einfach nur ins Bett zu legen und sie schlafen zu lassen. Allerdings hielt er es nicht für möglich, die Nacht neben ihr zu verbringen, ohne sie anzufassen. Wahrscheinlich würde er sich hin und her drehen und ihren Schlaf stören und letztendlich doch über sie herfallen. Was war es nur, das seine Selbstbeherrschung so vollständig untergrub, sobald er in ihrer Nähe war? Verstört sah er auf ihr gesenktes Haupt. Sacht hob er ihr Gesicht an, um in ihrem Mienenspiel zu lesen. So viel Furcht. Fürchtete sie sich vor ihm? Oder vor dem, was sie im Bett erwartete? Sie hatte nie ernsthaft Angst vor ihm gehabt, im Gegenteil, sie hatte ihn sogar herausgefordert.

      »Vertrau mir, Annabell, es wird nicht wieder wehtun.« Eindringlich sah er sie an. Er hatte nicht den Eindruck, dass sie ihm glaubte, weshalb er erklärte: »Die Schmerzen, die du beim letzten Mal verspürtest, rührten von deinem Jungfernhäutchen, das eingerissen wurde. Da es nicht mehr da ist, kann es dieses Mal auch nicht schmerzen. Wie war es davor, Annabell?«

      Verwirrt sah Annabell zu ihrem Mann auf. Sie glaubte ihm nicht, das war auch während seiner Ausführung ganz deutlich in ihrem Gesicht zu sehen. Seine Frage verunsicherte sie. Wie war es davor gewesen? Ein Traum …

      Kapitel 6 Annabell

       Beaufort House, London, Anfang Dezember 1797

      Unrasiert und noch immer in seiner vier Tage alten Reisekleidung schob er den Butler seines verfluchten Schwagers zur Seite und stürmte in den Salon. Da er ihn verlassen vorfand, drehte er sich siedend vor Zorn um und bedrohte den Bediensteten, ihm unverzüglich den Aufenthaltsort seiner Gattin preiszugeben.

      »Ihrer Gattin, euer Gnaden?«, erkundigte sich der Butler ruhig, und in seinem stoischen Gesicht hob sich nervenaufreibend langsam eine graue Braue. »Ich kenne den Aufenthaltsort ihrer Gnaden nicht, vermute aber, dass sie sein wird, wo euer Gnaden sie zurückließ.«

      Nathan ballte die Hände, um sie nicht um den Hals des unverschämten Faktotums zu legen.

      »Miss Beaufort«, knurrte er und bekam wieder eine nichtssagende Antwort.

      »Euer Gnaden, ich sehe mich außerstande, den Aufenthaltsort einer Miss Beaufort …«

      »Suffolk!«, bellte Nathan mittlerweile am Ende seiner Geduld. Der Butler hüstelte verlegen. »Lord Suffolk weilt nicht in London.«

      »Wo ist er?«

      »Euer Gnaden, zu meinem Bedauern kann ich dazu keine Angabe machen.«

      Nathan glaubte, sich verhört zu haben. Aber keine Drohung, keine Bitte, kein Wort brachte die Standhaftigkeit des getreuen Butlers ins Wanken.

      Nathans nächster Weg führte ihn zu Lord Windermere, der schnell unter dem Verdruss des Dukes zusammenbrach, und gestand, von seiner Nichte genötigt worden zu sein, den Mund zu halten. Windermere hatte aber keine Ahnung, wo sich die Duchess gerade aufhielt, genauso wenig wie seine Frau und Kinder, die alle antreten mussten. Nathan glaubte den beiden jungen Mädchen kein Wort, da Ninette ihn spöttisch und Marie ihn herausfordernd beobachtete. Wütend fuhr Nathan die Kinder an und erntete ein verächtliches Schnauben der vierzehnjährigen Marie: »Was wollen euer Gnaden tun? Uns schlagen? Nur zu!«

      Nathan starrte das Mädchen empört an. Marie hatte kämpferisch das Kinn hervor geschoben und ihre kleinen Hände waren zu Fäusten geballt. Ninette hingegen war ganz Dame und hielt ihre verkrampften Hände verschränkt und zeigte ihm lediglich mit ihrer abweisenden Miene ihre mangelnde Bereitschaft zur Kooperation. Anscheinend hielten Annabells Verwandte tatsächlich gar nichts von ihm. Schwer atmend trat er den Rückzug an. Er hatte noch nie eine Frau geschlagen, und er würde auch nicht mit der impertinenten Marie anfangen!

