Didier Desmerveilles

Der Killer kam aus Santa Fu


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Familie.«

      »Wie kommt das? Sie hören sich eher italienisch an.«

      »In dem Einwanderermilieu, zu dem die Familie Aksam dereinst vor vielen Jahren, Jahrzehnten gehörte, wie auch meine Familie, da musste man zusammenhalten. Herr Aksam hat meinem Vater manches zu verdanken, was hier im Detail auszubreiten mir jetzt nicht angezeigt erscheint, aber – um es kurz zu machen: Es war ein wunderbares Fest.«

      »Meine Tochter hat doch nicht getrunken?«, warf Elisabeth mit einem Anflug von Empörung ein.

      »Da dürfen Sie unbesorgt sein. Luisa ist ... Sie ist ein Wesen von besonderer Reinheit und Zartheit. Und genau deswegen kann auch ich nicht umhin zu gestehen, dass sie auch auf mich einen gewissen Eindruck gemacht hat.«

      »Sie erzählen mir jetzt hier gerade, dass Sie in meine Tochter verliebt sind?«, unterbrach Berthold seinen merkwürdigen Gast, der daraufhin andächtig nickte und erwiderte: »Ja, so profan es klingt, man muss es wohl so nennen. Und der Wunsch, der hier zu äußern wäre...« Gebannt hingen die Eheleute an Verminos Lippen. Dem Italiener schienen überraschend die Worte ausgegangen zu sein. »Der Wunsch also wäre – und ich darf sagen, dass ich mir an diesem Punkt der vollen Unterstützung von Herrn Erol Aksam gewiss sein kann –, dass auch Sie eine Verbindung Ihrer Tochter mit mir gewissermaßen ... unterstützen.«

      Berthold erhob sich, wandte sich ab und rang die Hände. Mit zur Zimmerdecke gerichteten Augen sagte er: »Ja, sind wir denn jetzt hier bei Emilia Galotti, oder was? Das ist doch hier kein bürgerliches Trauerspiel!«

      »Könnte aber eins werden!«, sagte Vermino, der seine spitze Zunge wiedergefunden zu haben schien, mit einem hintergründigen Lächeln.

      »Wir leben in einer europäischen Großstadt des 21. Jahrhunderts. Da werden zwischenmenschliche Beziehungen nicht mehr ausgekungelt wie im Mittelalter! Ich verordne doch meiner Tochter nicht den Freund.« Elisabeth warf ihrem Mann einen spöttischen Seitenblick zu.

      »Es geht hier um keine Verordnung«, sagte Vermino, »das überlassen wir der Stadtverwaltung. Es geht darum, dass Sie Ihrer Tochter gegenüber zum Ausdruck bringen, was Sie gutheißen können und was nicht. Ein väterlicher Rat vermag bei der Tochter viel, wie Schiller zu sagen pflegte.«

      »Also, ein Türke kommt nicht in die Tüte, aber 'n Italiener ist o.k. Da treibe ich ja den Teufel mit dem Beelzebub aus.«

      »Sollte ich das jetzt als eine ausländerfeindliche Bemerkung auffassen?«

      »Das können Sie halten wie'n Dachdecker. Fakt ist: Über meine Tochter wird nicht verhandelt wie über die Kerosinpreise bei Aksam-Tours!«

      »Außerdem«, wagte sich nun auch Elisabeth aus der Reserve, »ist das ist ja jetzt auch kein Fortschritt: Wenn wir den Sohn haben können, dann... dann... dann nehmen wir doch nicht den Untergebenen!«

      »Unterschätzen Sie bitte nicht meine Position«, gab Vermino mit einem Anflug von Gekränktheit zurück. »Außerdem habe ich einen deutschen Pass und bin daher von Rechts wegen zu hundert Prozent deutscher Staatsbürger.«

      »Ja, daran sieht man mal, wo die Sozis uns hingebracht haben mit ihrer Integrationspolitik. Und jetzt, lieber Herr Vermino, hören Sie mal genau zu, denn mehr gibt es heute zu dem Thema nicht von mir. Erstens: Ein Liebhaber, der bei den Eltern der Umschwärmten angekrochen kommt, damit er bei ihr landen kann, ist für mich eine taube Nuss! Umgekehrt wird ein Schuh draus: Wir Eltern sollten erst mal von nichts 'ne Ahnung haben und die beiden Verliebten heimlich unter einer Decke stecken.«

      »Unter einer Decke?«, wiederholte Vermino ungläubig.

      »Ja, jetzt nicht wörtlich zu verstehen natürlich. Ich meine: Das Kind sollte eher Vater und Mutter zum Teufel wünschen, als sich von ihrem Liebsten trennen zu lassen, oder sich ihnen vor die Füße werfen, damit sie ihren Widerstand aufgeben. Das ist Liebe! Entweder ein Mann macht was her, dann sollte er sich schämen, sich auf so altmodische Wege des Liebeswerbens zu begeben, oder er hat keinen Mumm und ist ein Hasenfuß. Und für so einen ist meine Luisa schlicht und ergreifend zu schade. Und deswegen – nehmen Sie's nicht persönlich, Herr Geschäftsführer von Aksam-Tours – kann ich meiner Tochter zu vielem raten, aber zu Ihnen ganz bestimmt nicht.«

      »Unsere Tochter hat was Besseres verdient!«, fügte Elisabeth hinzu.

