Matthias Matussek

Sucht und Ordnung


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      Matthias Matussek

      Sucht & Ordnung

      Wie ich zum Nichtraucher wurde

      und andere irre Geschichten

      Mit einem Geleitwort von Kalle Schwensen

      Text: © Matthias Matussek

      Lektorat: Pelle Pershing

      Umschlaggestaltung: Stefan Klinkigt

      Satz, Licht, Druck & Gute Laune: Markus Vahlefeld

      M&M Productions

      Up de Barg 47

      24395 Gelting

      ISBN

      GELEITWORT

      von Kalle Schwensen

      Als mich mein Facebook-Freund Matthias Matussek bat, ein paar Worte zu seinem neuen Buch zu schreiben, habe ich erst mal gestutzt. Sowas hatte ich noch nie gemacht. Ich spreche nicht vom Schreiben, sondern von Vorworten. Auf meinem FB-blog „Meine Meinung“ nehme ich durchaus Stellung zu tagesaktuellen Sachen wie der Corona-Hysterie und dem Schließen von Restaurants, Kinos und Striplokalen – man hätte denjenigen, der sowas vor einem Jahr prophezeit hätte, als ganz üblen Verschwörungstheoretiker gebrandmarkt. Matthias und ich, wir sind, was die Kritik am autoritären, ja undemokratischen Regierungsstil der Kanzlerin angeht, politisch einer Meinung.

      Als er mir dann auch noch den Titel nannte und ein paar Kapitel schickte, dachte ich, ehrlich gesagt „Ach du Sch....“. Ein Selbsthilfebuch darüber, wie man mit dem Rauchen aufhört, das betrifft mich ja nun gar nicht, denn ich bin Nichtraucher. Allerdings war das nicht immer so.

      Ich kam aus einem kleinen bayrischen Dorf in die Weltstadt Hamburg. Aus einer Schule mit drei Klassenzimmern in eine mit 18 Räumen. Da waren weit über 500 Kinder, und damit 500 potentielle Kunden.

      Erst mal stellte ich klar, wer hier das Sagen hat, mit ganz „traditionellen“ Mitteln. Dann steckte ich mein Revier ab und erkannte gleich: Der Platz hinter der Turnhalle war der wertvollste, denn er war am weitesten vom Schulgebäude und den Lehrern entfernt. Und dort wurde gequalmt.

      Heimlich Rauchen auf der Toilette war witzlos, denn Rauchen war eine Kunst. Die Kinder wollten zusammenstehen, Qualm-Ringe in die Luft stoßen, den Rauch durch die Nase ausatmen, die Zigarette lässig im Mundwinkel baumeln lassen und die Kippe dann genauso lässig mit Daumen und Mittelfinger wegschnippen.

      All das durften und konnten sie bei mir hinter der Turnhalle, denn ich hatte jemanden an der Ecke postiert, der Alarm gab, wenn sich ein Lehrer näherte. Natürlich war mein Service nicht umsonst. Die Schüler und Schülerinnen hatten dafür eine Gebühr von 20 Pfennig zu errichten.

      Damals bekam man für 20 Pfennig ein Eis und für 1 Mark eine ganze Schachtel Zigaretten. In den zwei Pausen am Tag habe ich wahrscheinlich mehr eingenommen als andere pro Woche an Taschengeld bekommen haben.

      Ich lernte also nicht nur für die Schule, wie es die Lehrer von uns verlangten, sondern fürs Leben.

      Mit 16 war für mich die Schulzeit vorbei, endlich durfte ich in einen Boxverein eintreten und dort galt selbstverständlich eisernes Rauchverbot. Aber da es mit 16 Jahren ohnehin erlaubt war, hatte es sowieso an Reize verloren.

      Während also Matthias in die Hippieszene einstieg und sich volldröhnte, dröhnte ich meine Gegner im Ring weg, ich war beweglich, hatte einen guten linken Haken und wurde mit 17 Jahren Junioren-Meister .

      Haschisch und dieses Zeug hatte mich nie interessiert.

      Matthias hat ja keine Hemmungen, auch über seine Niederlagen zu schreiben, zum Beispiel diese verrückte Reise nach Indien, die im Knast landete. Aber wie er darüber schreibt, hat wiederum Klasse – ohne jedes Selbstmitleid, ohne jedes Pathos, er erlebt wirklich dramatische Sachen, die man wohl eher mir zuschreiben würde, und er schreibt darüber voller Selbstironie. Und selbst die banalsten Sachen klingen bei ihm wie Poesie.

      Wir sind ja ungefähr gleich alt – und haben in völlig verschiedenen Welten gelebt. Sagen wir es so: Er mochte die Beatles, ich mochte die Stones.

