Riccardo Rilli

Der Kugelschreiber


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Missgünstige Kollegen und lange, verwirrende Flure. Eine Tür an die andere gereiht. Weiß gestrichen und mit einem blassgrünen Linoleumboden ausgelegt, vermittelten die endlosen Gänge Leblosigkeit und Tristesse. Jedes Stockwerk des Gebäudes war identisch angelegt. Die einheitlichen Türen, hinter jenen sich die Monster versteckten, zum Angriff bereit, mit den gleichen Zimmernummern in sämtlichen Etagen. Es gab Heizkörper. Sie wurden aus Einsparungsgründen nicht benutzt. Die Kälte breitete sich aus. Von den Korridoren direkt in die Herzen der Mitarbeiter. Mich fröstelte, obwohl mein Zimmer beheizt war. Auf einundzwanzig Grad. Mehr leistete die Anlage nicht. Ich rieb die Handflächen aneinander, um mich aufzuwärmen. Draußen gab es an jeder Ecke Fallen. Raucherzimmer, in die man eingeladen wurde, wenngleich man Nichtraucher war. Das Buffet, in das man hineingezogen wurde, um einen Kaffee mitzutrinken. Weigerte man sich, erhöhten sie den Druck. Sie boten an, die Rechnung zu bezahlen und man galt als unhöflich, wenn man ablehnte. Es gab Türen, die jäh geöffnet wurden und hinter denen sich Kollegen verbargen, die ihre Arbeit zwischen Tür und Angel dem Vorbeigehenden aufzwingen wollten. Die Vorgehensweisen der Vampire waren durchdacht, hinterhältig und zielgerichtet.

      Mein Blick wanderte auf das leere Blatt Papier, das ich mir zurechtgelegt hatte, um die Botschaft aufzuschreiben. Ich hatte es der Papierlade des Druckers entnommen. Das Gerät stand auf einem kleinen Beistelltisch, neben den beiden Schreibtischen und diente meinem Kollegen und mir zu gleichen Teilen. Der Arbeitgeber verziehe mir den privaten Gebrauch seines Materials, wenn er den Inhalt des Textes, den ich auf diesem Bogen zu notieren gedachte, gelesen hatte. Ich wusste, dass ich schreiben musste. Die Worte brannten in meinem Geist. Sie drängten nach draußen, im Gegensatz zum Körper, der auf dem Schreibtischsessel festzukleben schien. Ich drehte das Papier auf der Schreibtischplatte und betrachtete es mit Wehmut. Meine großen, traurigen, blauen Augen wanderten die nicht vorhandenen Zeilen entlang. Ohne Kugelschreiber war es mir unmöglich, der Welt meine Gedanken mitzuteilen. Ich musste das Büro verlassen, ansonsten bekäme ich den Stift nicht. Ich sah keine Alternative.

      Ich stand auf und schob den Sessel ruckartig zurück, sodass er gegen die weiß gestrichene Wand schlug. Ich nahm meinen Mut zusammen. Nervös fuhr ich durch die dunklen Haare und richtete den Scheitel, der ohnehin perfekt frisiert gewesen war. Die Schritte führten mich zur Tür, die mir wie ein großes, grobes Holztor einer Festung erschien. Sie erweckte den Eindruck, als wäre sie vier Meter hoch und zwanzig Zentimeter stark. Niemand könnte sie einen Millimeter bewegen. Ich zögerte, machte kehrt und ging zurück zu meinem Platz. Bevor ich mich setzte, schloss ich die Augen und atmete tief ein. Die Botschaft musste geschrieben werden. Es war die Zeit gekommen, den Widrigkeiten, die ich bei meiner Reise erlitte, entgegen zu treten. Ich schritt auf die Tür zu. Wie eine Warnung, das Büro nicht zu verlassen, baute sich das Tor massiv vor mir auf. Die Türklinke schien unerreichbar. Ich streckte die Hand nach ihr aus. Die Fingerspitzen berührten das kalte Messing und ich zuckte schlagartig zurück, als erhielte ich einen Stromschlag. Ein erneuter Versuch. Ich wischte mit Daumen und Zeigefinger über die Mundwinkel und griff zu. Die Hand umschloss das Metall. Hielt es fest. Ich atmete hörbar aus und drückte die Klinke hinunter. Mit einem Knarren öffnete sich die schwere Holztür. Der Spalt wurde breiter und der Raum wurde mit gleißendem, weißlichem Licht geflutet. Ich ließ die Tür aus, die weiter der initiierten Bewegung folgte, bis sie der Türstock stoppte. Ich stand im Türrahmen, beleuchtet von den Neonröhren, die dem Gang vor mir Helligkeit spendeten. Ich schob meinen Unterarm vor die Augen, um sie vor dem blendenden Weiß zu schützen. Ich kniff die Lider zusammen, um besser sehen zu können. Es war nichts zu auszumachen, außer einer endlosen, trostlosen Leere. Ich nahm die Umgebung verschwommen wahr, bis die Augen an das Licht gewöhnt waren. Vor mir breitete sich die Welt in all ihrer Gnadenlosigkeit und Ungerechtigkeit aus. Ich spürte, dass ich auf eine ungewisse Reise ging. Mein Blick wanderte nach unten. Zwischen den Turnschuhen war der Übergang vom alten, heimeligen Parkettboden zum neuen, kalten Linoleumboden zu erkennen. Ein kleiner Schritt, und es gäbe kein zurück. Ein Schritt, der mich meinem Untergang näher brächte. Ein tiefer Atemzug. Mit geschlossenen Augen trat ich aus der Höhle auf der Suche nach einem Kugelschreiber.

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