      Vermino war stark erblasst, seine Wangen wirkten hohl, als er sich erhob, zur Tür wandte, dort noch einmal umdrehte und sich mit den Worten: »Empfehle mich, Herr Müller – Frau Müller!« verabschiedete.

      »Ich glaube kaum, dass es da noch was zu empfehlen gibt«, warf der alte Müller ihm nach.

      Als der geckenhafte Gast schon lange aus dem Haus war, hatte er sich immer noch nicht beruhigt und wetterte: »Was für'n Lackaffe!«

      Seine Frau pflichtete ihm bei: »Der Gaul wär' geschenkt noch zu teuer!«

       3

      »Goldstück«, sagte Fredo und griff über den Tisch nach ihrer Hand, um sie in die seine zu nehmen, »du bist heute irgendwie abwesend. Welche Laus ist dir über Leber gelaufen?« Sie werkelte mit dem Messer an ihrem letzten Stück Pizza herum, als wäre es ein ungebratenes Stück Steak und blickte nicht auf. »Luisa? Bist du noch bei mir?«

      »Natürlich, Fredo, ich sitze doch hier vor dir!«

      »Das mein' ich nicht, Goldstück, und das weißt du auch ganz genau. Du weißt, ich liebe dich, du bist mein ein und alles. Ich schwör's dir, ja?« Sie nickte wie abwesend. »Und du?«

      »Ja?«

      »Bist du noch die meine?«

      Sehr leise, fast verzagt brachte sie hervor: »Ich liebe dich, Fredo.«

      »Rede mir Wahrheit, Goldstück. Etwas stimmt nicht. Du weißt, du bist durchsichtig für mich wie geschliffener Diamant in Mittagssonne. Komm.« Er drückte ihre Hand. »Sag's mir. Was ist los? Was liegt wie eine Tonne Altmüll auf deiner Seele? Immer noch dieser verschissene anonyme Brief?«

      Endlich blickte sie ihm ins Gesicht. Und da war es wieder, dieses Lächeln, das verzaubern konnte, das Lächeln, das er nur einmal zu sehen hatte brauchen, um ihm zu verfallen, das Lächeln eines Engels mit goldenen Flügeln, die ihn in ein fernes Paradies zu tragen versprachen. Und an nichts anderes konnte er seit jener ersten Begegnung mehr denken, als er sie fast angefahren hätte mit seinem Angeber-Ferrari, der sie erst mal so gar nicht beeindrucken konnte, ihr stattdessen nur zu verächtlichen Blicken Anlass gegeben hatte. Sie war auf dem Jungfernstieg unterwegs gewesen, wie meistens auf ihrem Fahrrad, sie hatte bei Grün über den Zebrastreifen fahren wollen und er hatte mal wieder nicht nach hinten geschaut, ehe er rechts abbog. Und da wäre sie fast auf seine Motorhaube geflogen. Zum Glück war seine Reaktion die eines Rennfahrers und seine Bremsen – die eines Ferrari eben. Warnblinkanlage, sofort rechts ran und raus aus dem Wagen. Sie hatte auszuweichen versucht und war dabei gestürzt. Luisa am Boden. »Oh, Scheiße, ist was passiert? Oh, tut mir voll leid, ey!« Mehr war ihm nicht eingefallen. Ja, es war etwas passiert. Sie hatte verlegen gelächelt, als wäre sie diejenige gewesen, der etwas Peinliches passiert war, und im Aufstehen geantwortet: »Ja, weiß schon, Sportwagen haben 'ne eingebaute Vorfahrt. Dass mir das entfallen war!« Ihr langes, leicht gewelltes braunes Haar lag etwas wirr über ihrem Gesicht.

      Er erkannte trotzdem sofort, dass sie engelsgleich schön war, von vollendeter Mädchengestalt. »Ist kein Sportwagen«, hatte er geantwortet, »ist Ferrari.«

      »Ja wow! Da hab' ich ja Glück! Kriegt man dann im Himmel gleich 'n besseres Zimmer, wenn man vom Ferrari tot gefahren wurde und nicht von 'ner Pferdekutsche, ja?«

      »Ja klar. Am schlimmsten ist Golf. Die werden da oben gar nicht erst reingelassen wegen Proll-Prüfung am Eingang.«

      »Ja, hab' ich wieder viel dazugelernt heute«, sagte sie und hob ihr Fahrrad am Lenker vom Boden auf. »Dankeschön auch.«

      »Ja, nee, ich mach' das jetzt schon wieder gut. Fährst du mir hinterher, lad' ich dich ein. Nur dein Geschmack entscheidet!«

      »Tut mir leid, ich verbringe