      Ich bin absolut gegen eine Legalisierung von Drogen, ich verstehe aber die Gründe, aus denen man dafür sein kann, denn, so argumentiert Matthias, der Kampf gegen die Drogen, das hat schon die Prohibition gezeigt, ist einfach nicht zu gewinnen.

      Auf der anderen Seite kann bei mir jeder gerne soviel qualmen wie er will. Ich allerdings habe damit schon vor 35 Jahren nach einer schlimmen Erkältung aufgehört, und es war verblüffend einfach – man muss nur wollen.

      Das Buch von Matthias handelt nicht nur vom Rauchen, sondern auch vom Straucheln und Einstecken und davon, wie man wieder auf die Beine kommt. Deshalb ist es eine lohnende Lektüre für alle.

      ENDLICH NICHTRAUCHER

      Jeder hustenkeuchende Raucher, den ich kenne, hat sich ein- bis mehrmals ernsthaft geschworen „mit dem Scheiß aufzuhören!“

      Woraufhin ich meistens nickte, aber ebenso melodramatisch bekannte, dass es für mich zum Nichtrauchen auch eines Anlasses bedürfe! Einen Grund – einen Beweggrund, entscheidender und wegweisender als alle flüchtigen Vorsätze zum neuen Jahr (die, wie jeder weiß, sich etwa zeitgleich mit dem Silvesterfeuerwerk in Luft auflösen).

      Es müsste also etwas Bedeutendes sein! Etwas Großes! Ja – etwas Dramatisches!

      Etwas in der Art wie im Film „Harry und Sally”, wo Billy Crystal zur Silvesternacht erst kurz vorm Jahreswechsel begreift, dass er in Wahrheit Meg Ryan haben will und dann – punktgenau zum Gongschlag! – vor seiner Herzensdame erscheint, ihr dort endlich, endlich, endlich zu gestehn: „Ich liebe dich!“

      Diese hinreißende, weltumstürzende Kussmundschnute von Meg Ryan – das genau ist es...

      ...oder ein Herzinfarkt.

      Ja, Sie haben richtig gelesen: ein Herzinfarkt!

      Ein solcher Herzinfarkt ist jedem zigarettenqualmenden Zeitgenossen anzuempfehlen, der schon immer einmal (oder mehrmals) vorhatte, das Rauchen dranzugeben.

      Mit der ganzen Qualmerei zu pausieren, das war selbst mir gelegentlich schon gelungen – und zwar während der Fastenzeit. Aber, wie wohl ein jeder weiß, der mal gefastet hat, so ist diese Zeit, diese „Glanzzeit der Reue“ (wie sie bei den Orthodoxen genannt wird) mit der Auferstehung des Herrn – also mit Ostersonntag zu Ende, und dann ist Schluss-Aus-Feierabend mit Fasten und Entbehrung, wenn alsbald wieder Völlerei und Rausch fröhlich’ Urständ feiern – und somit aller Verzicht und alles Verbot bis auf Weiteres entschwindet; also darf – in Gottes

       Namen – da wieder aus allen Rohren gepafft, gequalmt und gequarzt werden!

      Deshalb – ich kann’s nicht genug betonen: Herzinfarkt!

      Ein Herzinfarkt ist ein heilsamer Schock! Verdammt unangenehm! Bringt einen zur Einsicht – manche bringt er auch um. (Und Rauchen erhöht die Gefahr eines solchen beträchtlich.)

      Meiner kam plötzlich! Wie ein Elefantentritt aus heiterem Himmel (sollte es dort oben solche erdenwärts tretende Dickhäuter geben), und zwar im vorletzten Jahr. Im Sommerurlaub. An der schönen Flensburger Bucht. Gemütlicher Abend bei Freunden, ich ein bisschen müde, verabschiede mich in unsere Ferienwohnung, wo ich dortselbst nun auf den Wohnzimmersessel sinke, wegen... tja, wegen dieses urplötzlichen Elefantentritts – aaauuutsch!

      Schmerz im Brustkorb. Atemnot. Angst. Ich rufe meine Frau an; ihr Handy klingelt – allerdings direkt neben mir, auf dem Couchtisch, na toll!

      Ich rufe 110. Als die Verbindung steht, keuche ich „Ich krieg keine Luft!“

      „Wo sind Sie?“

      „Keine Ahnung!“

      Wer merkt sich schon die Ferienadresse, aber irgendwo hat der Vermieter was aufgeschrieben. Keine zehn Minuten später – ein Lob auf das deutsche Gesundheits- und Rettungssystem ist hier angebracht! – rotieren die roten Lichter auf der Wiese im Vorgarten, ich öffne den Männern die Terrassentür, die setzen mich in den Sessel, schnell die Morphiumspritze gegen die Schmerzen – und