Nick Finkler

Konserviere meine Erinnerungen, Schatz


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und sie jetzt beobachtet, kann man eine deutliche Verbesserung feststellen. Unsere Liebe hat sich verbessert, unser Umgang miteinander, unsere Streitkultur. Insofern hat sich auch die Lebensqualität verbessert, alles dank dieser einen Diagnose.

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       Einfach mal wandern ohne Ziel

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       Licht, Lachen und lauter Liebe

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       Süße Abiturzeit

      Da es sich eben um keine Erkrankung im klassischen Sinne handelt, kann bei einem Autisten, der z.B. kein offensichtlicher "Rain Man" ist, auch keine 100% eindeutige Diagnose gestellt werden. Das ist aber weitläufig anerkannt und legitim. Während manche Ärzte sich genügend auf dem Gebiet auskennen und die Diagnose Autismus klar stellen können, gibt es auch solche Ärzte, die die eigentliche Diagnose verpassen und eine falsche Richtung einschlagen, womit sie das künftige Leben ihres Patienten fatal beeinflussen. Eine ärztliche Diagnose kann also negativ prägender sein, wenn man tatsächlich Autist ist und entsprechende Handlungen nötig wären, aber aufgrund einer falschen Diagnose andere Handlungen plant, die möglicherweise kontraproduktiv für den eigenen Autismus sind.

      In meinem Fall kam nach drei Stunden psychologischem Gespräch die erlösende Aussage, mein Autismus sei relativ eindeutig. Relativ im Sinne: In Relation zu den Auffälligkeiten und wie diese miteinander im selben Menschen existieren und sich auf mich und mein Umfeld auswirken. Oder kurz gesagt: Ich bin Autist.

      Meine Verlobte und ich hatten beschlossen, gemeinsam zu dem Gesprächstermin zu gehen, denn aufgrund ihrer Vorbildung hatte sie ein gewisses psychologisches Auge für meine Auffälligkeiten. Die Spekulation, ich könnte zumindest autistische Züge haben (manche Experten leugnen, dass diese überhaupt bei irgendwem klar nachweisbar sind), war immer mal wieder angesprochen worden, doch irgendwann wagten wir den Schritt.

      Ich hatte im Gespräch viel zu erzählen, aber auch meine Liebste konnte aus ihren Erfahrungen mit mir berichten. Manche Schilderungen, die ich über meine Vergangenheit zu erzählen hatte, durchlebte ich so intensiv, dass ich einen kurzzeitigen Heulkrampf erlitt. Ich weinte, aber es tat gut.

      Nach drei ewigen Stunden, in denen wir uns viele Notizen gemacht hatten, um erstes Rüstzeug im Umgang mit meinem Autismus zur Verfügung zu haben, stellte meine Verlobte dann die eine Frage: "Kann man jetzt also sagen, dass es Autismus ist?" Und die Antwort "Es ist relativ eindeutig, ja." sowie einige Tipps und Ratschläge öffneten mir und damit uns ungeahnte Türen zu meinem Selbst. Wir wissen seitdem, womit wir es zu tun haben, was das Verständnis grundsätzlich einfacher macht, aber die Probleme haben nicht schlagartig aufgehört. Das werden sie nie. Es wird mit der Zeit nur einfacher werden, routinierter. Privat, im Familien- und Beziehungsleben, aber auch im Schul- und später im Arbeitsalltag gab es wiederholt Probleme, die auf den Autismus zurück zu führen sind, aber nichts davon war bisher so gravierend, dass eine ärztliche Diagnose von Nöten gewesen wäre.

      Um weiteren Problemen im Alltag möglicherweise vorbeugen zu können, wurde mir mittlerweile empfohlen, eine ärztliche Diagnose folgen zu lassen, mit der ich weitere Angebote für Autisten in Anspruch nehmen könnte. Tatsächlich zögere ich aber noch mit der Umsetzung, nicht nur, weil die Fahrt zu dem betreffenden Arzt Geld kosten wird, sondern auch, weil die Fahrt sich als nutzlos erweisen könnte, falls der Arzt die richtige Diagnose nicht stellen sollte. Denn es gibt wie gesagt Ärzte, die trotz offensichtlicher Merkmale eine falsche Diagnose stellen, weil sie nicht über genügend Erfahrung auf dem Gebiet verfügen. Bei Erscheinen dieses Buches werde ich noch keine Entscheidung getroffen haben, aber es eilt auch nicht, denn ich bin nicht sterbenskrank.

