Didier Desmerveilles

Der Killer kam aus Santa Fu


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als weiblicher Teil eines Liebespaares anstarren zu lassen. Doch jetzt plötzlich stieß sie ihn mit einer Entschlossenheit zurück, die Fredo nicht erwartet hatte.

      »Fredo, du ... Fredo, du«, stammelte sie. Er blickte sie verstört an und hatte keine Ahnung, was sie ihm sagen wollte.

      »Was?«, rief er.

      »Du kannst einen zum Wahnsinn treiben! Du hast ja keine Ahnung, was das mit mir macht, wenn du so redest, wie die Welt sich anfängt zu drehen für mich. Aber sind das die guten Geister, Fredo?«

      »Was? Wovon redest du?«

      »Die Geister, die du rufst, sind das die guten Geister? Es ging uns gut, Fredo, wir hatten ein kleines Glück, aber du machst einen wild, du machst, dass ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht. Du glaubst, ich bin nicht von der Glut verschlungen wie du, verzehre mich nicht. Dabei bist du selbst der größte Brandstifter auf Gottes Erdboden!« Ihre Stimme stockte, sie blickte sich fahrig nach mehreren Seiten um, blickte in neugierige, auch einige beleidigte Gesichter und verließ fluchtartig, als sei ihr nun erst die peinliche Theatralik des ganzen Auftritts zu Bewusstsein gekommen, das Restaurant.

      »Goldstück?«, rief Fredo ihr nach. Und auch er nahm nun die vielen Blicke wahr, die die Szene verfolgt hatten. »Was glotzt ihr alle so?«, brüllte er. »Ist euch das zu viel Theater, ja? Wollt ihr lieber in Ruhe eure Scheiß-Pizzen essen, ja? Dann will ich euch mal sagen, wem der Scheißladen hier gehört und warum ich hier rumschreien und Szene machen kann, so viel ich will. Meinem Scheiß-Vater gehört nämlich der Scheiß-Laden hier, klar?«

       4

      Luisa hatte den Zug genommen. Sie hatte sich die Tränen aus dem Gesicht gewischt, konnte aber erahnen, dass sie trotzdem immer noch etwas verweint aussah. Ihre Mutter, die die Tür gehört hatte, trat in den Hausflur und umarmte sie. »Hallo, mein Kind! Findest du doch noch zu uns.«

      »Ja, hatte doch gesagt, ich komm' später, Mama.«

      »Wir haben noch Braten im Ofen. Kann ich dir aufwärmen.«

      Luisa schüttelte den Kopf. »Ich hab' doch mit Fredo gegessen, Mama.«

      »Lass dich anschauen, Kind. Hast du geweint? Na, komm erst mal rein in die gute Stube.«

      »Seid ihr bei dem schönen Wetter nicht draußen?«

      »Dem Papa ist's zu warm«, sagte Elisabeth. Sie setzten sich also zum Vater, der im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß. Es lief ein Konzert der Berliner Philharmoniker. Berthold wandte sich aber sogleich seiner Tochter zu und sagte: »Ach, das ist schön, dass du noch kommst, mein Kind.«

      »Hallo Papi!«

      »Gab's Ärger? Du siehst ein bisschen so aus, als hättest du geweint. Komm mal her, mein Mädchen, komm zu Papa!« Berthold hatte seinen Arm auf die Sofalehne gelegt und mit der Hand bedeutete er ihr, sich zu ihr zu setzen. Luisa fühlte sich in der Gegenwart ihres dominanten Vaters auch heute noch wie zehn. Sie setzte sich, ließ ihren Kopf an seinen Oberarm sinken. Seine Hand sank zu den schmalen Trägern des Sommerkleides auf ihre rechte Schulter. Elisabeth nahm auf dem Sessel gegenüber Platz.

      »Ach, Papa. Ich finde keine Ruhe mehr«, seufzte Luisa. »Ich dachte immer, sich zu verlieben ist etwas Leichtes und Heiteres. War es ja auch. Aber jetzt ist Fredo ...«

      »Ich hatte ja eigentlich gehofft, diesen Namen hier im Hause gar nicht mehr zu hören«, fiel der Vater ihr streng ins Wort.

