Julie Bloom

Mr.Spencer und die mörderische Witwe


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ein Erdgeschossfenster getroffen und es zerbrochen. Worauf hin Mrs. Henderson, jetzt war Phil der Name wieder eingefallen, die drei jungen Männer zur Rede gestellt und bei der Polizei angezeigt hatte.

      „Mrs. Henderson. Ja, ich erinnere mich. Ich möchte Ihnen versichern, dass mir die Unannehmlichkeiten von damals nach wie vor außerordentlich leidtun. Ich hoffe sehr, Sie tragen mir diesen jugendlichen Leichtsinn nicht mehr nach“, äußerte Phil ehrlich reumütig.

      Obwohl, ein wenig witzig war es schon, sich an die aufgebrachte und durchaus in Kraftausdrücken gewandte Mrs. Henderson von damals zu erinnern. Phil musste nun aufpassen, nicht zu grinsen. Außerdem war es, den amüsiert lächelnden Blick, den Luzia ihm in jener Nacht von ihrem Fenster im ersten Stock aus zugeworfen hatte, wert gewesen. Leider hatte er sie danach nie mehr wiedergesehen. Himmel, war er damals mit achtzehn Jahren in sie verliebt gewesen. Aber es hätte keinen Zweck gehabt.

      „Wie geht es Luzia?“, fragte Phil nun vollkommen unbedacht.

      „Ausgezeichnet“, zischte die inzwischen ziemlich alte Mrs. Henderson. „Sie hat äußerst vorteilhaft geheiratet und bereits drei Söhne zur Welt gebracht. Ihr Ehegatte kann sich überaus glücklich schätzen. Und nun entschuldigen Sie mich, ich werde erwartet.“

      Damit rauschte Mrs. Henderson davon und ließ Phil mit seinen Gedanken an die Vergangenheit zurück. Jetzt wusste er immerhin wieder, warum er solche Veranstaltungen derart verachtete. Es waren nur unangenehme Begegnungen zu erwarten. Er warf einen Blick zu Tante Feodora, die offensichtlich immer noch wohl auf war und sich angeregt unterhielt.

      Seine Tante war es, die ihn damals aus diesem Schlamassel hatte ziehen müssen. Sie hatte vor Gericht für ihn gesprochen und die Sache geregelt, indem sie Mrs. Henderson die komplette Reparatur, und zusätzlich noch eine ansehnliche Summe für die Unannehmlichkeiten, bezahlt hatte. Glücklicherweise hatte sich Mrs. Henderson damals damit zufriedengegeben. Phils Tante hatte aber danach beinahe eine Woche lang nicht mit ihm gesprochen. Er konnte es ihr nicht verdenken.

      Phil rief sich in Erinnerung, für wen er das hier heute Abend tat, für seine Tante. Er beschloss also, durchzuhalten, sich noch ein Glas Champagner zu besorgen und jegliche unausstehliche Gesellschaft zu ertragen.

      Plötzlich zog es Phils Blick magisch zum Eingang des Ballsaals. Und da sah er sie. Sie war eine dunkelhaarige Offenbarung in einem roten, prächtigen Ballkleid, einer Königin würdig. Alles funkelte und glitzerte an ihr. Die Welt hörte auf sich zu drehen, der Lärm im Saal verstummte und für Phil gab es nur mehr noch sie. Wer war sie? Phil hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen. War sie etwa alleine gekommen? Zumindest wurde sie von niemandem am Arm begleitet und momentan stand sie ganz alleine dort. Es schien sie auch niemand wirklich zu beachten, außer er, Phil. Doch plötzlich kamen die Gastgeber, Lord und Lady Trevelyan auf sie zu und begrüßten sie herzlich. Sie begleiteten die wunderschöne Dame zu einem guten Sitzplatz am Rande des Ballsaals und unterhielten sich noch eine Weile mit ihr.

      Phil konnte nun seine Augen nicht mehr von ihr abwenden und bewegte sich unwillkürlich näher an das Geschehen heran. Er stand nämlich momentan beinahe am anderen Ende des Saals, eindeutig zu weit weg. Im Vorbeigehen überprüfte er noch kurz, ob es Tante Feodora auch nach wie vor gut ginge, es ging ihr blendend. Das Glas Champagner, das er sich hatte besorgen wollen, hatte Phil vollkommen vergessen.

      Er hatte nun erfolgreich den halben Saal durchquert und befand sich schließlich auf der anderen Seite der Tanzfläche, wo er sich erneut an eine Säule lehnte. Von hier aus hatte er freie Sicht auf die glänzende Schönheit, konnte aber auch seine Tante im Auge behalten.

      Die Trevelyans verabschiedeten sich von der ihm Unbekannten und überließen sie sich selbst.

      Phil wusste nicht, was er nun tun sollte, und haderte mit sich. Einerseits wollte er am liebsten sofort zu ihr hinüber gehen und sie ansprechen, andererseits fühlte er sich wie gelähmt und konnte sich nicht von der Stelle bewegen. So kannte er sich selbst überhaupt nicht. War er doch sonst bislang ein berüchtigter Draufgänger gewesen, der nie lange überlegte, bevor er zur Tat schritt.