      Auf die Frage "Ist Autismus heilbar?" gibt es zum jetzigen Zeitpunkt, wenn dieses Buch erscheint, noch keine eindeutige Antwort. Zwar haben sich diverse Leute daran versucht, eine mögliche Heilung zu finden, und man findet bestimmt auch Fachliteratur zum Thema, aber es stellt sich ohnehin die Frage, wie etwas geheilt werden soll, das nicht einstimmig als Krankheit klassifiziert werden konnte.

      Es darf zur Zeit angenommen werden, dass Autismus in etwa so wahrscheinlich heilbar ist wie Homosexualität, nämlich überhaupt nicht, und dass die Allgemeinheit sich schlicht und ergreifend damit zurecht finden muss. Zumindest, und das ist ein höchst ermutigender Gedanke, nimmt Autismus keinen tödlichen Verlauf, weshalb es mit einem Heilmittel auch ganz sicher nicht dringend ist.

      Sie werden bei der Lektüre dieses Buches auf manche Wiederholung stoßen. Mündlich bin ich darin noch schlimmer als schriftlich. Doch auch das ist Teil meines Wesens.

      Über das Wesen zu sprechen, ist unvermeidbar, denn Autismus ist wie bereits erwähnt nach aktuellen Erkenntnissen weder eine Behinderung noch eine Erkrankung, sondern eine Wesens- bzw. Entwicklungsstörung. Es gilt als typisch, dass wir sowohl mit sozialer Kommunikation als auch mit sozialer Interaktion erhebliche Schwierigkeiten haben, und so ist das auch für mich. Das bedeutet in meinem Fall, dass ich zwar Unterhaltungen führen kann und zum Beispiel auch auf einem Festival tanzen kann, aber mir in jeder denkbaren Situation nicht sicher sein kann, was mein Gegenüber gerade empfindet. Ich bin fast blind für Mimik und Gestik und fast taub für verschiedene Nuancen im Tonfall. Ich kann all das nur erraten und mir allenfalls über bisherige Erfahrungen herleiten. Mein Alltag ist regelmäßig voll von Missverständnissen.

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       Dark Wave und Electro

      Im Handel finden Sie zahlreiche Bücher zum Thema Autismus, häufig über autistische Kinder. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, autistische Kinder sterben, ehe sie erwachsen werden können. Aber in Wahrheit finden sich einfach deutlich mehr Bücher über das Schicksal der Kinder. Dennoch nutze ich die Gelegenheit, um es hier und jetzt ganz unmissverständlich zu sagen: Autistische Kinder sind nicht automatisch mit der Volljährigkeit befreit, sondern viele tragen den Autismus ins Erwachsenenalter weiter, und so gibt es unwahrscheinlich viele Erwachsene, die entweder diagnostiziert oder auch nicht diagnostiziert ihren Alltag leben und erleben und sich irgendwie durch ihr ganz spezielles Leben kämpfen.

      Wenn Sie selbst Angehöriger eines Autisten sind, werden Sie nicht das eine Buch finden, das Ihnen sämtliche Antworten auf Ihre Fragen gibt. Weil jeder Autist anders ist, bleibt Ihnen wohl kaum etwas anderes übrig, als sich in das Thema einzulesen und von verschiedenen Fällen die Eigenheiten auszusuchen, die in Ihrer Situation ähnlich vorkommen und entsprechend damit umzugehen lernen. Vielleicht gibt es in Ihrem Ort eine Selbsthilfegruppe für Angehörige oder ein Autismus-Therapie-Zentrum. Erkundigen Sie sich danach und unterhalten Sie sich mit anderen Angehörigen, ggf. gibt es online ein entsprechendes Forum. Was auch immer Sie machen, man wird mit dem Thema nicht halb so alleine gelassen, wie es manchmal den Eindruck macht.

      In diesem Buch werde ich die Eingrenzungen "viele Autisten", "manche Autisten", "einige Autisten" u.ä. verwenden. Dies dient dazu, die ungefähr geschätzte Menge einer betroffenen Gruppe für Sie etwas anschaulicher zu machen. Bei der Einschätzung beziehe ich mich auf Erfahrungswerte, geführte Gespräche sowie gelesene Artikel zum Thema. Diese Vorgehensweise ist bereits eines der Probleme, mit denen man als Autist zu tun haben kann.

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       Spaßvogel im Partymodus

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       Verspielt in Köln – ein durchlebter Tag

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