      Ohne ein weiteres Wort verließ er die angeheirateten Verwandten und fuhr in sein Stadthaus. Ohne große Verwunderung nahm er zur Kenntnis, dass die Dowager Duchess of Kent, die Witwe seines Bruders, sich nicht die Mühe gemacht hatte, eine Nachricht mit ihrem Aufenthaltsort zurückzulassen. Sie würde unweigerlich da sein, wo sich seine reizende, unverschämte Frau aufhielt. Nach einem Bad, einem ausgedehnten Dinner sowie einer ganzen Nacht im einsamen Bett suchte er seinen alten Freund auf und erfuhr endlich, dass sich der suffolksche Haushalt auf einer Hausparty in Wiltshire aufhielt. Stöhnend machte sich der Duke dieses Mal in einer Kutsche auf den Weg nach Belvedere Castle.

       Gasthof „Queen Anne“, Nahe Rhy, Hochzeitsnacht 1789

      Nathan lauschte ihren unterdrückten Schluchzern. Gerade erst hatten sie ihre Ehe vollzogen, und er war sich sicher, dass es nicht wesentlich besser verlaufen war als ihre letzte Zusammenkunft. Sein Herz schlug zum Zerspringen, aber sie bebte vor unterdrückten Tränen. Von Beginn an war sie ausweichend gewesen, zwar nachgiebig, aber eigentlich nicht willig. Sie hatte sich nicht ausziehen lassen wollen. Erduldete seine Berührung lediglich, obwohl seine Küsse zaghaft erwidert wurden. Nun drückten ihre zittrigen Finger gegen seine Brust, um ihn von sich zu stoßen. Überdeutlich erinnerte ihn diese Szene an ihr letztes Zusammentreffen. Verwirrt sah er auf sie herab. Ihr bleiches Antlitz war schmerzverzerrt, und in ihrer Stimme schwang Erschöpfung, als sie ihn flehentlich bat: »Sie sind doch fertig, oder? Bitte gehen Sie runter von mir!«

      Nathan löste sich von ihr und beobachtete den Anflug von Erleichterung auf ihrem Gesicht, als er von ihr runterrutschte. Seines Gewichts ledig, rollte sie sich zur Seite und zog die Knie an die Brust. Nathan starrte sie an. Noch nie, seit er Interesse am weiblichen Geschlecht entwickelt hatte, war eine Zusammenkunft so fatal gelaufen wie diese, und er verstand den Grund dafür nicht. Er verstand nicht, was sie so anders machte und warum ausgerechnet Annabell keinen Gefallen an ihm fand. Oder verloren hatte? Er hatte es sich doch nicht eingebildet! Sie hatte ihn gemocht. Da war etwas zwischen ihnen gewesen. In der Bibliothek, am Strand! Und doch brachte sie es kaum über sich, ihn anzusehen.

      Ihre Hochzeit hatte ihr den Appetit genommen und mehr noch. Sie war kaum wiederzuerkennen. Ängstlich, ausweichend, in Tränen aufgelöst und stumm. Kein keckes Wort, kein vorsichtiger Blick unter diesen dunklen Wimpern hervor, kein scheues Grinsen. Er hatte sich wahrlich nie ein Bild von seiner möglichen Gattin gemacht, aber sicherlich hätte er nie geglaubt, ausgerechnet ein Mädchen zum Altar zu führen, das es kaum über sich brachte, mit ihm zu schlafen. Und von Annabell, seiner süßen, kleinen Annabell, hatte er etwas ganz anderes erwartet. Verheißung. Versuchung.