      »Ist Liebe immer so? So fordernd, so verschlingend, so maßlos? Ich würde ja auch gern mal wieder an was anderes denken, mich auf die letzte Abi-Prüfung vorbereiten. Aber jetzt bin ich gerade mal eine Stunde von ihm getrennt und ich möchte am liebsten schon wieder bei ihm sein.«

      »Ich gäb' was drum, wenn du den Kerl nie gesehen hättest.«

      Luisa hob empört den Kopf, blickte ihrem Vater fest in die Augen und erwiderte: »Das darfst du nicht sagen, Papa. Ist es nicht vielleicht auch Gottes Wille gewesen? Der Unfall und das, was danach kam? Er hätte mich ja auch vergessen können. Gibt es Zufall? Oder ist es nicht eher Bestimmung?«

      »Wenn es deine Bestimmung ist, mit dem Kerl unglücklich zu werden.«

      »Kann sich denn Liebe so irren, Papa? Kann es falsch sein, wenn man auf einmal weiß, in der allerklarsten Klarheit eines lichtdurchfluteten Frühlingsmorgens weiß: Der ist es? Und der Himmel hängt voller Geigen und die Vögel tirilieren und die ganze Welt scheint im Einklang mit dem eigenen Herzen zu sein und mitzujubeln: Er ist's! Er ist's! Er ist's! Am Morgen nach unserer ersten Verabredung wachte ich um sechs ganz von alleine auf und dachte sofort wieder an ihn. Du weißt, wie gern ich gründlich ausschlafe. Es war, als hätte mein Herz Angst, durch zu langes Schlafen zu viel von ihm zu verpassen. Und als ich aufstand, da war der Morgen nicht wie der Morgen sonst war, war anders, war heller, war luftiger, war heiterer. Als wär's der erste Morgen meines Lebens überhaupt und Frühling, der Blumen wachsen lässt aus meinem Herzen. Kann das falsch sein, wenn man so empfindet, Papa? Du warst doch auch mal verliebt, oder?«

      Ja, er war auch mal verliebt gewesen. Und er wusste, dass dagegen kein Kraut gewachsen war. Und die Träne, die ihm im Auge stand, war vielleicht weniger der poetischen Liebeshymne geschuldet, die seine Tochter soeben angestimmt hatte, als den Enttäuschungen, von denen er keine Liebe frei wusste und deren Bekanntschaft – das war seine große Sorge – seine geliebte Tochter allzu bald machen würde. Er zog sie an sich, sie legte ihren Kopf an seine breite Brust. »Ich wünschte«, sagte er, »ich könnte dir etwas anderes sagen, mein Kind, aber er ist nicht der Richtige.«

      Verstohlen blickte sie von seiner Brust auf, ihm ins Gesicht. »Ach Papa«, seufzte sie, »ich weiß ja, dass du so denkst. Und ich will auch nichts überstürzen, will uns beiden Zeit zum genauen Kennenlernen geben. Deswegen ja heute auch die Tränen: weil er solchen Überschwang hat, der einen förmlich mitreißt. Ich weiß ja, dass man sich von der Liebe nicht blenden lassen soll. Aber wenn die Liebe nicht verschwinden will – und es fühlt sich wirklich nicht so an –, dann wirst du ihn doch akzeptieren, oder?«

      »Also, gut aussehen tut er ja immerhin«, gab die Mutter zu bedenken. Die Philharmoniker im Fernseher hatten gerade Pause. »Das muss der Neid ihm lassen.«

      »Hm, Papi? Wenn wir beten und wenn wir Gott um Weisheit für die richtige Entscheidung bitten, dann kann er doch auch der Richtige werden, oder?«

      »Verglichen mit dem Lackaffen von heute Mittag jedenfalls«, fuhr die Mutter fort.

      »Was für ein Lackaffe?«

      »Das hört sich ja alles schön und klug an, Luischen«, sagte Berthold, ohne auf Luisas Frage einzugehen, »aber wo du schon selbst Gott ins Spiel bringst: Habt ihr denn auch mal darüber geredet, ob er Christ werden will?«

      »Ach, Religion ist für Fredo nicht so wichtig. Das sind ja keine praktizierenden Moslems.«

      »Kind, ich fürchte, du hast keine Ahnung, worauf du dich da eingelassen hast«, meinte Elisabeth. »Und wenn dir dein Glaube wirklich wichtig ist, dann musst du das auch mal mit deinem Fredo bereden.«

      »Haben wir schon. Aber er nimmt das Thema irgendwie nicht ernst. – Was denn für ein Lackaffe, Papa?«

      Berthold wandte den Blick von seiner Tochter weg auf seine Frau, die reumütig die Augen senkte. »Deine Mutter muss mitunter einfach mal den Mund halten«, sagte er. »Und ich brauch' jetzt ein bisschen frische Luft!«

       5

      »Alter, voll krass! Der hat das Passwort angenommen! Hexerei, Alter!« Fredo saß vor Martins Laptop und traute seinen Augen nicht. »Komm, lass uns mal eine Million auf mein Konto überweisen. Nur zum Spaß. Will sehen, ob das geht.«

      »Klar geht das.« Martin schätzte es nicht, wenn man an seinen Fähigkeiten zweifelte. »Mit dem Passwort kannst du alles, was der Inhaber des Kontos auch kann. Und Geld genug ist ja drauf, wie man sieht.«

      »Eine Million weniger merkt der alte Sack gar nicht.«

      »Aber wir sollten mal lieber