      Doch was, wenn sie ihn abweisen würde? Das konnte Phil im Augenblick wohl kaum verkraften, deshalb wagte er es nicht.

      Mit sich selbst ringend blieb er also an der Säule stehen und versuchte sich innerlich zu beruhigen. Nach einer Weile beschloss er, zum Erfrischungsstand zu gehen und sich das stärkste Getränk zu besorgen, das er dort finden würde.

      6. Kapitel

      „Warum beobachten Sie mich die ganze Zeit?“, fragte eine weibliche Stimme hinter Phil, und er hätte vor Schreck beinahe sein Getränk verschüttet. Er stand immer noch am Erfrischungsstand und hatte gerade ein Glas Whisky entgegengenommen. Phil wandte sich um.

      „Wer möchte das wissen?“, fragte er geschickt gekontert. Wenn ihm sein Beruf irgendwelche Vorteile eingebracht hatte, dann waren es Wortgewandtheit und Schlagfertigkeit. Er erblickte nun die dunkelhaarige Schönheit, die ziemlich dicht vor ihm stand. Anscheinend wollte sie sich auch gerade eine Erfrischung holen. Außerdem schien sein Gegenüber diese Tugenden ebenfalls zu beherrschen.

      „Zuerst möchte ich wissen, wer Sie sind und was Sie von mir wollen“, fragte sie hartnäckig.

      Diese Fragen zu beantworten wäre Phil normalerweise leichtgefallen. Doch was wollte er eigentlich von ihr? Konnte er sich das überhaupt selbst beantworten?

      „Mein Name ist Phil Spencer, Sohn und inzwischen Bruder des Duke of Kintbury. Und was ich von Ihnen will, kann ich nicht sagen.“

      Die dunkelhaarige Schönheit dachte einen Augenblick darüber nach und erwiderte: „Wollen Sie vielleicht mit mir tanzen, Phil Spencer?“

      Zu Phils Überraschung lächelte sie nun einladend und gleichzeitig amüsiert, was sie nur noch schöner und attraktiver machte. Plötzlich wusste Phil, was er von ihr wollte. Doch zunächst wollte er wissen, wie ihr Name war.

      „Und mit wem habe ich das Vergnügen?“, fragte Phil nun ebenfalls grinsend und beinahe mit seiner gewohnten Gelassenheit, die ihn sonst auszeichnete.

      „Helena de Longré, Tochter von Sir Challenger und noch Ehefrau von Robert de Longré. Wollen wir?“

      Sie war echt erstaunlich. Einerseits gab sie den Ton an wie ein Mann, andererseits hatte sie ihm gerade erzählt, dass sie verheiratet war? Was suchte sie dann alleine auf einem Ball?

      Phil ließ sich von Helena - Helena, was für ein Name - mit auf die Tanzfläche ziehen und erwachte erst wieder aus seinen Gedanken, als er mit ihr in seinem Arm mitten unter den tanzenden Ballgästen stand, und die ersten Takte eines Walzers erklangen.

      Phil blickte seiner Tanzpartnerin ins Gesicht, in die Augen, und erkannte zum ersten Mal ihr wahres Wesen. Ihre feinen, aber bestimmten Gesichtszüge. Ihre Anmut, ihre warmherzigen blaugrauen Augen, aber auch ihre Stärke. Sie schien genau zu wissen, was sie wollte. Er konnte in ihrem Blick aber auch das Glitzern eines kleinen, hoffenden Mädchens erkennen. Es erschien alles ein wenig unwirklich für Phil. Wie hatte sich diese Person plötzlich in sein Leben gezaubert? Sie schien ihm sehr ähnlich zu sein, und gleichzeitig das komplette Gegenteil. Er hatte das seltsame Gefühl, Helena schon ewig zu kennen.

      „Starren Sie mich nur an, oder wollen wir tanzen?“, fragte sie ihn plötzlich mit amüsiert funkelnden Augen und riss Phil aus seiner Trance.

      Phil setzte sich mit ihr in Bewegung und warf einen prüfenden Blick zu Tante Feodora, die ihm nun auch wieder eingefallen war. Sie wirkte schon etwas blasser, es schien ihr aber noch recht gut zu gehen. Phil beschloss, ihr sofort nach diesem Tanz, etwas zu trinken zu besorgen und nach ihr zu sehen.

      Doch nun wandte er sich erneut Helena zu.

      „Wie kommt es, dass Sie als verheiratete Frau alleine auf diesen Ball kommen?“, wollte Phil wirklich gerne wissen.

      „Mein Mann ist bettlägerig und geht auf keine Bälle mehr“, antwortete die schöne Helena kühl und knapp.

      Bei dem Gedanken an ihren Ehemann erfror beinahe ihre Mimik. Plötzlich wirkte sie kühl und distanziert.

      „Tut